Die Preisträgerin Milena Michiko Flašar mit ihrem Buch «Oben Erde, unten Himmel», 2023 im Wagenbach Verlag erschienen, gewinnt den Evangelischen Buchpreis 2024.

Die Preisträgerin Milena Michiko Flašar mit ihrem Buch «Oben Erde, unten Himmel», 2023 im Wagenbach Verlag erschienen, gewinnt den Evangelischen Buchpreis 2024.

Kassel / Redaktion ekkw.de/epd
Veröffentlicht 15 Mai 2024

Laudatorin: Text lebe von trockenem Humor und Herzensbildung

«Wir haben es mit nichts Geringerem zu tun als einem literarischen Wunder», würdigte Annemarie Stoltenberg (NDR) den Roman in ihrer Laudatio während der Feierstunde im Haus der Kirche. In «Oben Erde, unten Himmel» erzählt die japanisch-österreichische Autorin von einer jungen Frau, die Leichenfundorte reinigt. Das klinge zunächst abschreckend, erläuterte Stoltenberg. «Aber so wie Milena Michiko Flašar davon erzählt, wird es zu Literatur – mit Witz und Würde, Anmut, nahezu verblüffender Leichtigkeit und tiefem Ernst.» Der Text lebe vom «trockenen, bisweilen herrlich morbiden Humor dieser Autorin, ihrer nahezu weisen Lebensphilosophie und Herzensbildung», so die Laudatorin. Flašar sei «einer der schönsten, fragilsten, poetischsten und erstaunlichsten Texte über den Tod in unserer modernen Welt» gelungen, lobte Stoltenberg. Das Motiv des ewigen Lebens formuliere die in Wien lebende Schriftstellerin mit Zartheit, Humor und «nahezu mit Engelsflügeln beschwingt». 

Flašar: Preis als Motivation, sich mit Sein, Werden und Nicht-Sein auseinanderzusetzen

Sie sei gerührt und fühle sich geehrt, sagte Milena Michiko Flašar bei der Preisverleihung, die am Flügel von Pianistin Natsuko Inada umrahmt wurde. Als Autorin arbeite sie für gewöhnlich still vor sich hin, mit dem Peis habe diese Stille aber ein Ende. Sie dankte der Jury, den Roman trotz des schwierigen Themas ausgezeichnet zu haben. «Das bestärkt mich, mich weiter mit dem Sein, dem Werden und dem Nicht-Sein auseinanderzusetzen.»

Bischöfin Hofmann: Evangelische Büchereien sind viel mehr als Ausleihorte

In ihrer Begrüßung hatte Dr. Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) und in diesem Jahr Gastgeberin der Verleihungsfeier, auch die evangelische Bücherei-Arbeit vorgestellt. Evangelische Büchereien seien viel mehr als Ausleihorte: Sie ermöglichten Begegnung und bildeten eine Brücke zwischen Kirche und Menschen in der Ortsgemeinde. «Sie sind Türöffner, Lebensbegleiter, Kulturort und wichtiges Element in der Bildungslandschaft», zählte die Bischöfin auf. 

Allein dem Landesverband Evangelischer Büchereien Kurhessen-Waldeck seien 80 Büchereien in Kirchengemeinden, Kindertagesstätten und Schulen angeschlossen, in denen annähernd 300 ehren- und nebenamtliche Mitarbeitende tätig seien. Ihnen galt ihr Dank, außerdem den Leserinnen und Lesern, die sich mit ihren Vorschlägen beteiligt hatten und der Jury des Buchpreises, die schließlich «Oben Erde, unten Himmel» auswählte. Bücher wie dieses entführten in eine andere Welt und zugleich mitten in das eigene Leben und seine Fragen hinein. «Was macht Leben aus, gerade im Angesicht des Todes?», so die Bischöfin.

Landesbischof Meister: Ein Buch gegen den Zeitgeist, die Toten zu vergessen

Landesbischof Ralf Meister (Hannover) hatte als Vorsitzender des Evangelischen Literaturportals den Preis übergeben. Er würdigte «Oben Erde, unten Himmel» als ein Buch, das gegen den Zeitgeist geschrieben wurde, die Toten zu vergessen. Der Roman zeige, «wie der Umgang mit den Toten belebt und aus der Einsamkeit befreien kann». Als «großen Glücksfall» bezeichnete Lektorin Annette Wassermann (Wagenbach Verlag) Flašars Buch. Er fordere auf zu Sorgfalt, Verbindlichkeit, Freundschaft und Zuversicht – all das habe die Welt «bitter nötig».

Cover des Buches «Oben Erde, unten Himmel»

Cover des Buches «Oben Erde, unten Himmel»

Zum Roman

In ihrem Roman «Oben Erde, unten Himmel» (Wagenbach Verlag) ist Flašar dem Thema des einsamen Sterbens nachgegangen. Sie erzählt von einer Reinigungskraft, die Leichenfundorte säubert und greift dabei Themen wie die soziale Isolation in Großstädten, die Würde des Menschen und den Umgang mit Leben und Tod auf.

Foto von Milena Michiko Flašar

Milena Michiko Flašar

Zur Autorin

Milena Michiko Flašar, geboren 1980 in St. Pölten, hat in Wien und Berlin Germanistik und Romanistik studiert. Sie ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Ihre Romane «Ich nannte ihn Krawatte»« und «Herr Kato spielt Familie» wurden mehrfach ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Wien.

Begleitmaterial

Pfarrerpersonen und Bücherei-Mitarbeitende der EKKW haben zu «Oben Erde, unten Himmel» Anregungen für Gottesdienst, Gemeinde und Bildungsarbeit erarbeitet: einen Literaturgottesdienst, Bausteine für den Unterricht und für Gemeindeveranstaltungen u.a. zum Umgang mit Verlusten. Weitere Informationen zu dieser Arbeitshilfe und Bestellung (2,- Euro inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten): www.eliport.de/buchpreis/anregungen

Der Evangelische Buchpreis

Seit 1979 vergibt das in Göttingen ansässige Evangelische Literaturportal – der Dachverband der bundesweit rund 800 evangelischen Büchereien – den mit 5.000 Euro dotierten Evangelischen Buchpreis. Titel werden nicht von den Verlagen oder Autoren, sondern von Lesenden vorgeschlagen. Gesucht und ausgezeichnet werden Bücher, «die anregen, über uns selbst, unser Miteinander und unser Leben mit Gott neu nachzudenken». In der Jury arbeiten Mitarbeitende aus den Mitgliedsbüchereien, aus den Landesverbänden der evangelischen Büchereiarbeit und aus der Redaktion des Ev. Literaturportals, außerdem Pfarrpersonen und Pädagoginnen und Pädagogen. Weitere Informationen unter www.eliport.de/buchpreis