Der Comedian Atze Schröder im blick-Interview über sein Engagement gegen Extremismus, Witze und die Rolle der Kirchen.
blick in die kirche / Olaf Dellit
Veröffentlicht 23 Mär 2024

In der Öffentlichkeit bist Du ausschließlich als Deine Bühnenfigur bekannt. Doch dann gab es diese Markus-Lanz-Sendung, in der Du die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi um Entschuldigung für die Taten Deines Vaters im Zweiten Weltkrieg gebeten hast. Wie hast Du diesen Moment erlebt?

Atze Schröder: Das habe ich als Moment erlebt, den ich nicht im Griff hatte. Da war null Absicht dahinter. Und ich musste mich nach der Sendung erst mal für eine Stunde alleine zurückziehen. Markus Lanz, mit dem ich ja auch befreundet bin, kam irgendwann zu mir und meinte: Was war das? Es war für mich einer der schönsten Momente in meinem Leben. Ich habe sehr viel Zuspruch dafür bekommen. Natürlich bin ich auch angegriffen worden. Es gibt ja immer irgendwelche Idioten, die dann sagen: Vaterlandsverräter! Bis heute habe ich einen sehr guten Kontakt zu Eva Szepesi.

Am Ende der Sendung hast Du gesagt: «Wir dürfen das nie vergessen.» Hat Dich das dazu gebracht, öffentlich politisch Stellung zu beziehen, so wie jetzt gegen Rechtsextremismus?

Atze: Das hat mit Sicherheit dazu beigetragen. Ich habe danach auch meine Biografie geschrieben und hatte nie vermutet, dass es so viel Interesse an meiner Privatperson gibt. Ja, das war schon eine Initialzündung, jetzt auch in der Öffentlichkeit mal etwas mehr den Mund aufzumachen.

Wie wichtig ist es, dass sich Menschen aus der Kultur, auch aus Schlager und Comedy, positionieren? 

Atze: Ich glaube, das ist sehr wichtig. Das war die, sagen wir mal: schweigende Mitte, die noch bei klarem Menschenverstand ist und immer dachte, der Extremismus verschwindet wieder. Aber wir, und da nehme ich mich mit rein, haben jetzt geschnallt, dass man eben auch etwas tun muss und dass eine Demokratie wehrhaft sein muss. Das macht mir sehr viel Mut.

Rechtsextreme setzen auf Ab- und Ausgrenzung. Glaubst Du, dass Nächstenliebe als Rezept dagegen tauglich ist?

Atze: Nächstenliebe ist das Rezept überhaupt für unser Zusammenleben. Wenn es eine christliche Botschaft gibt, die mich zu 100 Prozent abholt, dann ist es: «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.» Da ist alles drin, was wir fürs Zusammenleben brauchen. Und wenn wir unseren Nächsten lieben, werden wir ihm auch keine Gewalt antun.

Wie definierst Du «Nächstenliebe» für Dich?

Atze: Ich versuche, meinen Mitmenschen nicht so auf die Nerven zu gehen. Aber ich möchte auch Positives in die Welt tragen, nicht nur dadurch, dass ich die Menschen von der Bühne runter am Abend zwei Stunden zum Lachen bringe. Ich bin jemand, der mit viel positiver Energie in den Tag modern ausleben; näher an der Realität und der Alltagswirklichkeit der Menschen. Das gelingt in der evangelischen Kirche etwas besser als in der katholischen. Man sollte nicht zu dogmatisch sein. Wenn man jetzt teilweise über 50 Geschlechter spricht, dann kann man Angst davor haben und sagen: Nein, das gibt es nicht. Oder man kann sagen: Sehr interessant, was Gott in seiner Vielfalt alles darstellt im wirklichen Leben.

Du bist als «Der Erlöser» auf Tour. Da gab es Ärger, habe ich gelesen.

Atze: Es gab dazu sogar eine Zeitungsanzeige von einem Pärchen aus Wuppertal. Die kennen das Programm gar nicht, haben sich aber durch den Titel schon provoziert gefühlt. Da musste ich ein bisschen schmunzeln, weil «Der Erlöser» nicht heißt, dass das Programm religiös ist. Erlösung wird uns an vielen Stellen versprochen, wir kennen das aus der Werbung. Es gibt ein Duschgel, das heißt: «Ich mache dich glücklich». Das Versprechen finde ich viel schlimmer. Ich sehe den Erlöser eher so im Kleinen, dass man mal die Schulter zum Anlehnen hat, mal jemanden in den Arm nimmt und vielleicht Kontakt aufnimmt zu Freunden, die man lange nicht gesehen hat. In diesen Zeiten, wo alles ein bisschen instabil ist, ist es ganz gut, wenn sich jemand hinstellt und sagt: Lass uns auf Gott vertrauen, es wird schon gut.

Humor überschreitet Grenzen, tut vielleicht sogar weh. Ein Widerspruch zur Nächstenliebe?

Atze: Es darf weh tun, aber es muss auch Sinn machen für den Gag. Ich breche kein Tabu, nur um das Tabu zu brechen. Durch schlechte Laune ist noch nie ein Problem gelöst worden, insofern ist es manchmal auch ein Brustlöser, wenn man über harte Situationen einfach mal lacht.

Hast Du zum Abschluss noch einen wirklich menschenfreundlichen Witz auf Lager?

Atze: Ich habe in meinem neuen Programm eine Nummer darüber, wie ich mir einen Wohnwagen kaufe. Und der schönste Spruch zum Thema ist: Camping ist die Fähigkeit, die eigene Verwahrlosung als Urlaub zu begreifen.

Die Fragen stellte blick-Redakteur Olaf Dellit. 

Zur Person

Atze Schröder steht seit Mitte der 1990er-Jahre auf deutschen Comedybühnen. Bekannt wurde er im Quatsch Comedy Club und später mit der Hauptrolle in der Serie «Alles Atze». Zu sehen war er auch als Hofnarr im Kinofilm «7 Zwerge – Männer allein im Wald» von Otto Waalkes, in dem unter anderem auch Heinz Hoenig, Ralf Schmitz, Martin Schneider, Nina und Cosma Shiva Hagen mitwirkten.

Schröder hat mehrere Bücher, darunter das autobiografische «Blauäugig – Mein Leben als Atze Schröder» veröffentlicht. Auch im Podcast-Bereich ist Schröder aktiv, gemeinsam mit dem Psychologen Dr. Leon Windscheid spricht er in «Betreutes Fühlen» über Themen wie Einsamkeit, Familie und Liebe. Unter dem Titel «Zärtliche Cousinen» gibt es zudem einen gemeinsamen Podcast mit Till Hoheneder, der in den frühen 90ern im Comedy-Duo «Till und Obel» bekannt wurde.

Atze Schröder wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter etliche Deutsche Comedypreise sowie die «1-Live-Krone» und der «Recklinghäuser Hurz». Über sein Privatleben, also über den Menschen hinter der Figur Atze Schröder, ist nicht viel bekannt. Der Künstler schirmt seine wahre Identität so gut wie möglich von der Öffentlichkeit ab. Mehr zu Atze, zu den Podcasts und zur Tour unter www.atzeschroeder.de

Titelblatt der Ausgabe Nächstenliebe von blick in die kirche
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