Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 02 Mär 2006

Kassel (medio). In einem ausführlichen Interview mit der landeskirchlichen Medienagentur «medio!» hat der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, kurz nach seiner Rückkehr von der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Porto Alegre eine Bilanz der Vollversammlung gezogen und Perspektiven der zukünftigen Zusammenarbeit aufgezeigt.

Hein forderte in dem Interview: «Die ökumenische Bewegung muss wieder Fahrt bekommen». Er unterstrich, dass der Ökumenische Rat dabei eine führende Rolle gewinnen müsse. Es reiche nicht aus, sich nur mit Strukturfragen zu beschäftigen, sondern der Rat müsse neue Impulse geben, «dass Kirchen aufeinander zugehen und wir deutlicher als bisher als Christen in dieser Welt erkennbar sind», sagte Hein.
Der Kasseler Bischof zeigte sich beeindruckt von der «bunten Vielfalt unterschiedlicher Kirchen, die vereint sind im Ökumenischen Rat und damit auch im gemeinsamen Glauben» und betonte die Wichtigkeit des Weltkirchentreffens: «Ich möchte der Einschätzung, es habe sich weitgehend um eine belanglose Veranstaltung gehandelt, widersprechen. Wir brauchen den Ökumenischen Rat der Kirchen als ein Forum, um in dieser Welt gegenüber anderen großen Organisationen deutlich unsere Stimme als Christen erheben zu können», so Hein gegenüber medio. Für die Zukunft forderte Hein eine Konzentration der Aufgaben am Sitz des Ökumenischen Rates in Genf. «Wir müssen weniger tun und die Aufgaben begrenzen, aber wir müssen das, was wir tun, gut machen», betonte Hein.

Deutsche nicht nur Globalisierungsgewinner - Gegen Klassenkampfparolen

Hinsichtlich der Globalisierungsdebatte, die in Porto Alegre geführt wurde,  unterstrich Hein, dass durch den freien Austausch von Waren und von Arbeitsplätzen manche Regionen sehr stark ins Hintertreffen gerieten. Daher sei es verständlich, dass die Kirchen hier für die Armen eintreten. Es genüge aber nicht, hier «Klassenkampfparolen» wieder zu beleben, so Hein. Er mahnte in diesem Zusammenhang mehr differenzierten Sachverstand an und bedauerte, dass dieser in Porto Alegre manchmal zugunsten einer «kämpferischen Rhetorik» verloren gegangen sei. 
Die Deutschen seien, so Hein, «mitnichten nur Globalisierungsgewinner», was ihnen allerdings oft von Vertretern der südlichen Erdkugel unterstellt oder vorgeworfen werde. «Sondern wir sind inzwischen auch Verlierer dieser globalen Situation», sagte der Bischof. Es komme jetzt verstärkt darauf an, global zu denken und den Bedingungen vor Ort entsprechend zu handeln.

Konsensverfahren einüben - Fragen der Bio- und Gentechnik nach vorne bringen

Zum umstrittenen, in Porto Alegre erstmals auf einer Vollversammlung des ÖRK praktizierten «Konsensverfahren» äußerte sich der Bischof positiv: «Insgesamt ist es ein durchaus sinnvolles Verfahren, das allerdings in den nächsten Jahren noch eingeübt werden muss», sagte Hein, der auf der Vollversammlung wieder in den Zentralausschuss des ÖRK gewählt wurde. In diesem Gremium will Hein sich verstärkt für eine Diskussion der Fragen der Lebenswissenschaften einsetzen. Sein Anliegen sei es, die Fragen der Bio- und Gen-Technologie weiter nach vorne zu bringen. Der Bischof unterstrich, dass nach seiner Auffassung die Fragen der neuen Technologien das Menschenbild im 21. Jahrhundert entscheidend bestimmen werden.

Skepsis gegenüber «Weltkirchentag» - Plädoyer für Konzentration der Arbeit des ÖRK

Hein äußerte sich auch zur Zukunft der Vollversammlung des ÖRK: «Die einen bevorzugen eine Entwicklung hin zu einer Art Weltkirchentag - gewissermaßen das deutsche Modell auf Weltebene, wo unterschiedlichste Initiativen und Aktionen sich präsentieren um miteinander ins Gespräch zu kommen. Andere, zu denen ich selbst gehöre, befürworten eher die Konzentration der Arbeit in der Vollversammlung als dem maßgeblichen Entscheidungsgremium, dass die Leitlinien für die jeweilige siebenjährige Arbeit in Genf festlegt» sagte der Bischof. Darüber müsse jetzt diskutiert werden. (03.03.2006)

Interview:

Lesen Sie hier das medio-Interview mit Bischof Dr. Martin Hein im Wortlaut:

Internetradio:

Hören Sie hier einen Beitrag zum Thema von Christian Fischer:

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Thema:

Zur 9. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Porto Alegre finden Sie viele Informationen zur Versammlung und zum ÖRK im Bereich 'Thema':