Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 10 Dez 2009

Kassel (medio). Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, sieht die positive Religionsfreiheit in der Europäischen Union in Gefahr. In einem Vortrag vor der Juristischen Gesellschaft zu Kassel sagte der Bischof am Mittwoch (9.12.), Entwicklungen in der Rechtsprechung in der Europäischen Union belegten, dass die «Freiheit vom Religiösen selbst zur Religion wird».

Wie die Pressestelle der Landeskirche mitteilte, bezog sich Hein hierbei auf das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Dieser hatte einer Mutter eine Entschädigung zugesprochen, weil deren Kind in einer staatlichen Schule in einem Raum unterrichtet wurde, in dem ein Kruzifix angebracht war. Hein kritisierte, dass hier nicht mehr der Nachweis der Beeinträchtigung der Grundrechte eines Einzelnen erbracht werden musste, sondern hierfür die bloße Existenz eines Kruzifixes als Ausdruck bloßer Religionsfreiheit bereits ausreiche. Der laizistische Einfluss in der EU nehme zu. Religion solle ausschließlich Privatangelegenheit sein und dürfe keine staatliche und öffentliche Funktion mehr besetzen.

Demgegenüber setzten das Grundgesetz, die deutsche Rechtsprechung und der Gesetzgeber hier auf Toleranz und Ausgleich. Mit Blick auf das Kruzifix in Klassen  bedeute dies, dass  Schülerinnen und Schüler ihre positive Religionsfreiheit ausleben dürften, solange nicht-glaubende Schüler nicht beeinflusst werden und keine Beeinflussung empfinden würden. Die negative Religionsfreiheit sei, so Hein, keinesfalls ein «Obergrundrecht», welches die positiven Äußerungen der Religionsfreiheit im Kollisionsfall verdrängen könnte.

Bei aller staatlichen Neutralität dürfe das traditionelle religiöse Element nicht bei staatlich beherrschten und organisierten Lebensbereichen wie den Schulen verdrängt werden. Dies fordere das Grundgesetz gerade nicht. Hein verwies auf die Europäische Menschenrechtskonvention, die jedem Menschen das Recht zur Ausübung seiner Religion einzeln und in Gemeinschaft privat und öffentlich einräumt. Dies dürfe nur beschränkt werden, wenn die Religionsausübung die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung, Gesundheit und Moral und die Freiheitsrechte anderer berühre. Der Gesellschaft tue es gut, wenn sie die Faktizität der Religion ernst nehme. «Religion ist eine eminent öffentliche Angelegenheit!» betonte Hein. (10.12.2009)