Podiumsgespräch zur Friedensethik in Fritzlar (v.l.): Bischöfin Beate Hofmann und Oberstleutnant Christopher Herz (r.) mit Moderator Dierk Glitzenhirn. (Foto: Ulrich Köster).

Podiumsgespräch zur Friedensethik in Fritzlar (v.l.): Bischöfin Beate Hofmann und Oberstleutnant Christopher Herz (r.) mit Moderator Dierk Glitzenhirn. (Foto: Ulrich Köster).

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 10 Mär 2023

Fritzlar. Es ist bereits ein Jahr her, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine begann. Seither kommen täglich Menschen ums Leben - Soldaten und Zivilisten. Angesichts der stetig wachsenden Unterstützung der Ukraine mit Waffen und Großgerät durch den Westen, stellt sich immer mehr die Frage, ob das der richtige Weg zum Frieden ist. Mit der Veranstaltung «Frieden schaffen – mit immer mehr Waffen» hatte das Evangelische Forum Schwalm-Eder am 18. Februar 2023 zu einer Podiums- und Diskussionsrunde eingeladen, die sich mit der Frage beschäftigte, «Welche Friedensethik braucht unser Land?». Eingeladen waren Dr. Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, und Oberstleutnant Christopher Herz, stellvertretender Kommandeur des Kampfhubschrauberregiments in Fritzlar. «Schön, dass sie sich haben rufen lassen», begrüßte Moderator Pfarrer Dierk Glitzenhirn die Zuschauer im vollbesetzten Saal der «Oase» in Fritzlar. «Angesichts der Gewalt fehlt uns allen eine Perspektive», formulierte er im Blick auf die schwierige Situation in der Ukraine, in der es aktuell keine einfache und schnelle Lösung zu geben scheine. 

Mit einem kurzen Rückblick in die Zeit des überwunden geglaubten Kalten Krieges zeigte er, dass Frieden auch vor dem Ukraine-Krieg in Europa keine Selbstverständlichkeit war und noch immer weltweit zahlreiche Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen ausgetragen würden. «Es geht um Güterabwägung», begann Bischöfin Dr. Hofmann ihre friedensethische Einschätzung, «um Güter des Rechts, aber auch um Ethik und Demokratie sowie vor allem um Menschenleben». Sie benannte das Konzept des «gerechten Friedens», nach dem in die Entwicklung ärmerer Länder investiert würde, statt militärisch aufzurüsten. «Seit dem 24. Februar muss das Konzept des gerechten Friedens jedoch neu überdacht werden», fuhr die Bischöfin fort und machte sogleich den Zwiespalt klar, in dem sie und viele andere sich befänden. Zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik, zwischen dem Wunsch, den Frieden mit friedlichen Mitteln zu wirken und der Verantwortung, Schlimmes zu verhindern, «gibt es kein eindeutiges Richtig oder Falsch», lautete ihre Überzeugung, «und das ist das Dilemma». Der Kriegsbeginn durch Russland sei nicht zu rechtfertigen, machte sie deutlich, auch wenn die Nato die sicherheitspolitischen Sorgen Russlands im Vorfeld vermutlich nicht ausreichend beachtet habe. «Ich persönlich halte Waffenlieferungen für legitim, aber deren Begrenzung für unumgänglich», betonte sie, denn immer mehr Waffen seien aus ihrer Sicht keine Lösung. Schwierig sei dabei auch die Unterscheidung zwischen Defensiv- und Angriffswaffen. Eindeutig seien wohl Flugabwehrraketen zum Schutz der Zivilbevölkerung, die Lieferung von Kampfpanzern sah sie dagegen eher kritisch.

Zu Beginn seines Beitrags stellte Oberstleutnant Christopher Herz klar, dass er nicht als offizieller Vertreter der Bundeswehr spreche, sondern vor allem als Familienvater und katholischer Christ. Aus dieser Sicht stimmte er in sehr vielen Punkten mit den Aussagen der Kirchenvertreterin überein. Als studierter Sicherheitspolitikwissenschaftler ging er im Laufe seiner Ausführungen auch auf das Abschreckungsprinzip ein, das zu Zeiten des Kalten Krieges funktioniert habe. «In diesem Konflikt funktioniert es nicht, da die Ukraine nicht Teil der Nato ist», sagte der 38-Jährige. Zudem habe eine Fehleinschätzung der russischen Führung zum Krieg geführt, denn man habe wohl an einen schnellen Sieg geglaubt. Aber auch der Westen habe mit seiner Einschätzung danebengelegen, die russische Führung sehe sich an die gleichen Werte gebunden wie die Nato. Sein Blick auf die weitere Entwicklung des Konflikts fiel insgesamt eher pessimistisch aus. Im gemeinsamen Gespräch gaben beide an, dass dieser Krieg in seiner Brutalität im Vorfeld für sie unvorstellbar gewesen sei - ihre Suche nach Lösungsansätzen machte noch einmal die Komplexität des Ganzen deutlich. «Darf man im 21. Jahrhundert die Grenzen mit Waffengewalt verändern», stellte Herz als Frage in den Raum und beantwortete sie sofort mit einem eindeutigen Nein. «Wir können also nicht neutral sein», verdeutlichte er die Position des Westens. 

Dennoch dürfe Krieg nicht zum legitimen Mittel der Politik werden, insistierte Theologin Hofmann. Das mache noch einmal deutlich, dass zurzeit die Widersprüche ausgehalten werden müssten, und sie fragte in die Runde der Anwesenden: «Wer hätte derzeit die Möglichkeit, die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bringen?» Die Propaganda in Russland mache es zudem für die Bevölkerung schwierig, sich eine echte eigene Meinung zu bilden, beklagte die Bischöfin, doch glaube sie an ein mögliches Umdenken.

Die anschließenden Fragen aus dem Publikum machten erneut die Komplexität des Ukraine-Kriegs deutlich, denn sie waren sehr weit gestreut. «Pflugscharen wieder zu Schwertern?», «Warum ist die Bundeswehr auf dem Balkan, in Afghanistan und anderswo im Einsatz gewesen?», «War es eventuell ein Fehler der Ukraine, nach dem Zerfall der Sowjetunion die Atomwaffen an Russland abzugeben?» oder «Sind Christen und Orthodoxe nicht fähig zur Nächstenliebe?» wollten die besorgten Menschen wissen. Sowohl die Theologin als auch der Soldat bemühten sich um befriedigende Antworten - am Ende bat Moderator Dierk Glitzenhirn die beiden jeweils um einen abschließenden Satz, den auch die bzw. der andere unterschreiben könnte: «Krieg soll nach Gottes willen nicht sein», brachte es Bischöfin Beate Hofmann auf den Punkt, «Frieden muss geschützt und gewahrt werden», sagte Oberstleutnant Christopher Herz. (10.03.2023, Text: Ulrich Köster)

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