Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 26 Okt 2011

Marburg/Kurhessen-Waldeck (epd/medio). Die vermeintliche Schwäche der evangelischen Kirchen, nämlich eine fehlende einheitliche Lehrautorität, ist nach den Worten von Bischof Prof. Dr. Martin Hein ihre eigentliche Stärke. Darauf wies Hein aus Anlass des Reformationstages (31. Oktober) hin. Mit ihrer vielstimmigen Auslegungsgemeinschaft der Heiligen Schrift hätten sich die evangelischen Kirchen als modern und pluralismusfähig erwiesen.

Evangelisch-Sein heiße heute, im gemeinsamen Bemühen um das Wort der Bibel Meinungsverschiedenheiten nicht nur auszuhalten, sondern als wesentlich zu erkennen und sie im Hören auf die Bibel zu gestalten, ließ Hein - krankheitsbedingt verhindert - von seinem persönlichen Referenten, Pfarrer Dr. Frank Hofmann, in Marburg verlesen. So sei es typisch evangelisch, um die Wahrheit zu streiten, um die Einheit zu beten und Vielfalt und Individualität zu gestalten.

Schon die sogenannten «Marburger Artikel», in denen 1529 das Ergebnis eines Gespräches über theologische Fragen zwischen den Reformatoren Martin Luther und Ulrich Zwingli dokumentiert wurde, hätten zwar in 14 von 15 Punkten Übereinstimmung gebracht. In der Abendmahlsfrage allerdings habe es damals einen Widerspruch gegeben, der heute jedoch kaum noch eine Rolle in der gelebten Frömmigkeit spiele.

Hein betonte, dass ein «gelebter Dissens» wichtiger sei als eine vordergründige oder gar geheuchelte Einheit. Eine Einheitlichkeit der evangelischen Kirchen sei auch nicht nötig, solange deutlich bleibe, dass man im gemeinsamen Glauben und Hören auf Christus handele, streite und bete. Ein moderner Protestantismus könne dann seinen Beitrag zur Ökumene leisten, wenn er sich nicht vor seiner eigenen Offenheit und Unabgeschlossenheit fürchte.

Aktionen, Gottesdienste und Veranstaltungen in der Landeskirche

In der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck begingen die Christen den Reformationstag am 31. Oktober mit zahlreichen Aktionen, Gottesdiensten und Veranstaltungen. So gab es an diesem Tag in Kassel auf dem Opernplatz einen Aktionstag mit dem Motto «Hallo Luther» geben, teilte der Evangelische Stadtkirchenkreis mit. Auf einem «Lernweg Luther» konnte jeder Besucher den Reformator Martin Luther kennenlernen und sogar eigene Wünsche an einer «Reformationswand» anschlagen. Zudem wurde in der Karlskirche ein Reformationsgottesdienst gefeiert, so der Kirchenkreis weiter.

Impressionen  von der Aktion «Hallo Luther» auf dem Opernplatz in Kassel am 31. Oktober. (Alle Fotos: medio.tv/Schauderna)

Die Evangelische Kirche in Fulda hatte unter dem Motto «Raus mit der Sprache» zu einem Reformationsgottesdienst in die Fuldaer Christuskirche eingeladen, in dem Prälatin Marita Natt predigte. Liturgie und Abendmahl gestalteten Pfarrerinnen und Pfarrer aus Fulda und Künzell, hieß es in einer Pressemitteilung des Evangelischen Kirchenkreises Fulda. Der Hessische Rundfunk (hr) widmete dem Reformationstag auf der Hörfunkwelle hr4 einen ganzen Thementag, bei dem u.a. Bischof Martin Hein über das Thema «Freiheit» sprach, teilte der hr mit.

In Marburg verband ein Gottesdienst an verschiedenen Stationen in der Innenstadt Mittelalter, Reformation und Moderne miteinander: Auftakt war ein gregorianisches Kyrie im Innenhof des Landgrafenschlosses, hieß es in einer Pressemitteilung der Landeskirche. Anschließend wurde ein musikalischer Psalm in der Katholischen Pfarrkirche St. Johannes (Kugelkirche) gebetet und danach führte der Weg in die Lutherische Pfarrkirche, in der ein barockes Gloria erklang. In der Universitätskirche sangen gleich mehrere Chöre ein romantisches Credo und seinen Abschluss fand der Gottesdienst in der Elisabethkirche, in der u.a. die Abendmahlsteile aus Schnittkes Requiem zu hören waren. Der Gottesdienst bildete den Schlusspunkt der Veranstaltungsreihe «aufgeSCHLOSSen», mit der die Landeskirche an die Marburger Religionsgespräche im Jahr 1529 erinnerte.

Impressionen vom Reformationsgottesdienst in Marburg am 31. Oktober. (Alle Fotos: medio.tv/Balzer)

In der Stadtkirche in Sontra wurden die Geschehnisse des Reformationstages in historischen Szenen nachgestellt. Unter dem Motto «Luther statt Kürbis» wurde darüber hinaus auch mittelalterliche Musik mit dem Trio «Musica Vulgaris» geboten, so Pfarrer Johannes Meier aus Sontra. Hörbar war der Reformationstag im Kirchenkreis Melsungen. Um 15.17 Uhr waren hier von den Kirchtürmen 95 Glockenschläge zu hören, so der Kirchenkreis. Während die Uhrzeit an das Reformationsjahr 1517 erinnere, seien die Glockenschläge den 95 Thesen des Reformators gewidmet.

Veranstaltungsreihe «aufgeSCHLOSSen» erinnerte an Marburger Religionsgespräche

Bereits am Samstag (29.10.) wurde in Marburg mit mehreren Veranstaltungen an die theologischen Lehrgespräche der Reformatoren Martin Luther, Huldrych Zwingli und Philipp Melanchthon vor 482 Jahren im Marburger Landgrafenschloss erinnert. Im Zentrum der Reihe «aufgeSCHLOSSen» stand eine wissenschaftliche Tagung zu den «Marburger Artikeln als Zeugnis der innerprotestantischen Einheit». Dazu referierten die Professoren Wolf-Friedrich Schäufele (Marburg), Peter Gemeinhardt (Göttingen), André Birmelé (Straßburg), Martin Sallmann (Bern), Jan Rohls (München), Athina Lexutt (Gießen) und Peter Opitz (Zürich). Ihre Themen waren unter anderem Sünde und Rechtfertigung, Predigt und Taufe. Am Abend hatte die Landeskirche zu einem Empfang in den Landgrafensaal des Marburger Schlosses eingeladen.

Am Sonntag (30.10.) wurde im Rahmen der Reihe am Vormittag ein Festgottesdienst in der Lutherischen Pfarrkirche gefeiert. Nachmittags konnten Interessierte die Führung «Luthers Spur in Marburg» besuchen. Außerdem trafen sich im Landgrafensaal im Schloss unter dem Motto «Marburger Frauenmahl. Tischreden zur Zukunft von Kirche und Religion» hundert Frauen zu einem festlichen Essen. Zwölf von ihnen, die leitende Funktionen wahrnehmen in den christlichen Kirchen und anderen religiösen Gemeinschaften, in Politik, Kunst und Wissenschaft, hielten engagierte Tischreden zum Thema.

Veranstalter sind der Fachbereich Evangelische Theologie der Philipps-Universität, das Frauenstudien- und -bildungszentrum der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Stichwort Reformationstag

Am Reformationstag erinnern evangelische Christen aus aller Welt an den Beginn der Reformation durch Martin Luther. Am Vorabend des Allerheiligentages, dem 31. Oktober 1517, veröffentlichte der Augustinermönch Luther seine gegen den Ablasshandel der Kirche gerichteten 95 Thesen. Ob er sie tatsächlich an die Tür der Wittenberger Schlosskirche schlug, ist historisch nicht gesichert. (01.11.2011)

Impressionen aus Marburg

Hier finden Sie weitere Impressionen von der wissenschaftlichen Tagung und dem anschließenden Empfang der Landeskirche im Landgrafensaal des Marburger Schlosses am 29. Oktober, vom Gottesdienst in der Lutherischen Pfarrkirche (Fotos: medio.tv/Balzer) und dem Marburger Frauenmahl (Fotos: Sibylle Markl) am 30. Oktober.

Symposium und Empfang der Landeskirche

Gottesdienst in der Lutherischen Pfarrkirche

Marburger Frauenmahl

Linktipp:

Weitere Informationen zur wissenschaftlichen Tagung zu den «Marburger Artikeln als Zeugnis der innerprotestantischen Einheit» finden Sie unter:

uni-marburg.de/fb05/(...)

Linktipp:

Weitere Informationen zum «Marburger Frauenmahl. Tischreden zur Zukunft von Kirche und Religion» finden Sie unter:

frauenmahl.de/(...)