Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 04 Mär 2013

Kassel (epd). Antisemitismus und Chauvinismus widersprechen nach den Worten des Bischofs der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, von Grund auf dem biblischen Gebot der Liebe zu Gott und den Menschen. Daher müsse man sich entsprechenden Äußerungen und Taten entgegenzustellen, wo immer sie entdeckt würden, sagte Hein am Samstagabend (02.03.) auf einer christlich-jüdischen Gemeinschaftsfeier in Kassel. Die Feier im Ständehaus fand im Rahmen des Wochenendes zur Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit statt.

Der Bischof, der über die biblische Geschichte vom barmherzigen Samariter sprach, hob hervor, dass Hilfeleistung die moralische Pflicht eines jeden Menschen sei. Wer sich ihr entziehe, werde unmenschlich. Christen hätten viel Schuld auf sich geladen, indem sie sich am auserwählten Volk Gottes, den Juden, versündigt hätten. Dabei hätten die Christen nur der Spur folgen müssen, die Jesus gegangen sei, der «Spur der Liebe».

«Wer Menschenliebe übt, hat immer recht», sagte Hein. Juden und Christen seien heute gemeinsam gefragt, der Gesellschaft ein menschliches Antlitz zu geben und sich besonders derer anzunehmen, die an den Rand gedrängt seien. Im Dienst der Humanität lernten die Menschen, sich gegenseitig als Schwestern und Brüder zu achten.

Der katholische Fuldaer Weihbischof Karlheinz Diez wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass Deutschland für eine zuvor nie gekannte Grausamkeit an jüdischen Menschen stehe. Das gemeinsame Gedenken könne Juden und Christen miteinander verbinden, sagte er unter Hinweis auf das diesjährige Motto der Woche «Sachor (Gedenke): Der Zukunft ein Gedächtnis».

Der jüdische Vorsitzende des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Landesrabbiner Henry G. Brandt, ließ sein Fehlen wegen einer Erkrankung entschuldigen. In den vergangenen 27 Jahren hatte er immer an der Feier teilgenommen.

Eröffnung der Woche am Sonntag mit Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille

Mit Aufrufen gegen den Antisemitismus ist die christlich-jüdische Woche der Brüderlichkeit am Sonntag (03.03.) in Kassel eröffnet worden. Außerdem wurden das Frankfurter Fritz-Bauer-Institut sowie die Schriftstellerin und Übersetzerin Mirjam Pressler mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet. Die diesjährige Woche vom 3. bis zum 10. März steht unter dem Motto «Sachor (Gedenke): Der Zukunft ein Gedächtnis».

Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus seien nicht aus der Gesellschaft verschwunden, sagte die katholische Vorsitzende des Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Eva Schulz-Jander. Beispiele hierfür seien der «stellenweise abscheuliche, menschenentwürdigende Ton der Beschneidungsdebatte» sowie ein als Israelkritik auftretender getarnter Antisemitismus. «Nichts davon gehört in unser Land», sagte sie.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bezeichnete es in seiner Rede als außergewöhnlich, dass schon 1948 im «Land der Täter» die erste christlich-jüdische Gesellschaft gegründet worden sei. Ziel müsse es sein, dass alle Menschen in Frieden, Freiheit und ohne Angst leben könnten, so der Ministerpräsident weiter.

 

Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD) erinnerte daran, dass es noch lange kein normales Leben für Juden in Deutschland gebe. So stehe vor der Kasseler Synagoge Tag und Nacht ein Streifenwagen. «Solange sie geschützt werden muss, leben wir noch nicht in vernünftigen Verhältnissen», erklärte er. Die Mordserie der Terrorgruppe «Nationalsozialistischer Untergrund», der auch ein Kasseler Bürger zum Opfer fiel, habe gezeigt, dass der Neonazismus unterschätzt worden sei. Auch die Zusammenarbeit der staatlichen Behörden zur Aufklärung der Verbrechen habe nicht funktioniert.

Die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, würdigte in ihrer Laudatio für die Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille das Eintreten des Fritz-Bauer-Instituts für eine differenzierte, generationsübergreifende Gedächtniskultur. Das Institut erforscht die Geschichte und Wirkung des Holocausts und ist benannt nach dem ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (1903-1968), der die Auschwitz-Prozesse von 1963 bis 1965 angestoßen hat. «Fritz Bauer wusste, dass Verantwortung nicht verjährt», sagte Knobloch.

Mirjam Pressler gehöre zu den bedeutendsten Autorinnen unserer Tage, sagte Knobloch weiter. Ihre Geschichten seien von der Erkenntnis getragen, dass man der Vergangenheit nicht entfliehen könne. Mit ihren Übersetzungen hebräischer Literatur trage sie zudem dazu bei, Fremdheiten abzubauen und zum Verständnis für die differenzierte israelische Gesellschaft beizutragen. Raphael Gross, Direktor des Fritz-Bauer-Institutes, erklärte, dass es seinem Institut nicht um Schande und Schuld gehe, sondern um Verantwortung. Mirjam Pressler fügte hinzu, dass Verantwortung auch Menschen nichtdeutscher Herkunft angehe, da die Verbrechen der Nationalsozialisten gegen die Menschheit gerichtet gewesen seien. (04.03.2013)

Impressionen von der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille:

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