Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 27 Mai 2015

Hofgeismar (medio). Erzählen Politiker und Kirchenvertreter Märchen? Wie glaubwürdig sind sie in ihrem Auftreten und ihren Aussagen? Diesen Fragen gingen am Dienstag (2.6.) in der MärchenKirche in Hofgeismar der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, und der hessische Ministerpräsident, Volker Bouffier, nach. Moderiert wurde der Talk, der zum Programm der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zum Hessentag 2015 gehörte, von hr-Moderator Meinhard Schmidt-Degenhard.

Beide Diskussionsteilnehmer waren sich darin einig, dass Politik und Kirche Glaubwürdigkeit brauchen, heißt es in einer Mitteilung der Landeskirchen. «Die Menschen entdecken sehr schnell, ob ich wirklich hinter dem stehe, was ich sage», erklärte Hein und ergänzte: «Kirche ist dann glaubwürdig, wenn es ihr gelingt, vom Evangelium her tragfähige Antworten auf die Fragen von Menschen zu geben.» Bouffier bestätigte diese Erfahrung auch für die Politik: «Politik muss sich immer wieder neu um Vertrauens- und Glaubwürdigkeit bemühen. Dies gelingt am besten vor Ort, wenn die Bürger erfahren, dass Politiker sich um die Sorgen und Nöte der Wählerinnen und Wähler kümmern, an konkreten Lösungen mitwirken und in ihrem Handeln verlässlich sind.»

Bouffier machte deutlich, dass in der heutigen Mediengesellschaft Politik in ihren Aussagen oft auf wenige Schlagworte verkürzt werde. Dies führe zu Missverständnissen und Fehldeutungen, so der Ministerpräsident. Hein bestätigte, dass für eine differenzierte Darstellung oft die Zeit fehle. Dies sei schwierig für die DarsteIlung komplexer Glaubensfragen. Doch gerade wenn man einräume, dass man auch als Bischof auf Glaubensfragen keine letzten Antworten haben könne, sei man glaubhaft. Biblische Geschichten und Märchen könnten ihre Zuhörer entschleunigen und für ein längeres und intensiveres Zuhören öffnen.

Konfrontiert mit der Frage, ob nicht alle Politiker gelegentlich Märchen erzählten, merkte Bouffier an, dass er den Begriff «Vision» bevorzugen würde und erläuterte, dass Politiker z.B. während des Wahlkampfes keine Märchen erzählten. Sie würden vielmehr Visionen davon entwickeln, wie sich die Politik nach den Wahlen entwickeln sollte.

Bischof Hein: Vertrauen und Ehrlichkeit sind die höchsten Güter

Familie und Glaube waren die Faktoren, denen beide Talkgäste persönlich das meiste Vertrauen entgegenbrachten. Gefragt, ob in der Politik nicht Vertrauen oftmals missbraucht werde, entgegnete Bouffier, dass das Vertrauen unter Politikern größer sei, als man von außen wahrnehme. Wenn man bestimmte Ziele erreichen wolle, sei Vertrauen auch über Parteigrenzen unerlässlich. Hein machte deutlich, dass im Gespräch mit seinen Mitarbeitenden Vertrauen und Ehrlichkeit die höchsten Güter seien. Aufgabe der Kirche und ihrer Pfarrer sei es, glaubwürdig und mit Leidenschaft für die Liebe Gottes in dieser Welt einzutreten.

Angesichts der vielen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien machte Bouffier deutlich, dass Politik auch auf Situationen reagieren müsse, die sie selbst nicht beeinflussen könne. Politik sei dann die «Kunst des Möglichen», so der Ministerpräsident. Das bedeute nicht, dass sie alle Probleme lösen könne. Für Bischof Hein sei dringend notwendig, die Nöte und Ängste der Menschen ernst zu nehmen und nicht «wegzudiskutieren». Die Menschen müssten befähigt und darin gestärkt werden, in einer offenen und sich verändernden Gesellschaft zu leben.

Altstädter Kirche als märchenhaft inszenierter Erlebnisraum

In seinem einzigartigen, märchenhaft inszenierten Erlebnisraum greift der Kasseler Bühnenbildner Oliver Doerr die Architektur der 865 Jahre alten Altstädter Kirche und ihre Besonderheiten auf und will so neue Perspektiven schaffen. In einer Installation mit großformatigen, mehrschichtigen Scherenschnitten setzt der Künstler das Motiv des Märchenwaldes auf neue Weise in Szene.

Klanginstallationen, von Kirchenmusikern arrangiert, sowie Lichtprojektionen ermöglichen sinnliche Erfahrungen und laden die Besucherinnen und Besucher ein, eigenen Gedanken nachzugehen, Vertrautem nachzuspüren und Neuem zu begegnen, heißt es.

«In Märchen führt der Weg, auf dem existentielle Gefahren lauern und Prüfungen bestanden werden müssen, oft durch den Wald. Am Ende jedoch gelangen die Figuren wohlbehalten und verwandelt an ihr Ziel», so Pfarrer Dieter Dersch, Hessentagsbeauftragter der EKKW. Auch die Bibel erzähle von Menschen, die aufbrechen oder umkehren und ihren Weg suchen. Dabei würden sie die Erfahrung machen, «dass Gott sie auf ihrem Lebensweg begleitet und ihnen helfend zur Seite steht», so Dersch weiter. «In der Märchenkirche zeigen wir, wie sich Bibel und Märchen berühren und bringen beide miteinander in den Dialog», so der Beauftragte.

Das erwartet die Besucher: Innenansichten

(alle Fotos: medio.tv/Socher)

Geistliche Impulse und Gottesdienste

Wie biblische Texte und Märchen miteinander ins Gespräch kommen, können die Besucher unter anderem in den Mittags- und Nachtgedanken sowie in den Gottesdiensten erfahren: Ein ökumenischer Gottesdienst wurde bereist am ersten Sonntag während des Hessentags (31.5.) mit Prälatin Martia Natt (EKKW) und Weibischof Dr. Karlheinz Diez (Bistum Fulda) gefeiert. Der evangelische Hessentagsgottesdienst findet am kommenden Sonntag (7.6.) um 11.00 Uhr mit Bischof Dr. Martin Hein (EKKW) und Pfarrer Dr. Wolfgang Gern (Vorstandsvorsitzender Diakonie Hessen e.V.) statt.

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Lesungen, Musik, Kleinkunst - Das kommt noch...

Die Kasseler Schauspielerin und Märchenerzählerin Andrea C. Ortolano gestaltet am Mittwoch (3.6.) ab 20.00 Uhr einen Märchenabend mit ihrem Programm «Der liebe Gott und die Brüder Grimm». In bester Scheherazade-Manier schickt sie den Schneider in den Himmel und lässt den Reichen am Armen verzweifeln.

Die Autorin und Ministerpräsidentin a.D. Heide Simonis liest am Donnerstag (4.6.) um 20 Uhr aus ihrem Buch «Alles Märchen! Insider packen aus» (Donnerstag, 4. Juni, 20.00 Uhr). Simonis erzählt darin ihre eigene Version der 15 bekanntesten Märchen der Brüder Grimm aus der Sicht der vermeintlichen Bösewichte.

Mit Artistik, Jonglage und Täuschungskunst gepaart mit christlicher Botschaft verzaubert der Illusionist «Mr. Joy», alias Karsten Strohhäcker, sein Publikum am Samstag (6.6.) um 15 Uhr. Ebenfalls am Samstag schnuddelt Karle, alias Karl Garff, um 20 Uhr in seiner «Märchenstunde» über Kirche, Kunst, Kommerz und Märchen - kurzum über Gott und die Welt.

Tag der Diakonie am Freitag

In und um die «MärchenKirche» gestaltet die Diakonie Hessen am Freitag (5.6.) einen Tag der Diakonie. Auf dem Programm stehen unter anderem ein Show-Kochen mit Köchen der Ev. Altenhilfe und des Ev. Krankenhauses in Hofgeismar (11.00 Uhr) und die Aufführung der Märchens «Der Froschkönig» mit einer Theatergruppe der Baunataler Diakonie Kassel (14.00 Uhr). In einem Talk berichten Menschen mit alten Berufen, darunter ein Prinz und ein Müller, von ihrem Engagement (16.00 Uhr). Außerdem präsentieren sich diakonische Einrichtungen und Initiativen mit Aktionen.

Das begeisterte bereits die Besucher der «MärchenKirche»

Am Tag der hessischen Literatur (Sonntag, 31.5.) las der Schriftsteller Andreas Maier aus seinem Buch «Bullau. Versuch über Natur.» Die Lesung sei eine Einladung gewesen, sich auf die Natur einzulassen und eine Anleitung zum Glücklich sein, heißt es. Im anschließenden Gespräch mit dem Autor ging es darum, wie Naturerleben und Märchen zusammengehören.

Freunde der Gospelmusik kamen am Samstagabend (30.5.) bei der Gospelnacht auf ihre Kosten. Drei Gospelchöre – Zoom! Gospelchor Hofgeismar (Leitung Dirk Wischerhoff), Circle of Joy (Leitung Heiko Stanzel), und der Landesgospelchor GET UP! mit Band (Leitung Peter Hamburger) brachten die Besucher zum Swingen. Märchensongs zu Märchen der Brüder Grimm hatten «nadolny&seydler» am Dienstagabend (2.6.) im Gepäck.

Lars Ruppel, der Deutsche Meister der Poetry Slam und Märchenonkel unter den modernen Lyrikern ließ seine Gedichte famos gereimt und furios vorgetragenen auf der Bühne am Montagabend (1.6.) lebendig werden.

Evangelische Jugend: Wünsche am Froschkönig-Brunnen

Am Froschkönig-Brunnen vor der «MärchenKirche» lädt die Evangelische Jugendarbeit des Kirchenkreises Hofgeismar die Besucher ein, Wünsche für das Liebste im Leben auf einen kleinen Zettel zu schreiben und diesen deponiert in einer kleinen Kugel in den Brunnen zu werfen. Darüber hinaus gibt es Kreativangebote für Kinder und Erwachsene. Betreut werden die Aktionen unter anderem von zahlreichen ehrenamtlichen Jugendlichen und Schülern der Herwig-Blankertz-Schule aus Hofgeismar.

Hintergrund: Hessentagsprogramm der evangelischen Kirchen

Im Hessentagsprogramm der evangelischen Kirchen drückt sich die Verbundenheit zur Region aus. Auf dem großen Fest der Hessen ist die evangelische Kirche seit 1998 vertreten. Erstmals präsentierten die beiden hessischen Landeskirchen in Langenselbold (2009) mit der «Lichterkirche» ein gemeinsames Programm. Das erfolgreiche Konzept der Zusammenarbeit setzten die Kirchen in den Folgejahren bei den Hessentagen in Stadtallendorf, Oberursel, Wetzlar, Kassel und Bensheim fort. Umgesetzt wird das Programm wieder von zahlreichen Mitarbeitenden aus der Region, den Gemeinden, Einrichtungen und Verbänden aus Kirche und Diakonie sowie der Öffentlichkeitsarbeit und vielen hundert ehrenamtlich Mitwirkenden. (03.06.2015)

Internetradio:

Pfarrerin Eveline Valtink vom Team der MärchenKirche und der Hessentagsbeauftragte der EKKW, Pfarrer Dieter Dersch, über das Kirchenprogramm. Ein Beitrag von medio-Reporter Torsten Scheuermann:

Linktipp:

Weitere Informationen und das komplette Programm sind im Internet abrufbar unter:

maerchenkirche.de

Hinweis:

Die «MärchenKirche» ist während des Hessentags täglich von 10 bis 24 Uhr geöffnet. Das Tagesprogramm schließt täglich um 23 Uhr mit den «Nachtgedanken». Tagsüber stehen jeweils «Seelsorger des Tages» für Gespräche bereit.