Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 22 Mai 2017

Kassel (medio). «Ein Leuchtturm für Lampedusa!» mitten in Kassel.  Mit Hilfe von Material von Flüchtlingsbooten hat der Künstler Thomas Kilpper den Kirchturm der Kasseler Karlskirche zum Leuchtturm umgestaltet. Der Kirchturm und die Ausstellung in der Kasseler Karlskirche sind Teil des Ausstellungsprojektes «Luther und die Avantgarde». Die Ausstellung in Kassel wurde am Sonntag (21.05.) mit einem feierlichen Gottesdienst mit Bischof Martin Hein eröffnet. Die Ausstellung läuft vom 19. Mai bis zum 17. September 2017. Zentraler Ausstellungsort des Projektes «Luther und die Avantgarde» ist das Alte Gefängnis in der Lutherstadt Wittenberg, in dem 66 Künstler ihre Arbeiten zeigen, teilte die Pressestelle der Evangelischne Kirche von Kurhessen-Waldeck mit. In der Karlskirche in Kassel sind Einzelpräsentationen der indischen Künstlerin Shilpa Gupta und der Künstler Thomas Kilpper (Berlin, Bergen) & Massimo Ricciardo (Turin) zu sehen.
 

Der Kirchturm der Karlskirche wird zum Leuchtturm für Flüchtlinge

Thomas Kilpper widmet sich in seiner Arbeit «Ein Leuchtturm für Lampedusa!» der aktuellen Flüchtlingsthematik. Er verwandelt den Glockenturm unter Verwendung von Material von Flüchtlingsbooten in ein Symbol der Orientierung. Ergänzt wird die Installation durch die Arbeit «Inventuren der Flucht» von Thomas Kilpper & Massimo Ricciardo.

Es handelt sich um eine Installation von Gegenständen, die Flüchtlinge auf ihrer Überfahrt nach Europa verloren haben. Von Shilpa Gupta sind vier Kunstwerke zu sehen, die sich mit dem gesprochenen Wort auseinandersetzen. Das Hauptwerk ist die Klangskulptur «I Keep Falling at You», die die Macht der Sprache im digitalen Zeitalter thematisiert. Wie ein riesiger Bienenschwarm hängen mehr als tausend Mikrofone von der Decke, aus denen Flüstern und Singen zu hören ist. Von Gupta sind mit «Heat Book», «Nothing Will Go on Record» und «24:00:01» drei weitere Arbeiten zu sehen, die sich mit der Macht des geschriebenen Wortes sowie Redefreiheit und Zensur auseinandersetzen.

Neben Ausstellung in Kassel gibt es ein umfassendes Begleitprogramm mit Andachten, einer Gottesdienstreihe, Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Künstlergesprächen, Musik, Führungen und vielem mehr geben. Eine Jugendprojektwoche und eine Unterrichtsreihe «Die Bilder sind frei» sind ebenfalls geplant.

Hein: Reformation hat die Künste in die Freiheit entlassen

Bischof Hein zeigt sich bei der Eröffnung der Ausstellung erfreut, dass es gelungen sei, für die Kasseler Karlskirche die international renommierten Künstler Shilpa Gupta und Thomas Kilpper zu gewinnen. Die Künstler hätten sich auf das weite Ideenspektrum der Reformation auf beeindruckende Weise eingelassen. Sie setzten sich in ihren Kunstwerken mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen auseinander. Dabei sei die künstlerische Freiheit von großer Bedeutung: «Denn nicht zuletzt war es die Reformation, die die Künste in die Freiheit entlassen hat.» Nur so könne Kirche wichtige Impulse von der Kunst erhalten. Die Künstler bewegten sich in der Tradition Luthers, der seinerzeit religiöse, soziale und politische Entwicklungen in Gang gesetzt habe, die bis heute Wirkung zeigten: «Luther war Avantgardist».
 

Smerling: Künstler sind Seismographen ihrer Zeit

Walter Smerling, Sprecher des Kuratoriums und Vorsitzender der Stiftung für Kunst und Kultur e.V., ergänzt, dass die Themen, die Luther bewegt hätten, heute so relevant wie damals seien. Dafür müssten immer wieder neue Antworten gefunden werden. Künstlern käme dabei eine besondere Rolle zu: «Künstler sind dafür prädestiniert. Sie sind Seismographen ihrer Zeit, die für ihre Antworten Gedanken zu bildlicher Wahrnehmung verdichten.» Smerling berichtet, er sei überrascht gewesen, in welchem Maße auch «eingefleischte Atheisten oder Künstler aus nicht-christlichem Umfeld auf unser Thema angesprungen» seien. Für die Künstler sei Luthers kritischer Geist und seine klare Haltung Anlass genug gewesen, die eigene künstlerische Position in Bezug auf gesellschaftliche Fragen zu artikulieren. Und die Tatsache, dass man nicht in einen typischen Ausstellungsraum gehe, sondern die Ausstellung im Gefängnis und in zwei Kirchen zeige, habe viele Künstler zusätzlich motiviert.
 

Kleine: Kunstwerke reflektieren notwendigen interkulturellen Dialog

Susanne Kleine, die Kuratorin des Standortes Kassel, erläutert, dass in der Ausstellung in der Karlskirche unterschiedliche künstlerische Positionen zusammenspielten und eine inhaltliche Brücke zueinander und zu den Besuchern bildeten. Das Konzept trage der Geschichte der Karlskirche als Zufluchtsort für französische Glaubensflüchtlinge auf aktuelle Weise Rechnung. Nach Ansicht von Kleine reflektierten die Kunstwerke einen notwendigen interkulturellen Dialog in der heutigen Gesellschaft. «Kunst existiert nicht im Elfenbeinturm, sondern im gesellschaftlichen und kulturellen Kontext.» Sie trüge zur Schärfung der Sinne, zu Toleranz und zur Akzeptanz von Andersartigkeit bei.
 

Böhle: Kunst bietet Anknüpfungspunkte für Gemeindearbeit

Die Gemeindepfarrerin der Kasseler Karlskirche, Ingeborg Böhle, sieht eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten für Gottesdienste und Abendandachten während der Ausstellungszeit. Die von Kilpper und Ricciardo aufgeworfenen Fragen nach Verantwortung für Menschen, die aus Kriegsgebieten geflohen sind, und die von Gupta thematisierte Macht der Sprache beschäftigten auch die Kirchengemeinden.

Internationale Gegenwartskunst trifft auf das «geistige Modell» Luther: Das ist der Ausgangspunkt der Ausstellung «Luther und die Avantgarde», die die Stiftung für Kunst und Kultur e.V. gemeinsam mit dem Reformationsjubiläum 2017 e.V, der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und der Berliner Stiftung St. Matthäus in Wittenberg, Berlin und Kassel präsentieren.
Weiterer Projektpartner ist die St. Matthäus-Kirche in Berlin, die Arbeiten der britischen Künstler Gilbert & George zeigt. Insgesamt setzen sich für «Luther und die Avantgarde» 70 internationale Künstlerinnen und Künstler mit impulsgebenden Gedanken der Reformation auseinander, die bis heute nicht an Aktualität verloren haben. (22.05.2017)

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