Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 03 Jun 2015

Schwalmstadt-Treysa (medio). Vor siebzig Jahren entstand die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im hessischen Treysa. Am Samstag (30.5.) erinnerten aktuelle und ehemalige Mitglieder des Rates der EKD gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck bei einem Festakt im Hessischen Diakoniezentrum «Hephata» an die Gründung.

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, blickte in seiner Predigt in der Andacht zur Eröffnung auf die Anfänge im Jahr 1945. Kurz nach Ende des Krieges seien die 120 hohen Herren in schäbigen Anzügen und mit Kartoffeln im Gepäck nach Treysa gereist, teilte die EKD mit. «Die Versammelten haben nicht nur Kartoffeln mitgebracht, sondern auch Pläne für einen Neuanfang der Evangelischen Kirche – Pläne, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können», sagte der Ratsvorsitzende.

Der Historiker Jochen-Christoph Kaiser zeichnete in einem Vortrag unter dem Titel «Kontinuität und Neubeginn» die unterschiedlichen Pläne nach: Menschen verschiedener evangelischer Bekenntnisse und Lebensläufe kamen in Treysa zusammen. Drei Tage diskutierten sie im August 1945, wie es mit der Kirche nach der Katastrophe des Nationalsozialismus weitergehen soll.

In seiner Ansprache ging Heinrich Bedford-Strohm der Frage nach, woher die in Treysa Versammelten die Kraft nahmen und sagte: «Die Antwort ist im Grunde ganz einfach, und im Konkreten doch ein unablässiges und oft mühevolles Unterfangen: Durch das Hören und Sich-Ausrichten auf Gottes Wort und Gottes Geist.»

Und dies gelte auch heute noch für die Kirche, die durch die Zeit immer wieder neuen Herausforderungen begegne, denn aus dem Glauben wachse auch eine Verantwortung: «Dass wir uns heute mit Denkschriften an die Öffentlichkeit wenden, hat in dieser auf dem Boden von viel Irrtum und daraus entstandenen Leid gewachsenen Erkenntnis seine Wurzel.»

Auch Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, wies in seiner Begrüßung auf das hin, was die Aufgabe der Kirche damals und heute verbindet: «Wir erleben einen tiefgreifenden Wandel. Die Zeit der Selbstverständlichkeiten ist vorbei. Für unsere Landeskirchen heißt das: enger zusammenrücken, Strukturen vereinfachen und verflüssigen, aber auch: entschieden, klar, deutlich und vernehmlich die Stimme des Evangeliums laut werden lassen», so der Bischof.

Bereits im Vorfeld des Festaktes zeigte sich Bischof Hein stolz darüber, dass sich der Beginn der EKD auf dem Kirchengebiet der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vollzogen hat: «Wir freuen uns, dass der gesamte gegenwärtige Rat der EKD in Treysa ist, um in Augenschein zu nehmen, wo die Gründung des Rates stattgefunden hat», so Hein gegenüber der landeskirchlichen Medienagentur «medio».

Die Konferenz im August 1945 habe gezeigt, dass der Wille, eine gemeinsame evangelische Kirche zu gründen, deutlich vorhanden war. Es habe damals zwar immer noch starke konfessionelle Gegensätze zwischen Lutheranern, Unierten und Reformierten gegeben. Doch 70 Jahre später sieht Hein diese weitgehend überwunden. «Ich glaube, dass 1945 von Treysa aus ein guter Weg zu mehr Gemeinsamkeit des Protestantismus in Deutschland beschritten worden ist. Treysa war gewissermaßen kurz nach dem Krieg die Initialzündung», so der Bischof.

Im Hephata-Kirchsaal war nach der Andacht ein Empfang vorgesehen, bei dem Pfarrer Maik Dietrich-Gibhardt für den Vorstand des Hessischen Diakoniezentrums «Hephata» und Dekan Christian Wachter für den Evangelischen Kirchenkreis Ziegenhain Grußworte sprachen. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Begegnungstagung in Treysa war neben der amtierenden Präses Irmgard Schwaetzer auch Jürgen Schmude, der von 1985 bis 2003 Präses der Synode der EKD war. Die ehemaligen Ratsvorsitzenden Landesbischof i. R. Klaus Engelhardt, Bischof i. R. Wolfgang Huber, Bischof i. R. Martin Kruse und Präses i. R. Nikolaus Schneider nahmen ebenfalls an der Tagung teil. Bereits am Freitag (29.5.) tagte der Rat der EKD regulär im Kasseler Haus der Kirche.


Impressionen vom Festakt in Schwalmstadt-Treysa

Stichwort: Evangelische Kirche in Deutschland und Rat der EKD

In Deutschland gibt es zurzeit 20 evangelische Landeskirchen, die die Evangelische Kirche in Deutschland bilden. Die EKD besteht seit 1945, als am 31. August die Kirchenkonferenz von Treysa die vorläufige Ordnung der EKD beschloss und einen Rat einsetzte. Die Grundordnung wurde am 13. Juli 1948 in Eisenach verabschiedet. Sie definiert die EKD als «Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen».

Die EKD hat nach ihrer Grundordnung drei Leitungsorgane: die Synode, die Kirchenkonferenz und den Rat. Die Synode besteht aus 126 von den synodalen Organen der Gliedkirchen gewählten und zwanzig vom Rat berufenen Mitgliedern; sie ist gesetzgebende Gewalt, beschließt den Haushalt der EKD und wählt in Gemeinschaft mit der Kirchenkonferenz den 15-köpfigen Rat, an dessen Spitze zurzeit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm als Vorsitzender steht. Der Rat führt die Geschäfte zwischen den jährlich stattfindenden Synoden. Die Kirchenkonferenz wird von den Kirchenleitungen der Gliedkirchen gebildet. Sitz ist das Kirchenamt in Hannover. (30.05.2015)

Im Wortlaut:

Lesen Sie hier den Vortrag von Prof. Dr. Jochen-Christoph Kaiser zum Thema «Treysa, August 1945 – Kontinuität und Neubeginn» im Wortlaut:

PDf-Dokument

Internetradio:

Diakonin Martina Bender von der Besucherbegleitung in Hephata und Bischof Martin Hein über die Ereignisse im August 1945. Ein Beitrag von medio-Reporter Thorsten Scheuermann:

Linktipp:

Informationen zur Evangelischen Kirche in Deutschland finden Sie im Internet unter:

ekd.de