Bischöfin Dr. Beate Hofmann bedankte sich bei Präses Dr. Thomas Dittmann für dessen langjähriges Engagement für die Landeskirche. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Bischöfin Dr. Beate Hofmann bedankte sich bei Präses Dr. Thomas Dittmann für dessen langjähriges Engagement für die Landeskirche. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 07 Mär 2022

Hofgeismar/Kassel (medio). Mit der letzten Sitzung der 13. Landessynode der Evangelischen Kirche von Kuhessen-Waldeck (EKKW) endet eine Ära: Dr. Thomas Dittmann, seit 30 Jahren Mitglied des Kirchenparlaments und seit 2016 dessen Präses, scheidet nun aus. Drei Jahrzehnte hat Dittmann seinen «juristischen Blick eingebracht, nach fairen Verfahren und guten Wegen gesucht, mit Geduld, Sorgfalt und Fleiß Widersprüche bearbeitet und die Umstellung von einer Synode in Präsenz zu einer digital tagenden Synode bewerkstelligt», würdigte Bischöfin Dr. Beate Hofmann und ergänzte: «All das immer getrieben davon, dass wir als Kirche Zeugnis geben von unserem Glauben an die gute Botschaft von Gottes umfassender Liebe und dass dieser Glaube Früchte trägt in unserer Welt.»

In seiner vorletzten Ansprache – im April wird er bei einer Vorbereitungstagung noch die neuen Synodalen begrüßen – erinnerte Dittmann in der Sondertagung am Samstag (5.3.) an das Leitwort, unter das die 13. Landessynode gestellt war: Der Vers ‚Dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen…‘ sei schon 2016 ein «Seufzer, eine Sehnsucht, ein tiefer Wunsch» gewesen. «Wir müssen heute feststellen, dass die Welt – unsere Welt – von einer Verwirklichung dieses Wunsches weiter entfernt ist als zuvor», sagte der scheidende Präses im Blick auf den Ukraine-Krieg und warb: «Ich bitte Sie, im Gebet um Frieden nicht nachzulassen.» Aber auch der zweite Aspekt des Leitworts, die Gerechtigkeit, sei zu kurz gekommen. Corona habe die Ungleichheit der Chancen weltweit und in unserem Land vergrößert, machte Dittmann deutlich.

Der ehemalige Vorsitzende Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel kann auf ein langjähriges und vielfältiges ehrenamtliches Engagement in der Landeskirche zurückblicken – nicht nur in der Landessynode, wo er in drei Legislaturperioden im Vorstand aktiv war. Seit 1998 gehört Dittmann dem Rat der Landeskirche an. Als stellvertretender Vorsitzender des Schlichtungsausschusses (2011 bis 2014) machte er seine Kernkompetenz für ein kirchliches Ehrenamt fruchtbar. Überdies engagierte sich der gebürtige Melsunger, der Jura und im Nebenfach Theologie studierte, als Kirchenvorstand in seiner Wohnortkirchengemeinde Kassel-Brasselsberg (1988 bis 2019), davon 12 Jahre als dessen Vorsitzender. 2008 wurde Dr. Thomas Dittmann der Titel «Kirchenrat» in Anerkennung seines vielfältigen ehrenamtlichen Dienstes in der EKKW und als besondere Würdigung seiner Verdienste auf dem Gebiet der Rechtsetzung verliehen.

«Ich habe diese Arbeit mit Freude gemacht», sagt der 70-Jährige rückblickend und räumt im Gespräch zugleich ein, dass die letzten beiden Jahre seiner Amtszeit aufgrund der Corona-Pandemie sehr herausfordernd waren. Sitzungen wurden geplant, abgesagt und schließlich digital abgehalten. Einen Tag ohne Schreibtisch gab es für den Ruheständler nicht. Für «seine» Kirche wird er sich auch nach dem Ausscheiden aus der Landessynode weiter engagieren, wenn auch in einem anderen Tempo: In der Autobahnkapelle in Lohfelden (Landkreis Kassel) wird der elffache Großvater künftig mitwirken, auftanken und zum Auftanken beitragen. 

Vieles sei ihm im Rückblick auf seine Zeit als Präses der Landessynode in Erinnerung geblieben, insbesondere die Erklärung zum Verhältnis von Christen und Juden sowie die Aufwertung des Diakonenamtes. Multiprofessionelle Teams seien zukunftsträchtig, sagt Dittmann. Das Ehrenamt werde eine große Rolle spielen. Was er der neuen Synode wünscht? «Dass sie mutig den Weg vorangeht, den wir vorgezeichnet haben und möglichst alle miteinbezieht», so der scheidende Präses auch mit Verweis auf die jüngste Tagung: Die letzte Sitzung der 13. Landessynode galt dem Verständigungsprozess zum Auftrag der Kirche. Die jetzt gefassten Beschlüsse ebneten den Weg dafür, «dass wir auch die ganz praktischen Entscheidungen, vor denen wir in den nächsten Jahren stehen werden, immer im Hören auf Gottes Wort treffen», ermutigt Dittmann. (07.03.2022)

(Foto: medio.tv/Schauderna)

(Foto: medio.tv/Schauderna)

«Sitzungen werden mir keinesfalls fehlen»

Präses Dr. Thomas Dittmann im Interview über Haltung, Aberglauben und die Reform der Kirche. Nach sechs Jahren als Präses und insgesamt 24 Jahren in der Landessynode der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck gibt Dr. Dittman diese Ehrenämter ab. Im blick-Interview mit Redakteur Olaf Dellit vom Medienhaus der EKKW schaut er zurück und nach vorne. 

Ihre Präses-Zeit endete mit der 13. Tagung der 13. Landessynode. Sie sind hoffentlich nicht abergläubisch?
 
Dr. Thomas Dittmann: Nein, daran fehlt es mir völlig. Ich fand es vor Jahren ziemlich putzig, als ich einen Kreuzbandriss hatte und im Krankenhaus behandelt wurde. Da war ein Raum mit der Nummer 12, der übernächste war 14 – und dazwischen gab es die 12a.

Sie sind nicht nur Jurist, sondern haben auch etwas Theologie studiert. Hat Ihnen das als Präses geholfen?

Dittmann: Es hat jedenfalls nicht geschadet. Geholfen hat es mir wahrscheinlich mehr in der Zeit, als ich Vorsitzender des örtlichen Kirchenvorstands war, weil ich da zu Beginn der Sitzungen kleine Andachten gehalten habe. Da ist es nicht verkehrt, etwas Substanz zu haben.

Sie waren Richter: Was unterscheidet eine Gerichtsverhandlung und die Landessynode?

Dittmann: Das Augenfälligste ist, dass die Zahl der Akteure deutlich anders ist. Im Gericht hat man im Normalfall auf der gegenüberliegenden Seite des Richtertisches drei oder vielleicht fünf Akteure. In manchen Fällen gibt es noch Zuhörer, die hören aber eben wirklich nur zu. 
Es gibt aber auch eine Ähnlichkeit. Auch als Vorsitzender Richter muss man eine Gesprächsführung haben und dafür sorgen, dass es eine sachliche und angemessene Verhandlungsatmosphäre gibt. Und man ist als Richter, jedenfalls in Deutschland, auch darauf geschult, mal heftiger angegriffen zu werden und trotzdem die Contenance zu wahren. Das ist hilfreich.

In Ihre Zeit fiel der Wechsel im Bischofsamt, erstmals hat Kurhessen-Waldeck eine Bischöfin. Wie wichtig war diese Weichenstellung?

Dittmann: Sie deuten es mit dem Wort «Weichenstellung» schon an: Bei jeder Wahl einer Person ins Bischofsamt überlegt man sich, was für eine Persönlichkeit in den nächsten Jahren die Kirche leiten soll. Bei der Wahl war sehr deutlich, was die beiden Kandidatinnen beim Thema Veränderung denken. Ich glaube, Frau Hofmann wurde auch deswegen gewählt, weil sie gesagt hat: Es muss sich einiges in der Kirche verändern. Die andere Kandidatin hat gesagt: Sie haben jetzt schon so viel geändert, jetzt sollte erstmal konsolidiert werden. 

Sie haben den Reformprozess angesprochen. Wo steht die EKKW?

Dittmann: Sie hat – auch im Vergleich mit anderen Landeskirchen – schon einen guten Weg hinter sich gebracht. Die Beschlüsse von 2015 wurden konsequent und fast vollständig umgesetzt. Vieles wurde in die Praxis umgesetzt, zum Beispiel die Neuordnung der Kirchenmusik. Kooperationsräume zwischen verschiedenen Kirchengemeinden wurden geschaffen.Uns war aber von vorneherein klar, dass dieser Prozess nicht abgeschlossen sein kann. 
In den letzten Jahren haben wir auch inhaltlich viel auf den Weg gebracht; zum Beispiel die überarbeitete Erklärung zum Verhältnis von Juden und Christen. Wir sind der Initiative «Offen für Vielfalt» beigetreten. Seit gut einem Jahr läuft jetzt der von der Bischöfin angestoßene Verständigungsprozess zum Auftrag der Kirche. 

Gab es synodale Entscheidungen, die Sie persönlich falsch fanden?

Dittmann: In dieser Schärfe würde ich das nicht sagen. Ich konnte mit allen Beschlüssen gut leben. Ich habe mich aber gefragt, ob es so glücklich war, die Anzahl der Sprengel von vier auf drei zu reduzieren. Der Einspareffekt ist meiner Meinung nach gering, gleichzeitig hat es bei Menschen aus dem weggefallenen Sprengel zu Verletzungen geführt. Das hätte ich für vermeidbar gehalten, halte es aber auch nicht für einen gravierenden Fehler. 

Die Grundordnung der EKKW soll überarbeitet werden, um die Sprache geschlechtergerechter zu machen. Dieses Thema sorgt in der Öffentlichkeit für große Emotionen. Warum macht die Landeskirche das?

Dittmann: Das Anliegen spielt schon seit Jahren eine Rolle. Wir achten bei neuen Gesetzen darauf, dass die weibliche und die männliche Form im Gesetzestext auftaucht. Das Gendersternchen kommt nicht vor, weil es auch mit der allgemeinen Gesetzessprache nicht vereinbar ist. 
Bei der Grundordnung gab es immer wieder kleinere Änderungen und jedes Mal wurde aus der Synode gefragt, ob wir nicht auch die weibliche Form hineinnehmen müssten. Es geht aber nicht, das nur in einzelnen Artikeln so zu handhaben und in anderen nicht. Deswegen wollten wir jetzt einen Schnitt machen und das durchzuziehen. 

Auch das Thema Flucht sorgt für Aufregung. Wie wichtig ist da eine eindeutige Positionierung der Kirche?

Dittmann: Bei humanitären Fragen ist der Kernbereich der kirchlichen Arbeit berührt. Da kann man sich nicht neutral verhalten oder den Kopf in den Sand stecken, sondern man muss sich positionieren. 

In Ihrer Präses-Zeit gab es auf dem Gebiet der EKKW mehrere Tragödien: Hanau, Volkmarsen und der Mord an Walter Lübcke. Wo ist die Kirche da gefragt?

Dittmann: Ein Kernpunkt, der auch von der Öffentlichkeit erwartet wird, ist das Auffangen der unmittelbaren Krisensituation durch Gedenkveranstaltungen, Gottesdienste und Notfallseelsorge. Das ist eine unserer Kernkompetenzen. Daneben beziehen wir klar Position gegen Menschenverachtung, Gewalt und anderes, das den friedlichen Diskurs im Gemeinwesen in Frage stellt. Da war der Adventsempfang aus Hanau ganz wichtig, wo Betroffene deutlich zu Wort gekommen sind. 

Und dann noch Corona: Was hat die Kirche richtig gemacht – was nicht?

Dittmann: Wichtig und richtig war es, Besonnenheit und einen klaren Kopf zu behalten. Richtig war es auch, dass an vielen Orten Ideen entwickelt wurden, zum Beispiel «Gottesdienste To Go» und viele digitale Angebote. Es gab auch mancherorts einen Einkaufsservice. All das war sehr gut.
Wo wir zu lange geschwiegen haben, war als Seelsorge auf Krankenstationen und in der Sterbebegleitung in Altersheimen nicht geleistet werden durfte. Das war zum Teil unmenschlich, was da passiert ist. Ich bin aber froh, dass wir nach der schwierigen Anfangsphase inzwischen zu guten Lösungen gekommen sind.

Was wird Ihnen ohne Synode auf keinen Fall fehlen?

Dittmann: Ich bin seit insgesamt 24 Jahren in der Synode und im Rat der Landeskirche. Ich hatte jenseits der Synodentagungen jedes Jahr zehn oder elf ganztägige Sitzungen. Die werden mir keineswegs fehlen.

Zur Person:

Dr. Thomas Dittmann (70) wurde in Melsungen geboren und studierte Jura und im Nebenfach Theologie. Er war Vorsitzender Richter des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel. Seit 1998 saß er im Rat der Landeskirche und der Landessynode, seit 2016 als Präses. Außerdem war er mehr als 30 Jahre Kirchenvorsteher in Kassel-Brasselsberg. Für sein Engagement erhielt er den Ehrentitel Kirchenrat. Dittmann hat vier erwachsene Kinder.

(17.03.2022)