Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 12 Mär 2008

Marburg (epd). Die beiden evangelischen Kirchen in Hessen haben ein Forschungsprojekt über Christen jüdischer Herkunft in Auftrag gegeben. «Sie litten nach 1933 unter derselben Verfolgung wie sogenannte Volljuden», sagte der Marburger Pfarrer Jörn Jakob Klinge dem epd. Klinge untersucht, wie diese evangelischen Christen wegen ihrer «Rasse» zwischen 1933 und 1945 von den Nationalsozialisten verfolgt wurden.

Die betroffenen Personen seien wegen Heirat zum christlichen Glauben übergetreten. «Oder sie waren schon um die Jahrhundertwende konvertiert, weil sie zur Gesellschaft gehören wollten», so Klinge. Viele hätten am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Doch obwohl diese Menschen «voll assimiliert» waren, gerieten sie ins Fadenkreuz der Nazis. In den Akten, die Klinge untersuchte, schilderten sie ihre Verfolgungssituation. Oftmals wurde ihnen eine Scheidung nahegelegt; vielfach verloren sie ihre Ämter.

Einige Landeskirchen schlossen die «christlichen Nichtarier» aus den Gemeinden aus, und der Gottesdienstbesuch wurde ihnen verboten. In Einzelfällen seien sie aber auch von Gemeinden oder Pfarrern geschützt worden. «Es ist ein Personenkreis, der zwischen allen Stühlen saß», berichtete Klinge über seine bisherigen Ergebnisse. Die konvertierten Juden fanden weder in jüdischen Organisationen eine Heimat noch in christlichen Gemeinden, wo sie oft weiterhin als Juden galten.

Ab 1944 verschärfte sich die Situation: In Kassel beispielsweise brachten Nationalsozialisten die Christen jüdischer Herkunft in ein Zwangsarbeitslager. Durch seine Forschung in mehreren hessischen Archiven habe er bisher 200 Personen gefunden, berichtete der Pfarrer. «Es ist aber noch eine willkürliche Zahl.» Der Theologe sucht deshalb weitere Zeitzeugen, Historiker oder Pfarrer, die in Kirchenbüchern Einträge darüber gefunden haben. Das Projekt ist auf zwei Jahre angelegt.

Ansprechpartner: Pfarrer Jörn Jakob Klinge, Telefon 06421/3400172, E-Mail: klinge.forschungsprojekt@ekkw.de (12.03.2008)