Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 10 Nov 2008

Großkrotzenburg/Fulda (epd/medio). Die Erinnerung an die Verfolgung der Juden vor 70 Jahren lässt sich nach den Worten des Bischofs der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein nicht tilgen oder bemänteln. Die Frage nach der Schuld sei nicht erledigt, sagte Hein am Sonntag (9.11.) in einer Predigt zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht in der Immanuelkirche Großkrotzenburg. «Sie wird sich uns weiterhin stellen - und sei es durch andere, die uns fragen», sagte er.

Allerdings kann der Tag der Erinnerung an die Reichspogromnacht nach den Worten von Hein auch ein Tag «zaghafter Hoffnung» sein. «Was uns als Christen mit Juden verbindet, ist die unverbrüchliche Treue Gottes. Aus ihr leben wir, und sie befreit uns gegenseitig, bei allen Vorbehalten und möglichen Ängsten dennoch aufeinander zuzugehen», sagte der Bischof.

Hein hatte im Vorfeld des Gedenktages alle evangelischen Christen dazu aufgerufen, in Gottesdiensten, Andachten, Gebeten oder Gedenkveranstaltungen an die dunkelste Zeit deutscher Geschichte zu erinnern. In einem Brief zum Reformationstag (31. Oktober) unterstrich der Bischof die Wichtigkeit des Gedenkens in zweierlei Hinsicht: Zum einen gelte es, sich an das Verhalten der Kirche selbstkritisch und schuldbewusst zu erinnern. Zum anderen sei das Augenmerk auf erstarkende rassistische Bewegungen und Tendenzen in unseren Tagen zu richten, so Hein.

Die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gilt als Beginn der systematischen Verfolgung der Juden in Deutschland. In der Nacht zerstörten die Nationalsozialisten Einrichtungen und Eigentum jüdischer Bürger. Sie ermordeten Menschen, setzten Synagogen in Brand und schändeten jüdische Friedhöfe. Die Pogrome begannen in Nordhessen bereits am 7. November mit der Verwüstung der Synagoge in Kassel.

Proteste gegen NPD-Aufmarsch in Fulda

Zahlreiche Menschen haben am Samstag (8.11.) gegen eine Kundgebung der NPD in Fulda demonstriert. Außer einigen Wortgefechten kam es zu keinen größeren Zwischenfällen. «Durch die konsequente Trennung der Gruppen haben wir Gewaltausschreitungen verhindern können», sagte ein Polizeisprecher. Die Zahl der NPD-Anhänger belief sich nach Angaben der Polizei auf 150. Die Zahl der Gegendemonstranten schätzte die Polizei auf 550, die Veranstalter auf 1.500.

Parallel zu der Kundgebung der NPD hatten der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Hochschule Fulda eine Demonstration angemeldet. Darüber hinaus hatten Kirchen, Parteien, Schulen, Verbände und soziale Einrichtungen auf öffentlichen Plätzen zu weiteren Gegenveranstaltungen aufgerufen. Insgesamt waren bei der Polizei rund 20 Veranstaltungen angemeldet. So hatte die evangelische Kirche gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde am Jerusalemplatz zu öffentlichen Psalmlesungen eingeladen. Alle größeren Plätze in Fulda waren mit Veranstaltungen belegt.

Der Fuldaer Oberbürgermeister Gerhard Möller (CDU) freute sich bei einer Gegenkundgebung auf dem Universitätsplatz über die rege Beteiligung. «Ich danke Ihnen, dass Sie zeigen, dass Fulda weltoffen ist», rief er den Versammelten zu. Auch Vertreter mehrerer Parteien betonten, dass man keine Neonazis in Fulda wolle. Bereits in den Tagen zuvor hatten die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck und der Katholikenrat des Bistums Fulda den NPD-Aufmarsch scharf verurteilt.

«Damit werden die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt», kritisierte der Sprecher der Landeskirche, Pfarrer Karl Waldeck. Es sei eine Schande, dass Extremisten das Gedenken an den 70. Jahrestag der Reichspogromnacht durch eine Kundgebung störten.

Dem schloss sich der Vorsitzende des Katholikenrates, Richard Pfeifer, an. «Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen in Fulda keinen Platz haben», sagte er. Anlass der NPD-Demonstration war nach deren eigenen Angaben der 19. Jahrestag des Mauerfalls. (10.11.2008)

Im Wortlaut:

Lesen Sie hier die Predigt von Bischof Hein im Wortlaut:

Predigt lesen...

Thema:

Im Thema auf ekkw.de haben wir Ihnen ver-
schiedene Artikel und Materialien zur Vorbe-
reitung von Gottes-
diensten und Veran-
staltungen zusammen-
gestellt:

Im «netzblatt» - herausgegeben vom Ökumenischen Netz in Nord- und Osthessen - finden Sie neben Artikeln unter dem Themen-
schwerpunkt «Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung: Zum Gedenken an die Reichspogromnacht 1938» auch einen Predigtentwurf mit Liturgievorschlag und weitere Texte:

PDF-Dokument