Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 21 Jun 2022

Kassel (medio). «Antisemitische Äußerungen, in welcher Form auch immer, dürfen nicht geduldet werden. Es ist wichtig, sie zu erkennen und zu bekämpfen, weltweit.» Das betonen die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Dr. Beate Hofmann, und der Präses der Landessynode, Dr. Michael Schneider, angesichts des Antisemitismus-Eklats auf der documenta. Ob etwas als antisemitisch zu beurteilen ist, hänge nicht vom jeweiligen Kontext ab, heißt es in einer Mitteilung der Pressetelle am Mittwoch (22.6.). «Auch wenn sich manchen Künstlerinnen und Künstlern der documenta fifteen nicht erschließt, dass sie in ihren Werken antisemitische Klischees bedienen, ist es richtig, diese aus der Ausstellung zu entfernen», so Bischöfin und Präses. Dass dies auf der gegenwärtigen documenta nötig wurde, sei in hohem Maße ärgerlich.

Die Kurator*innen und Künstler*innen der documenta fifteen seien angetreten mit dem Anspruch, einen Beitrag zum postkolonialen Diskurs zu leisten und damit zur kritischen Aufarbeitung kolonialistischer Denk- und Verhaltensmuster, die zu den dunklen Seiten gerade der europäischen Geschichte gehören. «Wir, auch als Kirche, sind angewiesen auf solche Herausforderungen», macht Bischöfin Hofmann deutlich. Die eindeutige Absage an alle Formen des Antisemitismus schränke die Freiheit der Kunst nicht ein, sondern müsse Teil des postkolonialen Diskurses werden und sei notwendige Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit dieser Kritik an unserer Lebenspraxis. Gleichzeitig bewahre sie davor, alle Künstlerinnen und Künstler unter einen antisemitischen Generalverdacht zu stellen. 

«Ich hoffe sehr, dass im weiteren Verlauf der documenta fifteen Gelegenheit sein wird, aufeinander zu hören und miteinander ins Gespräch zu kommen», so Bischöfin Hofmann. Präses Schneider ergänzt: «Und ich hoffe, dass es gelingt, sich der postkolonialen Kritik zu stellen und die notwendige Auseinandersetzung mit Antisemitismus zu fördern – im postkolonialen Diskurs sowie in Kunst, Kirche und Gesellschaft insgesamt. Das gilt für die documenta und darüber hinaus.»
 

Hintergrund: Das Gemälde «People's Justice»

Auf einem Detail des kritisierten Gemäldes ist ein Mann in Anzug und Krawatte zu sehen, die Augen rot unterlaufen. Aus seinem Mund ragen haifischartige Reißzähne, daneben eine Zigarre. Schläfenlocken hängen ihm herunter, das Jackenrevers ist gelb, die Signalfarbe der Juden im Mittelalter. Am Hut prangen die SS-Runen. Auf einem anderen Detail wird unter einem Kanonenrohr eine Person in Uniform gezeigt, sie trägt die Nase eines Schweins, das bei gläubigen Juden als unrein gilt und wie eine Aktualisierung der antisemitischen «Judensau» des Mittelalters wirkt. Auf dem roten Halstuch ist der Davidstern zu sehen, auf dem Helm der Name des israelischen Geheimdienstes Mossad.

Die «documenta fifteen» ließ das Gemälde jetzt komplett entfernen. Nach scharfer Kritik an antisemitischen Detailbildern des hausgroßen, an einem Gerüst am Kasseler Friedrichsplatz aufgehängten Werkes war dieses am Dienstag (21.6.) zunächst verhüllt zu sehen. 

Die Künstlergruppe «Taring Padi» hatte erklärt, das 20 Jahre alte Werk sei Teil einer Kampagne gegen Militarismus und Gewalt in Indonesien. Darauf seien symbolische Figuren zu sehen, «um ein ausbeuterisches kapitalistisches System und militärische Gewalt zu kritisieren». Die Gruppe versicherte, das Werk «steht in keiner Weise mit Antisemitismus in Verbindung». Die documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann fügte an, dass die Geschäftsführung keine Kunstwerke prüfe. Alle Beteiligten bedauerten, dass Gefühle verletzt worden seien.

Die internationale Kunstausstellung documenta war am Samstag in Kassel eröffnet worden, dabei hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Verantwortlichen für ihren Umgang mit seit Monaten erhobenen Antisemitismus-Vorwürfen kritisiert.

(22.06.2022)