Unter dem Motto #Wir stehen zusammen demonstrierte Marburg am 12.10. (Foto: medio.tv/Balzer)

Unter dem Motto #Wir stehen zusammen demonstrierte Marburg am 12.10. (Foto: medio.tv/Balzer)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 15 Okt 2019

Marburg (medio). «#Wir stehen zusammen» war das Motto der Demo am 12.10. in Marburg als Reaktion auf das Attentat am 09.10., bei dem ein schwer bewaffneter Mann versucht hatte in die Synagoge in Halle einzudringen, in der rund 70 Menschen den wichtigsten jüdischen Feiertag Jom Kippur begingen. Der Täter konnte jedoch nicht in die Kirche eindringen. Er erschoss daraufhin zwei Passanten und verletzte ein Ehepaar schwer. Der Demonstrationszug in Marburg startete an der Synagoge in der Liebigstraße, zog an der Gedenkstätte für das 1938 in den Nazipogromen niedergebrannte Gotteshaus vorbei zu der Ausgrabungsstätte der mittelalterlichen Synagoge am Obermarkt, berichtete Karl-Günter Balzer, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit im Sprengel Marburg.

«Wir sind erschüttert und verletzt, …denn dieser Angriff gilt uns allen. Unser Mitgefühl gilt den Opfern und allen, die bedroht sind oder sich bedroht fühlen. Ihr sollt wissen: Wir stehen zu Euch», erklärte Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD). Auch Propst Helmut Wöllenstein benannte Entsetzen und Scham darüber, was in Halle geschehen ist: «Ich schäme mich, in einem Land zu leben, von dem die größten antisemitischen Exzesse der Geschichte ausgegangen sind. Und jetzt, nach dem schleichenden Zunehmen des Antisemitismus in den letzten Jahren dieser Anschlag. In einer neuen Dimension, die es nach dem Naziterror so bei uns nicht gegeben hat.»   

Monika Bunk, die 1. Stellvertretende Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Marburg beklagte, dass Antisemitismus nicht verstanden werde, wenn angesichts des rechtsextremen Terrors von einem Alarmzeichen geredete werde. «Das ist kein Alarmzeichen mehr, das ist die Katastrophe, vor der wir gewarnt wurden», stellte Bunk fest. Sie verwies auf 2.800 antisemitische Taten im Jahr 2018 und forderte, dass der Rechtsstaat endlich handelt und die bestehenden Gesetze anwendet.   

Auch Thomas Spies und Helmut Wöllenstein machten auf das geistige und gesellschaftliche Klima aufmerksam, dass eine solche Tat erst ermöglicht habe. «Terroristen entstehen nicht aus dem Nichts und wer Hass säht trägt eine Mitschuld», hielt Spies fest und beklagte den Hass, der in Talkshows und den sozialen Medien verbreitet werde. So sag es auch Propst Wöllenstein und fragte: «Wie kann man denn in der AfD sagen: wir haben nichts damit zu tun und nennt doch vorher den Holocaust einen Vogelschiss der sonst ruhmreichen Deutschen Geschichte.»  

Wie Bunk forderte Oberbürgermeister Spies zur Zivilcourage, zum Hinsehen, Reden und Handeln auf. Propst Wöllenstein konkretisierte das: «Wir müssen zusammenstehen, rausgehen, es zeigen, es sagen… Für eine offene Gesellschaft kämpfen, in der wir einander achten, schützen und unterstützen. Egal welche Kultur und Religion wir haben, Juden, Moslems, Christen oder ohne Religion. Friedlich kämpfend, werbend, überzeugend.» (15.10.2019)

Propst Helmut Wöllenstein bei der Kundgebung (Foto: medio.tv/Balzer)

Propst Helmut Wöllenstein bei der Kundgebung (Foto: medio.tv/Balzer)