Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 02 Jun 2017

Kassel (medio). «Sie sind nicht allein. Christus hört Sie und begleitet Sie auf Ihrem Weg.» Diese Botschaft richtete Bischof Prof. Dr. Martin Hein an die Gefangenen der Kasseler Justizvollzugsanstalt II (JVA), als er sie mit einer Delegation der Landeskirche am Donnerstag (1.6.) besuchte. Der Bischof hat die Gefängnisseelsorge zum Thema seiner Visitation vom 31. Mai bis 2. Juni gemacht, bei der er Gefängnisse in Kassel, Merxhausen, Schwalmstadt-Ziegenhain, Gelnhausen, Hünfeld, Fulda und Kassel auf dem Reiseplan hat.

In der Sozialtherapeutischen Anstalt, der JVA II, sprach der Bischof mit einem Kreis freikirchlicher Ehrenamtlicher über ihre Erfahrungen. Unter anderem nehmen diese regelmäßig Gefangene, die dafür eine Erlaubnis haben, mit in die Gottesdienste. «Die Ehrenamtlichen schlagen Brücken nach draußen», sagte Dekan Jürgen Renner (Kassel) gegenüber medio-Redakteur Olaf Dellit.

Impressionen vom Besuch in der JVA Kassel II

(alle Fotos: medio.tv/Dellit)

Im Gottesdienst feierte die Kirchendelegation mit den Ehrenamtlichen, den Insassen und Gefängnispfarrer Wilfried Ulrich einen Gottesdienst. In einer Gesprächsrunde wurde unter anderem darüber nachgedacht, wie die Kirche Gefangenen helfen könne, nach der Haft in die Gesellschaft zu finden. Dafür müsse es «Empfangsräume» geben, sagte Pfarrerin Nicola Haupt, Referentin für Sonderseelsorge der Landeskirche.

 

Als Schlusslied sang der Chor der Insassen «Meine Zeit steht in deinen Händen» und besonders laut, so schien es, klang die Zeile: «Herr, ich rufe: Mach mich frei!» Die Botschaft des Bischofs an die Gefangenen war klar: «Hier sitzt niemand grundlos, aber das heißt nicht, dass Sie abgeschoben sind. Sie sind Teil unserer Gemeinde.» Die Sozialtherapeutische Anstalt in Kassel hat 140 Haftplätze. Die Gefangenen sind in Wohngruppen untergebracht, denen jeweils mehrere Hafträume zugeordnet sind. Sie tragen Zivilkleidung und müssen diese auch selbst waschen. Die Insassen nehmen an Gruppen- und Einzeltherapiesitzungen teil.


Besuch in in der Jugendarrestanstalt in Gelnhausen und den JVAs in Hünfeld und Fulda

Am Freitag standen die Jugendarrestanstalt in Gelnhausen, die JVA in Hünfeld und die JVA in Fulda auf dem Besuchsprogramm der Delegation um Bischof Hein, berichtete Pfarrer Jens Heller, Medienbeauftragter des Sprengels Hanau.

In der Jugendarrestanstalt in Gelnhausen verbringen Jugendliche vom Wochenendarrest bis hin zu vier Wochen Jugendarrest, um sich ihrer Situation bewusst werden zu können, so Pfarrer Heller. Das Leben in der Anstalt sei stark eingeschränkt: Handys, Fernseher oder Internet oder Zigaretten sind nicht gestattet und die Jugendlichen müssen zudem selbst putzen. «Das ist für viele eine völlig neue Situation, auf die sie sich erst einstellen müssen», erläuterte Abteilungsleiter Werner Sonne. Nach wenigen Tagen seien die Jugendlichen aber aufnahmefähiger als vorher und könnten in dem breit aufgestellten Behandlungs-, Beratungs- und Beschäftigungsangebot der Anstalt neue Impulse bekommen. Ziel sei es, Grenzen zu setzen und Perspektiven zu öffnen.

(Fotoimpressionen: medio.tv/Heller)

«Wir kriegen die Jugendlichen hier an einem Scheidepunkt in ihrem Leben», erläutert Werner Sonne. «Es geht um die Frage: Wohin will ich in Zukunft? An dieser Stelle können wir hier noch justieren und wir machen erfreulicherweise auch die Erfahrung, dass wir etwas bewirken.» Im Gespräch mit dem Bischof sagten die Jugendlichen mehrheitlich, dass Sie verstanden hätten, so nicht weitermachen zu können.

In der JVA in Hünfeld mit ihren rund 500 Strafplätzen verbüßen erwachsene Männer Freiheitsstrafen bis zu 60 Monaten. Anstaltsleiter Lars Streitberger sieht den Auftrag der JVA einerseits in der Sicherung und andererseits in der Resozialisierung der Insassen. Die Aufgabe der Resozialisierung sei aber oft dadurch erschwert, dass viele der einsitzenden Männer nie eine Sozialisation erfahren hätten, so Streitberger gegenüber der Delegation.

Bischof Hein erläuterte im Gespräch die Motivation der Gefangenenseelsorge: «Der Vollzug findet zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dennoch bleiben die Insassen Teil unserer Gemeinden und der Gemeinschaft», so Hein. Der evangelische Gefängnisseelsorger Pfarrer Dr. Andreas Leipold biete mit seinem katholischen und muslimischen Kollegen Dr. Meins Coetsier und Imam El Mustapha Azarfane Gottesdienste und seelsorgerliche Begleitung für die Gefangenen an. Dabei spielten Musik und Kreativität eine wesentliche Rolle, so der Pfarrer.

Zuletzt besuchte Bischof Hein die JVA in Fulda, in der 77 Haftplätze und 9 Plätze im offenen Vollzug vorgehalten werden. Die Gefangenen verbüßen dort Freiheitsstrafen von bis zu 24 Monaten. Wegen der kleineren Einrichtungsgröße sei der persönliche Kontakt intensiver und die Situation insgesamt etwas familiärer, erläutert Anstaltsleiter Winfried Michel. «Das ist oft hilfreich», unterstrich der Leiter. An 25 Arbeitsplätzen einer eigens dafür zertifizierten Werkstatt fertigen die Gefangenen vor allem Teile für die Automobilindustrie. Daneben gebe es aber auch z. B. kunstpädagogische Projekte und Angebote, so Pfarrer Heller. Bis zu 30 Ehrenamtliche unterstützten die Arbeit in der Anstalt.

Eine Besonderheit sind die bunten Kirchengemälde auf den Fluren im Zellentrakt im Kontrast zu den grauen Wänden: «Wir hatten einen ausgebildeten Kirchenmaler hier als Insassen, der uns diese Gemälde hinterlassen hat», erklärte Anstaltsleiter Michel der Delegation erfreut. Dr. Andreas Leipold, der auch in Fulda tätig ist, erläuterte in der Kapelle, dass seine Arbeit in der JVA nicht nur den Gefangenen gelte, sondern auch den Mitarbeitenden. Für sie bietet er zusammen mit seinem katholischen Kollegen regelmäßige Wochenenden im Kloster an, bei denen die Arbeit geistig und geistlich reflektiert werde. Bischof Hein bedankte sich bei den Verantwortlichen für einen bewegenden Einblick in das Leben und die Arbeit einer JVA und die seelsorgerliche Begleitung durch die Pfarrer. (06.06.2017)

Linktipp:

Informationen zu den Justizvollzugseinrichtungen in Hessen finden Sie unter:

verwaltung.hessen.de/(...)