Unser Archiv-Foto zeigt den aufgebahrten Sarg von Dr. Walter Lübcke vor einem Jahr bei der Trauerfeier in der Kasseler Martinskirche. (Foto: Andreas Fischer)

Unser Archiv-Foto zeigt den aufgebahrten Sarg von Dr. Walter Lübcke vor einem Jahr bei der Trauerfeier in der Kasseler Martinskirche. (Foto: Andreas Fischer)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 03 Jun 2020

Kassel/Wiesbaden (epd/medio). In einem ökumenischen Gedenkgottesdienst ist am Donnerstagabend (4.6.) in Kassel des vor einem Jahr in Wolfhagen ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gedacht worden. Der frühere evangelische Dekan des ehemaligen Kirchenkreises Wolfhagen, Gernot Gerlach, würdigte Lübcke laut Redemanuskript als einen Waldecker Protestanten, der unerschrocken und couragiert Haltung gezeigt habe. An dem Gottesdienst in der Kirche Sankt Elisabeth nahmen auch die Familie Lübckes sowie Abgeordnete aus Bundestag und Landtag sowie Vertreter aus der Kommunalpolitik teil.

Gerlach beklagte in seiner Predigt einen sich verstärkenden Ungeist von Menschenverachtung, Antisemitismus und fanatischem Nationalismus in Deutschland. «Wo dieser Ungeist wuchert, lassen Hetze, Hass, Gewalt und Mord nicht lange auf sich warten», sagte er. Es gebe ein bundesweites Netzwerk von Rechtsextremisten, das die Demokratie angreife und über Leichen gehe. Die Hasspropaganda von etlichen Gruppierungen und der AfD vergifte das gesellschaftliche Leben.

Angesichts dieses Ungeistes rief Gerlach unter Verweis auf den Theologen Dietrich Bonhoeffer zur Zivilcourage auf. Dies sei die Tugend gewesen, die Bonhoeffer bei den Deutschen am meisten vermisst habe, als die Saat des Hasses in der NS-Zeit aufging. Im Gedenken an den ermordeten Walter Lübcke sei klar, dass tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen angesichts des Bösen keine christlichen Handlungen seien, dies sei vielmehr die Zivilcourage. «Das ist die Verpflichtung für uns im Glauben», sagte er.

Der Gottesdienst, zu dem die evangelische und die katholische Kirche in Kassel eingeladen hatten, war auf Anregung von Organisationen aus dem «Kasseler Bündnis gegen Rechts» zustande gekommen. Von katholischer Seite wirkte Pastoralreferent Stefan Ahr bei der liturgischen Gestaltung mit. Aufgrund der Corona-Pandemie konnte nur eine beschränkte Besucherzahl zugelassen werden.

Andacht der CDU-Landtagsfraktion im Hessischen Landtag

Am ersten Jahrestag der Ermordung (2.6.) gedachte die CDU-Landtagsfraktion Lübcke im Hessischen Landtag. «Es ist ein Tag, der schmerzt. Sein Mord ist ein furchtbares und unvorstellbares Verbrechen, das uns nach wie vor tief betroffen und fassungslos macht. Unser ehrendes Gedenken und unsere tiefe Anteilnahme gelten in dieser traurigen Zeit ihm und seiner Familie. Wir halten die Erinnerung an ihn und seine Arbeit wach», schreibt die Fraktionsvorsitzende Ines Claus auf der Facebookseite der Fraktion. Mit dem Walter-Lübcke-Demokratie-Preis des Landes Hessen würde seiner auch zukünftig gedacht und Persönlichkeiten, Vereine oder Institutionen ausgezeichnet, die sich in besonderer Weise für demokratische Werte einsetzten. Die Andacht wurde u.a. von Bischöfin Dr. Beate Hofmann und Ministerpräsident Volker Bouffier gestaltet und ist auf YouTube abrufbar.

Aufzeichnung der Andacht auf dem Youtube-Kanal der CDU Fraktion im Hessischen Landtag.

Mitarbeitende des Kasseler Regierungspräsidiums gedachten per Video-Andacht

Mit einer in der Kasseler Stadtkirche Sankt Martin aufgezeichneten Videoandacht gedachten die Mitarbeitenden des Regierungspräsidiums Kassel ebenfalls am Dienstag (2.6.) ihres vor einem Jahr ermordeten Regierungspräsidenten. Die Andacht des evangelischen Stadtdekans Michael Glöckner, bei der auch Mitarbeiter des Regierungspräsidiums mitwirkten, konnte im Intranet der Behörde verfolgt werden, teilte das Regierungspräsidiums mit. Leitgedanke war der biblische Satz: «Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit» (2. Tim. 1,7).

Der Mord an dem beliebten Behördenleiter Walter Lübcke hatte in ganz Deutschland, aber vor allem unter den Bediensteten des Regierungspräsidiums Entsetzen und tiefe Trauer ausgelöst. «Aus Sicht des Regierungspräsidiums ist der heutige Jahrestag für die Trauerarbeit so etwas wie eine zumindest kalendarische Zäsur», sagte Regierungspräsident Hermann-Josef Klüber (CDU). «Es ist bitter für uns, dass wir an diesem Tag die Andacht nicht wirklich gemeinsam feiern können», bedauerte er die Umstände angesichts der
Corona-Pandemie. (05.06.2020)