Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 31 Okt 2012

Frankfurt (medio). Als «sozialpolitischen Impulsgeber und Gesprächs- und Verhandlungspartner, der fachlich kompetent und zugleich unbequem den Finger in die Wunde legt» hat Karl Peter Bruch, stellvertretender Ministerpräsident a.D. in Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Hauptversammlung des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau (DWHN), die Diakonie bezeichnet.

Anlässlich der DWHN-Hauptversammlung am Mittwoch (31.10.) im Frankfurter Markus-Krankenhaus sagte Bruch im Blick auf die im kommenden Jahr geplante Fusion von DWHN und Diakonischem Werk in Kurhessen-Waldeck (DWKW): «Im Eintreten für gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit wird die Diakonie in Hessen sich deutlich hörbar zu Wort melden. Professionelle Nächstenliebe und engagierter Einsatz für die Menschen, die an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt wurden: Das wird mit der fusionierten Diakonie in Hessen noch besser gelingen.»

Wie die beiden Diakonischen Werke mitteilten, stellten sich erstmals drei der vier Vorstandsmitglieder der neuen Diakonie in Hessen bei einem Pressegespräch vor. Dazu gehörten der Vorstandsvorsitzende des DWHN, Pfarrer Dr. Wolfgang Gern und DWHN-Vorstandsmitglied Dipl.-W.-Ing. Wilfried Knapp sowie der Vorstandsvorsitzende des DWKW, Landeskirchenrat Pfarrer Horst Rühl. Ebenfalls zum neuen Vorstand wird DWKW-Direktor Dr. Harald Clausen gehören.

Gern: Für armutsfeste Mindestrente – Ausgangspunkt für steuerpolitische Veränderungen

Pfarrer Dr. Wolfgang Gern, Vorstandsvorsitzender des DWHN, sagte, mit der Fusion werde deutlich: «Die politisch Verantwortlichen müssen nicht nur mit den Dienstleistungen der Diakonie in Hessen, sondern auch mit deren eindeutiger Parteilichkeit und Lobbyarbeit rechnen. Denn wir stehen dafür ein, dass Sozialrechte und Menschenrechte einklagbar sind.» Zum drängender werdenden Problem der Armut im Alter sagte der DWHN-Chef: «Wir brauchen eine Mindestrente, die armutsfest ist und die Situation von Frauen besonders berücksichtigt. Wer ein Leben lang arbeitet, erzieht und pflegt, darf im Alter nicht auf Tafeln angewiesen sein.» Im Blick auf den vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung sagte er, der Bericht habe eine große Debatte über die «extrem ungleiche Verteilung von Reichtum in Deutschland» ausgelöst: «Es ist zu wünschen, dass das neue Interesse an diesem Thema Ausgangspunkt für steuerpolitische Veränderungen wird», so DWHN-Chef Gern.

Rühl: Kostenträger müssen für gute und zukunftsfähige Pflegefinanzierung einstehen

Als «Scheindebatte, die die politische Verantwortung den Altenhilfeeinrichtungen zuweist», hat DWKW-Vorstandsvorsitzender Landeskirchenrat Pfarrer Horst Rühl die aktuelle Diskussion über Kosten der Altenpflege und die angebliche Notwendigkeit, Pflegeeinrichtungen im Ausland in Anspruch zu nehmen, bezeichnet. «Die Debatte ist ebenso absurd wie menschenunwürdig», kritisierte Rühl. «Klar ist: Der Wettbewerb in der Altenpflege unter der Verhandlungsmacht der Pflegekassen hat sich immer mehr verschärft. Und die Pflegeversicherung wird ihrem Auftrag längst nicht mehr gerecht, die Pflege im Bedarfsfall sicherzustellen und bezahlbar zu halten. Dies aber sind politisch und strukturell verursachte Probleme.» Rühl sagte weiter: «Die Politik hat jahrelang versäumt, die steigenden Pflegekosten durch erhöhte Zahlungen der Pflegeversicherung aufzufangen. Gerade in einem reichen Land wie Hessen ist es unverständlich, dass gute Pflege durch qualifiziert arbeitende Pflegeeinrichtungen für die betroffenen Menschen immer weniger bezahlbar ist. Gute Pflege hat ihren Preis. Daher muss der Anteil der Pflegeversicherung für die Finanzierung der Pflegeeinrichtungen leistungsgerecht angehoben werden. Nur so kann die Höhe der Zahlungen, die die Pflegebedürftigen selbst leisten müssen, in Grenzen gehalten werden. Wir erwarten, dass die hessischen Kostenträger für eine gute und zukunftsfähige Pflegefinanzierung einstehen.»

Knapp: Sicher gestaltete und hochqualifizierte Arbeitsplätze und solidarische Sicherungssysteme

Dipl.-W.-Ing. Wilfried Knapp, Vorstand DWHN, sagte, sicher gestaltete Arbeitsplätze und hochqualifizierte Arbeit in den verschiedenen Arbeitsfeldern zeichneten das Wesen diakonischen Arbeitens aus. Er appellierte: «Unsere gute Arbeit in der Diakonie muss den gesellschaftlichen Stellenwert und die Anerkennung erhalten, die sie verdient, und sie muss entsprechend durch die Kostenträger refinanziert werden. Lassen Sie uns nicht müde werden, dafür einzutreten.» Weiter sagte er: «Bis zu 70 Prozent der Budgets diakonischer Einrichtungen bestehen aus Personalaufwendungen – und der Fachkräftemangel wird immer prekärer. Die Herausforderung ist, die Entwicklung von Pflegesatzentgelten seitens der Kostenträger im Einklang mit den Tarifentgelten für die Mitarbeitenden zu gestalten und ein Auseinandergehen der Tarifschere zu vermeiden. Der ökonomische Wettbewerb im Sozialbereich braucht klare politische Rahmensetzungen und Regulierungen. Kirche, Politik und Gewerkschaften müssen dafür eintreten, dass die solidarischen Sicherungssysteme zukunftsfähig sind. Die Bezahlung in den Sozial- und Gesundheitsberufen muss so attraktiv sein, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen werden können. Angemessene Refinanzierung der sozialen Arbeit ist die Grundlage für faire Bezahlung», so DWHN-Vorstand Wilfried Knapp.

Stichworte: DWHN-Hauptversammlung und DWKW-Mitgliederversammlung – DWHN-Hauptausschuss und DWKW-Verwaltungsrat

Die DWHN-Hauptversammlung und die DWKW-Mitgliederversammlung sind die in der Regel einmal im Jahr tagenden «Parlamente» der beiden evangelischen Wohlfahrtsverbände in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem thüringischen Schmalkalden. Unter anderem nehmen sie den Rechenschaftsbericht der Vorstände und des Hauptausschusses beziehungsweise des Verwaltungsrats entgegen, genehmigen die Feststellungen der Jahresrechnung und wählen aus ihrer Mitte Personen in den Hauptausschuss beziehungsweise in den Verwaltungsrat.

Vorsitzender der DWHN-Hauptversammlung ist Karl Peter Bruch, stellvertretender Ministerpräsident a.D. und Innenminister a.D. in Rheinland-Pfalz. Vorsitzender der DWKW-Mitgliederversammlung ist Pfarrer Joachim Bertelmann, Vorstandsvorsitzender der Baunataler Diakonie Kassel.

Der Hauptausschuss des DWHN und der Verwaltungsrat des DWKW bestimmen die Richtlinien der diakonischen Arbeit und wählen und kontrollieren die Vorstände. Vorsitzender des DWHN-Hauptausschusses ist der Wetzlarer Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer Klaus Rumpf, seine Stellvertreterin ist Pfarrerin Esther Gebhardt, Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt. Vorsitzender des DWKW-Verwaltungsrats ist Pfarrer Joachim Bertelmann, Vorstandsvorsitzender der Baunataler Diakonie Kassel, seine Stellvertreterin ist Pfarrerin Barbara Eschen, Direktorin des Hephata Hessischen Diakoniezentrums, Schwalmstadt/Treysa.

Fusion von DWHN und DWKW im Jahr 2013

Das Diakonische Werk in Hessen und Nassau und das Diakonische Werk in Kurhessen-Waldeck werden im Jahr 2013 fusionieren. Die Fusion wird mit der für Sommer 2013 geplanten Eintragung in das Vereinsregister vollzogen sein und ab diesem Zeitpunkt rückwirkend zum 1. Januar gültig. Bereits ab Januar sollen beide Verbände in den neuen Organisationsstrukturen arbeiten. Landesgeschäftsstelle des neuen Verbandes wird Frankfurt am Main sein, außerdem wird es einen Standort in Kassel geben.

Wichtige Termine bis zur Fusion sind zunächst die Tagungen der Synoden der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck Ende November. Sie sollen über die Kirchengesetze, das Mitarbeitervertretungsgesetz und das Arbeitsrechtsregelungsgesetz in zweiter und dritter Lesung befinden und den Verschmelzungsvertrag zur Kenntnis nehmen. Im Frühjahr 2013 schließlich werden die Frühjahrssynoden ihre Zustimmung zur Satzung des neuen Werkes geben. Die notariellen Beurkundungen zu Satzung und Verschmelzungsvertrag sind für Sommer 2013 geplant, wenn beide Mitgliederversammlungen erneut gemeinsam tagen. Im Spätsommer soll die Fusion schließlich mit einem Festakt des neuen Verbandes gefeiert werden.

Die Nutzung von Synergieeffekten, der Einsatz frei werdender Ressourcen für innovatives Handeln und das Ziel, das diakonische Zeugnis in den Regionen in allen Arbeitsfeldern und -bereichen der Diakonie zu stärken, stehen im Fokus der Fusion. (31.10.2012)