Foto vom Erstdruck der Barmer Theologischen Erklärung.

Foto vom Erstdruck der Barmer Theologischen Erklärung.

Wuppertal/Kassel, Redaktion epd
Veröffentlicht 31 Mai 2024

Mit einem Festgottesdienst ist am Freitag (31.5.) in Wuppertal an die Veröffentlichung der Barmer Theologischen Erklärung vor 90 Jahren erinnert worden. Was 139 Protestanten aus ganz Deutschland damals erkannt und bekannt hätten, sei auch 2024 hochaktuell, sagte die kurhessische Bischöfin Beate Hofmann in ihrer Predigt in der Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen, in der das wegweisende christliche Bekenntnis beschlossen wurde. Sie verwies auf das heutige Ringen um eine Kirche in Vielfalt und die Überwindung kolonialer Denkmuster.

Das Bekenntnis von 1934 müsse zudem weiterentwickelt werden, sagte die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck laut Redetext. Dazu müsse man «an einer Kirche arbeiten, die in ihren Strukturen und Räumen vor Gewalt schützt, Verantwortung übernimmt, Liebe glaubwürdig lebt und um die richtigen Wege in die Zukunft ringt».

Am 31. Mai 1934 hatten 139 evangelische Synodale aus lutherischen, reformierten und unierten Kirchen in der Gemarker Kirche die Barmer Theologische Erklärung beschlossen. Sie legten damit das theologische Fundament für die Bekennende Kirche und wandten sich gegen die NS-treuen «Deutschen Christen», die der NSDAP nahestanden. Es sei damals vor allem um die Frage gegangen, «ob die rassistische und antisemitische Ideologie der Nationalsozialisten auch in der Kirche
gelten soll», sagte Hofmann. In der Erklärung sei präzise und konzentriert festgehalten worden, «was vom Evangelium her zu sagen war».

90 Jahre Barmer Theologische Erklärung

31. Mai 2024

Wortlaut der Predigt von Bischöfin Dr. Beate Hofmann im Gottesdienst am 31.5.2024 in Wuppertal.

Die «Deutschen Christen» hatten versucht, die NS-Weltanschauung und das Führerprinzip auch in der Kirche durchzusetzen. Diesem Anspruch widersetzte sich die Barmer Synode: In ihrer Erklärung aus sechs Thesen verwahrte sie sich gegen Irrlehren, bekannte sich zu «evangelischen Wahrheiten» und stellte das Evangelium von Jesus Christus als «unantastbare Grundlage» der Kirche ins Zentrum. Die Erklärung bekräftigte auch die Trennung von Kirche und Staat.

Auch heute sei es «plötzlich nicht mehr selbstverständlich und nicht mehr harmlos», für Demokratie einzustehen, gegen völkische Ideologie einzutreten und sich vom Evangelium leiten zu lassen, sagte Hofmann: «Es kann zu Shitstorms und Morddrohungen, zu tätlichen Angriffen und massiven Ängsten führen.» Zu den «schmerzhaften Versäumnissen» der Barmer Erklärung zählt die 60-jährige Theologin, dass das Papier zur Verfolgung der Juden vollständig geschwiegen habe. «Wir müssen bekennen: Barmen hat sich auf die Kirche beschränkt und den bleibenden Bund Gottes mit Israel ignoriert», erklärte sie.

Eine zweitägige Fachkonferenz in der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (KiHo) mit rund 200 Wissenschaftlern und Kirchenvertretern befasste sich bis Samstag unter dem Motto «Was Erinnern macht - Macht der Erinnerung» mit dem bedeutenden kirchenhistorischen Bekenntnis. Zum Festprogramm gehörte auch die Möglichkeit zum Besuch der vor zehn Jahren eröffneten Dauerausstellung in der Gemarker Kirche.

Virtuelle Ausstellung

Die Schau mit dem Titel «Gelebte Reformation - Die Barmer Theologische Erklärung» greift unter anderem die Themen Reformation, Kirchenkampf und Verantwortung auf. Außerdem ist im Internet eine virtuelle Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche von Westfalen abrufbar - in diesem Archiv in Bielefeld wird das Original der Erklärung verwahrt.

Erklärung gilt als Bollwerk gegen die NS-Ideologie

Mit der Barmer «Theologischen Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche» hatten sich 139 Delegierte aus lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen von der NS-Weltanschauung abgegrenzt. Damit legten sie das theologische Fundament für die Bekennende Kirche. Die Erklärung wurde nach Ansicht von Experten zum theologischen Bollwerk des Kirchenkampfes gegen die sich ausbreitende NS-Ideologie.

Nicole Kuropka, Inhaberin des Lehrstuhls für Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal, warnte allerdings davor, die Erklärung historisch zu überhöhen. Es habe sich um eine theologische Erklärung gehandelt und nicht um eine «Widerstandserklärung gegen Adolf Hitler». Auch wenn es sich für die Synodalen um ein «enorm mutiges Bekenntnis» gehandelt habe, sei es damals primär um die Unabhängigkeit der Kirche gegangen.

Die dem NS-Staat ergebenen «Deutschen Christen» hatten versucht, die NS-Weltanschauung und das Führerprinzip auch in der Kirche durchzusetzen. Diesem Anspruch widersetzte sich die Barmer Synode: In ihrer Erklärung aus sechs Thesen verwahrte sie sich «in einer Zeit gemeinsamer Not und Anfechtung» gegen Irrlehren, bekannte sich zu «evangelischen Wahrheiten» und stellte das Evangelium ins Zentrum.

In den wissenschaftlichen Vorträgen der Tagung an der Kirchlichen Hochschule ging es unter anderem um die Frage, wie die Synodalen sich zu der Erklärung verhalten haben und inwieweit die Bekennende Kirche als «Gründungsnarrativ der Evangelischen Kirche im Rheinland» gedient hat. Kuropka sprach sich für eine «differenzierte Sicht» auf die Erklärung und ihre Bedeutung aus.

Der Pfarrer der Kirchengemeinde Gemarke-Wuppertal, Frank Schulte, verwies darauf, dass die Barmer Erklärung für eine «Klarheit» in der Theologie stehe, die die Kirche und die Gemeinde auch in der Gegenwart dazu aufrufe: «Nehmt eine Haltung ein!» Über die Bedeutung der Barmer Theologischen Erklärung informiert auch eine Dauerausstellung in der Gemarker Kirche, die dort seit 2014 zu sehen ist.

Die Barmer Theologische Erklärung bei ekd.de

Die Theologische Erklärung der Bekenntnissynode in Barmen vom 31. Mai 1934 ist die zentrale theologische Äußerung der Bekennenden Kirche unter der nationalsozialistischen Herrschaft 1933-1945. Sie richtete sich gegen die falsche Theologie und das Kirchenregime der so genannten «Deutschen Christen», die damit begonnen hatten, die evangelische Kirche der Diktatur des «Führers» anzugleichen. Die Evangelische Kirche hält den gesamten Wortlaut und eine Einführung zur Erklärung im Internet bereit unter www.ekd.de

Sonderseite des Kirchenkreises Wuppertal

Viele Informationen rund um Barmer Theologische Erklärung und zu einer Ausstellung dazu in der Gemarker Kirche in Wuppertal finden sich auf der Sonderseite des Evangelischen Kirchenkreises Wuppertal unter www.barmen34.de