Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 09 Jan 2015

Kassel (medio). Nach den Terroranschlägen in Paris hat der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, in einem Interview Stellung genommen. Zu den Ereignissen sagte Hein: «Dieses Menschen verachtende Handeln der Attentäter ist durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen.» Hein fordert von muslimischer Seite nicht nur eine Distanzierung von den Attentaten sondern erwartet von muslimischen Verbänden und Bildungseinrichtungen stärkere Selbstkritik und deutliche Erklärungen, dass die Berufung der Terroristen auf den Koran mit den Grundsätzen des Islam nicht vereinbar sei. Das Interview führte der Leiter der Medienagentur «medio!», Pfarrer Christian Fischer. (16.01.2015)

Lesen Sie hier das Interview im Wortlaut:

Fischer: Die Attentate von Paris haben Europa und die Welt erschüttert. Herr Bischof, wie haben Sie diese Tage erlebt?

Bischof Hein: Ich war zu diesem Zeitpunkt in London. In allen öffentlichen Einrichtungen liefen die unterschiedlichen Nachrichtensender und haben direkt über die Vorkommnisse in Paris berichtet. Das ganze Ausmaß dessen, was dort von den Attentätern angerichtet worden ist, kam aber erst im Laufe des Tages zum Ausdruck und hat mich sehr erschüttert.

Fischer: Wie sehen Sie heute die Attentate?

Bischof Hein: Es gibt kein Ziel, das es rechtfertigt, Menschenleben bewusst aufs Spiel zu setzen. Dieses Menschen verachtende Handeln der Attentäter ist durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen. Ich frage mich, was Menschen dazu bringt, mit dem Leben anderer so umzugehen, als hätten sie darüber die Verfügungsgewalt. Die steht niemandem zu.

Fischer: Was bedeuten diese Ereignisse für das Verhältnis von Christen, Muslimen und Juden?

Bischof Hein: Es ist durch die Gleichzeitigkeit der Attentate auf die Redaktion von Charlie Hebdo und auf den jüdischen Supermarkt deutlich geworden, dass im Hintergrund nicht nur politische Überlegungen, sondern tatsächlich auch religiöse Motivationen stehen. Das wirkt sich natürlich auf das Verhältnis dieser drei – miteinander verwandten – Religionen aus. Wir können nicht einfach dazu schweigen, dass Menschen, aus welchen Gründen auch immer, unsere Rechtsordnung zerstören wollen und sich dabei auf den Koran berufen. Das geht nicht. Ich erwarte von muslimischer Seite nicht nur eine Distanzierung von den Attentaten – das ist das Mindeste, alles andere wäre ja geradezu grotesk –, sondern ich erwarte, dass muslimische Verbände, aber auch muslimische Schulrichtungen insgesamt viel stärker Selbstkritik üben und deutlich erklären, dass die Berufung der Terroristen auf den Koran mit den Grundsätzen des Islam nicht vereinbar ist. Ich persönlich glaube, dass die christlichen Kirchen seit der Aufklärung einen zwar schmerzlichen, aber durchaus erfolgreichen Weg dieser Selbstkritik gegangen sind und sich daher jetzt nicht mehr zu Gräueltaten unmittelbar auf die Bibel berufen. Hier steht den Vertretern des Islam noch eine Menge Arbeit bevor.

 

Im Wortlaut:

Lesen Sie hier den gesamten Wortlaut des Interviews mit Bischof Martin Hein: