Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 18 Jun 2012

Schmalkalden (medio/epd). Was als «Streitgespräch» angekündigt war, entwickelte sich am Donnerstagabend (22.6.) in der vollbesetzten Stadtkirche St. Georg von Schmalkalden zu einem profilierten und spannenden ökumenischen Dialog zwischen dem Mainzer Kardinal Karl Lehmann und dem Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein.

Besonders brisant wurde es in der Schlussrunde, als Bischof Hein vom Moderator gefragt wurde, was er denn heute tun würde, wenn er Papst wäre. Hein entgegnete: «Wenn ich morgen Papst wäre, dann würde ich zunächst einmal Luther lesen. Denn er ist der schärfste Kritiker des Amtes, das ich dann inne hätte. Und ich würde einladen zu einem allgemeinen Konzil, bei dem alle Christen, gleich welcher Konfession, willkommen sind und wo auf dem Podium nicht nur der Papst sitzt, sondern auch die Vertreter der anderen christlichen Kirchen.» Auf einem solchen Konzil gelte es dann die Frage zu diskutieren: «Was ist die Aufgabe der Christen in einer Welt in der es viele Menschen gibt, die nicht an Gott glauben?», sagte Hein in Schmalkalden.

Kardinal Lehmann betonte, das Verhältnis der großen christlichen Kirchen könne niemand hinter die Ergebnisse der Gespräche in den vergangenen sechs Jahrzehnten zurückdrehen, auch wenn es nach dem Deutschland-Besuch des Papstes von 2011 manche Irritationen gegeben habe. «In der Ökumene muss man immer kämpfen», betonte Lehmann. Vor dem Besuch von Benedikt XVI. im vergangenen Jahr seien jedoch die Erwartungen konkreter Schritte ins Maßlose gesteigert worden. Der Papst selbst habe sich auf diesen Druck zu stark eingelassen.

Zudem habe es nach der Begegnung zwischen dem katholischen Kirchenoberhaupt und evangelischen Kirchenvertretern am 23. September im Erfurter Augustinerkloster unverständliche Pannen der Kommunikation gegeben. Evangelische Teilnehmer hatten damals auf das Treffen enttäuscht reagiert.

Bei der Diskussion in Schmalkalden würdigte Bischof Hein auch die Ökumene der vergangenen Jahre als Erfolgsgeschichte, mit der «sehr viele Brücken über den Graben zwischen uns» entstanden seien.

Gleichwohl gebe es weiterhin fundamentale Unterschiede, etwa im Amtsverständnis der Kirche, die in den nächsten Jahrzehnten wohl nicht überwunden würden, betonte der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, zu dessen Kirchengebiet der Südthüringer Kirchenkreis Schmalkalden gehört.

Impressionen aus der Stadtkirche St. Georg

Festgottesdienst zum Abschluss der Festwoche «475 Jahre Schmalkaldische Artikel»

Mit einem Festgottesdienst und einem anschließenden Fest der Begegnung ging in Schmalkalden die Festwoche «475 Jahre Schmalkaldische Artikel» am Sonntag zu Ende. Den Gottesdienst gestalteten gemeinsam Bischof Martin Hein, Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, und Bischof Gerhard Ulrich, Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Vom 19. bis 24. Juni hatten die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck und die Stadt Schmalkalden unter dem Titel «Glauben fassen» mit zahlreichen Veranstaltungen das Jubiläum gefeiert. Die Bandbreite der Veranstaltungen reichte von einem theologisch-historisches Symposion über Andachten, Orgelmusiken, Theateraufführungen und Konzerten bis hin zur Wanderung auf Schmalkalder Teilabschnitten des Lutherweges.

Bischof Martin Hein zeigte sich beeindruckt von der Resonanz auf die Festwoche und die theologischen Impulse, die von ihr ausgehen. Hein: «Die Festwoche hat dazu gedient, sich in ökumenischer Offenheit der reformatorischen Wurzel zu vergewissern und so das evangelische Profil in den Dialog zu bringen.»

Impressionen vom landeskirchlichen Abend im Schloss Wilhelmsburg

VELKD-Bischof Ulrich bekräftig öffentliche Verantwortung der Kirchen

In seiner Predigt im Festgottesdienst schlug Bischof Gerhard Ulrich einen Bogen von Schmalkalden über Luther hin zu Johannes dem Täufer, dessen Geburtstag am 24. Juni gedacht wird. Johannes und Luther seien zwei Persönlichkeiten, die bis heute herausfordern würden, Tacheles geredet und deutlich gemacht hätten, worum es im Glauben neben aller Andacht «vor allen geht: um Klarheit, Wahrhaftigkeit, um Eindeutigkeit». Luther hätte aufgezeigt, dass Gottes Liebe Grund aller Freiheit sei und dass Freiheit und Verantwortung untrennbar zusammengehörten. «Darum», so der Bischof, «ist der Glaube, der sich auf Christus beruft, nicht Privatsache, sondern eine öffentliche Angelegenheit und eine Angelegenheit, die sich um die öffentlichen Dinge, um das Gemeinwohl kümmert.»

Hintergrund: Schmalkalden, der «Schmalkaldische Bund» und die «Schmalkaldischen Artikel»

Schmalkalden hatte im Mittelalter durch die Eisenerzvorkommen im Thüringer Wald und die Produktion von Eisen und Stahl eine besondere wirtschaftliche Bedeutung. Vor diesem Hintergrund machten die evangelischen Landesherren im 16. Jahrhundert die Stadt mitten in Deutschland zu einem bevorzugten Ort für ihre strategischen Treffen. Besonderen Anteil daran hatte Landgraf Philipp von Hessen, zu dessen Herrschaftsgebiet Schmalkalden gehörte. Die Thüringer Exklave, die schon seit dem 14. Jahrhundert den hessischen Landgrafen gehörte, wurde bereits 1525 evangelisch.

Ende 1530 begründeten in Schmalkalden die evangelischen Fürsten von Hessen, Kursachsen, Brandenburg-Ansbach, Braunschweig-Lüneburg und Anhalt sowie 14 freie Reichs- und Hansestädte ein Bündnis, dem die Stadt seinen Namen gab. Der Schmalkaldische Bund gegen den katholischen Kaiser traf sich in den folgenden Jahren allein acht Mal in ihrem Gründungsort. So auch 1537, als Martin Luther seine Schmalkaldischen Artikel vorstellte. Im Auftrag des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen hat der Reformator darin seine wesentlichen Lehren aufgeschrieben, unter anderem die Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben. Scharfe Kritik wird in der Schrift zudem am Papsttum, an Reliquienverehrung, Ablasshandel oder der Lehre vom Fegefeuer geübt.

Ursprünglich sollten die Artikel auf dem von Papst Paul III. einberufenen Konzil zu Mantua verlesen werden. Jedoch hatten die Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes die Artikel für das Konzil als nicht geeignet eingestuft und am 24. Februar 1537 nur mit Vorbehalt unterzeichnet. Letztlich fand das Konzil, das die Glaubensspaltung beilegen sollte, erst ab 1545 in Trient und größtenteils ohne Beteiligung der Lutheraner statt.

Im Jahre 1544 wurden die Schmalkaldischen Artikel zur Bekenntnisschrift erhoben und später sind sie Teil des Konkordienbuches geworden, in dem die Grundlagen des evangelisch-lutherischen Glaubens niedergelegt sind. (22.06.2012)

Linktipp:

Luthers Schmalkaldische Artikel können im digitalen Bestand der historischen Bände in der Universitätsbibliothek Heidelberg im Internet eingesehen werden:

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Festwoche:

Das Programmheft zur Festwoche unter dem Titel «Glauben fassen» können Sie hier herunterladen:

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Symposion:

Das Programmheft zum historisch-theologischen Symposion unter dem Titel «Profil und Abgrenzung - Luthers (vergessenes?) Vermächtnis» können Sie hier herunterladen:

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