Adventsempfang im Kasseler Haus der Kirche (v.l.): Kirchenrätin Dr. Isabel Schneider-Wölfinger (Vertreterin des Präses der Synode der EKKW), Pfarrer Jan Friedrich Eisenberg (Zweiter Beisitzer des Synodalvorstandes), Prälat Burkhard zur Nieden und Bischöfin Dr. Beate Hofmann. Gastrednerin war Katrin Göring-Eckardt (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages), die digital zugeschaltet wurde (kleines Foto rechts). (Fotos: medio.tv/Schauderna)

Adventsempfang im Kasseler Haus der Kirche (v.l.): Kirchenrätin Dr. Isabel Schneider-Wölfinger (Vertreterin des Präses der Synode der EKKW), Pfarrer Jan Friedrich Eisenberg (Zweiter Beisitzer des Synodalvorstandes), Prälat Burkhard zur Nieden und Bischöfin Dr. Beate Hofmann. Gastrednerin war Katrin Göring-Eckardt (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages), die digital zugeschaltet wurde (kleines Foto rechts). (Fotos: medio.tv/Schauderna)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 08 Dez 2023

Kassel. Richtig gut streiten: Wie das funktionieren kann, darüber berichtete Katrin Göring-Eckardt beim Adventsempfang der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), zu dem am Freitagabend (8. Dezember) mehr als 100 Gäste aus Kirche, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur ins Haus der Kirche in Kassel gekommen waren. Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und ehemalige Präses der EKD-Synode, die wetterbedingt nur digital teilnehmen konnte, brach eine Lanze für den Streit – für jenen, der Argumente schärft, Lösungen sucht, der Rahmen, Regeln und eine Kultur hat. «Streit gehört dazu. In Gesellschaft, Politik, Kirche und sogar am Kaffeetisch», ist die Politikerin überzeugt.

Bischöfin: Gute Streitkultur droht unserem Land verloren zu gehen

Streiten sei kein leichtes Thema, aber nötig, «denn gute Streitkultur droht unserem Land gerade verloren zu gehen», hatte Bischöfin Dr. Beate Hofmann in ihrer Begrüßung deutlich gemacht. Vor diesem Hintergrund sei die Idee entstanden, die traditionelle adventliche Begegnung mit einem Impuls zur Streitkultur zu verbinden. Dieser Bitte war Göring-Eckardt gerne nachgekommen. In der evangelischen Kirche habe Streit Tradition, sagte sie nicht nur mit Verweis auf die Reformation: «Jesus streitet mit Argumenten und gibt Unbedachtes zu bedenken.»

Begrüßte die Gäste aus Kirche, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur: Bischöfin Dr. Beate Hofmann. (Foto medio.tv/Schauderna)

Begrüßte die Gäste aus Kirche, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur: Bischöfin Dr. Beate Hofmann. (Foto medio.tv/Schauderna)

«Wer in der Demokratie leben will, muss mit Streit leben»

Katrin Göring-Eckardt findet: «Wir müssen streiten.» Nicht nur als Christin, auch als Demokratin komme sie zu demselben Schluss: «Wer in der Demokratie leben will, muss mit Streit leben.» Mit einem Streit, der respektvoll und gewaltfrei ausgetragen werde, fügte sie hinzu. Doch sei Streit kein Wert an sich und Streit nur um des Streitens willen destruktiv. Vielmehr müsse gestritten werden, um zu Lösungen zu kommen und zum gegenseitigen Verständnis beizutragen. Eine Streitkultur sei vonnöten sowie der Wille, einander zuzuhören. Was Streit indes unmöglich mache: «Wenn man nicht gegen Argumente streitet, sondern gegen Menschen», so Göring-Eckardt. Wenn der Kompromiss für eine Schwäche und der Konsens für eine Zumutung gehalten werden, dann sei die Demokratie in Gefahr.

Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und ehemalige Präses der EKD-Synode, wurde für ihren Vortrag  digital in den Andachtsraum des Landeskirchenamtes geschaltet. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und ehemalige Präses der EKD-Synode, wurde für ihren Vortrag digital in den Andachtsraum des Landeskirchenamtes geschaltet. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Während im Parlament nach Regeln gestritten werde, zeige sich Streit in den sozialen Netzwerken zunehmend unkultivierter. Hatespeech verhindere Streit, Meinungsbildung und Debatte, stellte Göring Eckardt fest. Eine ganz andere Arena sei indes das persönliche Umfeld. Hier könne man dem Streit nicht aus dem Weg gehen, sondern lernen, Auseinandersetzungen so zu führen, dass man sich weiter in die Augen gucken könne. Göring-Eckardt appellierte zudem, Haltung zu zeigen, wo Hassreden beginnen: «Es vergrößert die Spielfläche des Beieinanderbleibens als Gesellschaft.»

«Die Menschen wollen, dass Kirche sich einmischt»

Die Streitkultur in der evangelischen Kirche sei oft zu «lethargisch», findet die Gastrednerin. «Dabei gibt es doch genügend Stoff für Zoff auch in der Kirche. Genügend Themen, bei denen man fröhlich nicht derselben Meinung sein kann.» Sie schlug vor, in der Kirche übers rechte Streiten zu streiten, denn: «Die Menschen wollen, ob Kirchenmitglied oder nicht, dass Kirche auch kontroverse Themen anspricht und sich einmischt.» Mal mit einer klaren Botschaft, etwa bei den Themen Seenotrettung, sexualisierte Gewalt und Antisemitismus, mal mit einem abwägenden Ringen.

Bei allen Kontroversen gebe es aber auch eine Zeit des Nicht-mehr-Streitens. «Eine Zeit, sich der gemeinsamen Basis zu versichern. Sich trösten und erheben zu lassen», betonte die ehemalige Präses der EKD-Synode und ergänzte: «Gerade dafür ist Kirche auch da.» Im Gottesdienst lasse sich Gemeinschaft erleben und festigen «über allen Streit hinaus».

Gelegenheit zum Austausch – inspiriert durch den Vortrag womöglich auch zum Streiten – hatten die vielen Gäste beim anschließenden Abendessen. Auf dem Weg zum Buffet konnten sie noch abstimmen, wie und wo Kirche ein Ort des richtig guten Streites sein kann. (08.12.2023)

Im Wortlaut:

Der Vortrag der Politikerin Katrin Göring-Eckardt zum Nachlesen unter:

goering-eckardt.de/(....)