Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 06 Okt 2008

Wittenberg (epd/medio). Rund zehn Jahre vor dem Reformationsjubiläum 2017 hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihre Lutherdekade gestartet. Neben der Erinnerung an die historischen Ereignisse von 1517 sollen in den kommenden zehn Jahren aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft aufgegriffen werden, sagte der Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Stefan Rhein, in der Elbestadt Wittenberg. Ein weiterer Schwerpunkt der Dekade sei, Fragen nach Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und Zivilcourage «neu zu diskutieren», wie dies auch Luther getan habe.

Anlass der bundesweiten Lutherdekade, die bereits am 21. September mit einem Gottesdienst und einer Festversammlung in der Schlosskirche in Wittenberg eröffnet wurde, ist der legendäre Thesenanschlag von Martin Luther (1483-1546) am 31. Oktober 1517 in Wittenberg. Das Ereignis gilt als Beginn der Reformation. Im September 1508 kam Luther erstmals nach Wittenberg.

Im Laufe der zehnjährigen Veranstaltungsreihe sind eine Vielzahl von Workshops, Fachtagungen, Lesungen und Vorträge geplant, erläuterte Rhein, der zugleich Geschäftsführer des Lenkungsausschusses zur Vorbereitung des Reformationsjubiläums ist. Die Dekade wäre «verschenkt», wenn sie sich nur auf einen Rückblick beschränken würden. Vielmehr gehe es um ein «Reflektieren in die Zukunft».

EKD-Ratsvorsitzender Wolfgang Huber: «Eine Dekade der Freiheit»

In seiner Festrede anlässlich der Eröffnung der Dekade erklärte der Vorsitzende des Rates der EKD, Bischof Wolfgang Huber, mit der Person Martin Luthers sei eine Faszinationskraft verbunden, die Entdeckerfreude auslöse. Luthers Glaubenseinsicht, dass die Gnade Gottes ein Geschenk ist, könne auch heute «existentielle Kraft» erschließen. Luthers Thema der Freiheit sei von unüberbietbarer Aktualität. Die Lutherdekade solle eine «Dekade der Freiheit» sein.

Heute zeige sich aufs Neue, wie sehr Menschen in aller Welt sich nach der Freiheit von Not und Angst sehnen, so der Ratsvorsitzende. «In einer Zeit, in der eine globale wirtschaftliche Dynamik die Verarmung großer Bevölkerungsschichten nicht etwa aufhält, sondern beschleunigt, bekommt die Frage nach der Freiheit von Armut und Not erneute Dringlichkeit.»

Angesichts von weltweit agierendem Terrorismus und irregulärer Kriege werde Furcht zu einem Alltagsthema. Zugleich spürten die Menschen, dass materielle Sicherungen allein weder Frieden noch wirklichen Wohlstand bringen. Das wiedererwachte Interesse an Religion führe aber nicht allein zu einer neuen Aufmerksamkeit für die Botschaft des Evangeliums, sondern auch zu vielen Varianten einer «marktgängigen Religiösität», die mit einfachen Antworten den Sinn des Lebens zu beschreiben suchten.

Martin Luther habe sich, anders als diese «Schwarz-Weiß-Bilder», nicht über die Rätsel und Ausweglosigkeiten des Lebens hinweggesetzt. «Zu der Freiheit, die er lehrte, gehörte auch die Bereitschaft, der Anfechtung standzuhalten, und die Verborgenheit Gottes nicht zu übertünchen oder zu übertönen.» In seiner Erkenntnis, dass alle gute christliche Theologie eine Theologie des Kreuzes sei, liege ein wichtiges Gegengewicht zum Fortschrittsoptimismus der Moderne.

Luther hatte ein nüchternes Bild vom Menschen. «Er pries die im Glauben geschenkte Freiheit deshalb so hoch, weil er davon überzeugt war, dass der Mensch von sich aus unfrei ist, ein Gefangner der Sünde, auf sich selbst fixiert, ein in sich verkrümmtes Wesen.» Deshalb sei die Lutherdekade auch kein «Jubeljahrzehnt», sagte Huber. Auch die Schatten und Grenzen der Person Luthers, sein «mitunter polemischer Charakter, seine ambivalente Rolle in den Bauernkriegen, seine beschämenden Aussagen zu den Juden und sein Kommentar zu den Expansionsbestrebungen des Osmanischen Reichs» dürften bei Gedenkveranstaltungen nicht ausgespart werden.

Die Zusage der Freiheit, die Luther im Glauben fand, bewahre die Menschen aber auch davor, in ihrer egoistischen Verkrümmung zu verharren. «Gerade weil Gott jedem Menschen den aufrechten Gang schenkt, kann jeder Mensch die Knie beugen: zum Gebet zu Gott wie zum Einsatz für den Nächsten», so der Ratsvorsitzende. (06.10.2008)

Linktipp:

Weitere Informationen zur Lutherdekade finden Sie im Internet unter:

luther2017.de