Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 07 Mär 2012

Kassel (medio/epd). Mit einem Festgottesdienst in der Kasseler Christuskirche und einem Empfang im Haus der Kirche wurde am Samstag an die erste Ordination von Frauen zu Pfarrerinnen vor 50 Jahren erinnert.

An dem Festakt nahmen u. a. 150 Pfarrerinnen teil, darunter auch drei der Pionierinnen, die zum Gottesdienst gemeinsam mit Bischof Prof. Dr. Martin Hein und Prälatin Marita Natt in Amtstracht vom Haus der Kirche zur Christuskirche zogen.

Im Festgottesdienst wurde in drei kurzen Predigten der Vers Joh 15, 16a ausgelegt, der Ordinationsspruch der Pfarramtspionierin Katharina Staritz (1903 – 1953): Prälatin Marita Natt sprach über Mirjam, die Schwester des Mose, von der sie sagte, sie müsse eine außergewöhnliche Frau gewesen sein.

Nach der Rettung durch Gott am Schilfmeer habe sie die Pauke ergriffen, und mit Leidenschaft, mit Tanz und Rhythmus die andern zum Lobe für Gottes Heilstat «regelrecht zusammengetrommelt».
 

Die Botschaft brauche solche leidenschaftlichen Zeugen. Sie habe als Frau Geschichte geschrieben, und werde darum auch beim Propheten Micha Jahrhunderte später noch erwähnt. Wie Mirjam hätten, so die Prälatin weiter, auch vor 50 Jahren Frauen symbolisch die Pauke in die Hand genommen und hätten so erreicht, dass heute hier in der Christuskirche so viele Pfarrerinnen beisammen säßen. Sie hätten sich, wie Mirjam, dem Ruf Gottes ganz hingegeben.


Bischof Hein: Erste Frauenordination erfolgte durch Jesus Christus

Bischof Martin Hein ging von der Berufung der Maria Magdalena aus. Sie habe als erste die Begegnung mit dem Auferstandenen erlebt und sei als «erste Zeugin und erste Verkündigerin seiner Auferstehung» von ihm berufen worden. «Damals fand die allererste Frauenordination statt – durch Christus selber». Doch die Kirche habe die ordinierte Frau sehr bald ins Abseits gedrängt und «in ihrer Bedeutung für die Kirche verleugnet». Es habe lange gedauert, bis zumindest die reformatorischen Kirchen diesen wunderbaren Schatz wieder gehoben hätten.

Seit 50 Jahren stünden nun Frauen in der Nachfolge der Maria Magdalena, und es könnten, so der Bischof, noch viel mehr sein «in all jenen Kirchen, die sich der Liebe Jesu zu Maria Magdalena noch verschließen». Für unsere Kirche hätten die Frauen großen Segen bewirkt. Und auch die Pfarrer stünden in dieser Nachfolge der ersten Zeugin: Frauen wie Männer beruft Christus in seinen Dienst. Er schloss mit der Anregung, eine künftig neu zu bauende Kirche «Magdalenenkirche» zu nennen.

Pfarrerin Anke Zimmerman hielt fest, dass Pfarrerinnen, Prädikantinnen und Theologinnen außer Gottvertrauen, Beständigkeit und Hartnäckigkeit für ihr Amt auch Vorbilder bräuchten. Als ein solches Vorbild entfaltete sie das Leben und den Dienst von Katharina Staritz, die als eine der ersten in einem geistlichen Amt auch in der evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck arbeitete und damit den späteren Pfarrerinnen den Weg bereitete. Sie habe sich nicht beirren lassen und sei ihrem Ruf gefolgt. Das sei für den Dienst der Frauen in der Kirche eine Stärkung und Ermutigung.


Margot Käßmann: Gewalt gegen Frauen wird von vielen Kirchen verharmlost

Die Theologin und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann wies in ihrem Festvortrag in Kassel darauf hin, dass Gewalt gegen Frauen von vielen Kirchen auf der Welt verharmlost werde Vielfach litten Frauen zudem unter den innerkirchlichen Strukturen. In Deutschland habe sich das Pfarrerbild in den vergangenen Jahren durch die zunehmende Anzahl von Pfarrerinnen verändert, sagte Käßmann. So seien Frauen beispielsweise in der Verkündigung emotionaler und hätten große kommunikative Fähigkeiten; vielen Pfarrerinnen liege zudem ein autoritärer Führungsstil fern. Die Theologin betonte, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten «ungeheuer viel» im Hinblick auf die Geschlechtergerechtigkeit in Deutschland getan habe. Käßmann hatte ihr Vikariat in der kurhessischen Kirche absolviert und war dort 1985 ordiniert worden.

Podiumsrunden blicken zurück und nach vorn

Einen Rückblick auf die 50jährige Geschichte des Amtes der Pfarrerin bot eine Podiumsrunde, an der neben Pfarrerin i. R. Elisabeth Siltz, eine der Pionierinnen, Prälatin i. R. Roswitha Alterhoff, die erste Frau sowohl im Amt einer Dekanin, dann einer Pröpstin und schließlich im Amt der Prälatin, auch Pfarrerin Dorothea Heiland, die Vorsitzende des Theologinnenkonvents der EKD, teilnahm.

 In einer zweiten Podiumsrunde gab es eine Bestandsaufnahme mit Pröpstin Katrin Wienold-Hocke, Landessynodaler und Ethnologin Silvia Scheffer, Pfarrerin Ira Waterkamp und Vikarin Elisabeth Krause-Vilmar.


Wanderausstellung zum Jubiläum

Zum Jubiläum hat das Landeskirchliche Archiv eine Ausstellung mit dem Titel «50 Jahre Pfarrerinnen in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck» zusammengestellt. Die als Wanderausstellung konzipierte Schau ist vom 10. bis 29. März im Foyer des Landeskirchenamtes im Haus der Kirche zu sehen (Montag bis Freitag, 9 bis 16 Uhr). Danach kann die Ausstellung im Mai am Ort der ersten Ordination von Pfarrerinnen in der Stadtkirche Wolfhagen besichtigt werden. Zu der Ausstellung ist ein rund hundertseitiger Katalog unter dem Titel «Pfarrhelferin, Vikarin, Pfarrerin – Theologinnen in Kurhessen-Waldeck» erschienen, der an den Stationen der Ausstellung oder im Landeskirchlichen Archiv erhältlich ist (Tel.: (0561) 78876-0 oder E-Mail: archiv@ekkw.de).


Stichwort: Das Amt der Pfarrerin

Der gesellschaftliche Wandel ebnete Frauen den Weg ins Pfarramt: Im Dezember 1961 verabschiedete die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ein richtungsweisendes Kirchengesetz über das Amt der Pfarrerin. Es trat Anfang des Jahres 1962 in Kraft. Die erste Ordination von Frauen fand am 1. April 1962 in Wolfhagen statt. Ab jetzt konnten sie ein Gemeindepfarramt übernehmen.

Die volle rechtliche Gleichstellung mit ihren männlichen Kollegen erreichten Pfarrerinnen allerdings erst allmählich im Laufe von 30 Jahren. Zunächst schied die Pfarrerin im Fall der Heirat aus. Auch der Aufstieg in höhere Ämter war ihr noch versagt. In der Amtstracht gab es ebenfalls Unterschiede zu den männlichen Kollegen. Auch Vorbehalten begegneten Frauen im Pfarramt immer wieder. Die restlose Gleichstellung wurde erst 1979/1980 erreicht.

Der Beruf der Pfarrerin gewann zunehmend an Attraktivität. Gab es 1963 acht Pfarrerinnen in Kurhessen-Waldeck, sind 1988 bereits 145 Pfarrerinnen im Dienst (17 Prozent) und 2010 schon 383 Pfarrerinnen (38 Prozent). Karrieren in der Kirche werden möglich: die Pfarrerin Dietgard Meyer wird 1963 erste Landespfarrerin für kirchliche Frauenarbeit, die Pfarrerin Roswitha Alterhoff wird 1980 erste Studienleiterin des Predigerseminars, 1986 die erste Dekanin, 1990 die erste Pröpstin und 2003 die erste Frau, die das Amt der Prälatin, der Stellvertreterin des Bischofs, in Kurhessen-Waldeck bekleidet. Ihr folgt im Jahr 2010 mit Marita Natt ebenfalls eine Frau ins Amt der Prälatin. (12.03.2012)

Impressionen vom Gottesdienst in der Christuskirche und vom Empfang im Haus der Kirche in Kassel

 

Im Wortlaut:

Lesen Sie hier die Predigt von Bischof Martin Hein im Wortlaut:

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Im Wortlaut:

Lesen Sie hier die Predigt von Prälatin Marita Natt im Wortlaut:

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Im Wortlaut:

Lesen Sie hier die Predigt von Pfarrerin Anke Zimmermann im Wortlaut:

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Interview:

Ein Interview mit Prälatin i. R. Roswitha Alterhoff zum Jubiläum «50 Jahre Pfarrerinnen» finden Sie der Onlineausgabe der Mitarbeiterzeitschrift «blick in die kirche»:

blick-in-die-kirche.de/(...)

Linktipp:

Das Landeskirchliche Archiv finden Sie unter:

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