«Engel der Kulturen»: Die Skulptur zeigt die drei abrahamitischen Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam in einem Kunstwerk, stellvertretend für alle Kulturen und Religionen. Unser Foto enstand vor dem Kasseler haus der Kirche.

«Engel der Kulturen»: Die Skulptur zeigt die drei abrahamitischen Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam in einem Kunstwerk, stellvertretend für alle Kulturen und Religionen. Unser Foto enstand vor dem Kasseler haus der Kirche.

blick in die kirche / Olaf Dellit
Veröffentlicht 23 Mär 2024

JUDENTUM

Man sollte nicht vergessen, dass das Christentum als jüdische Abspaltung entstand. Wenn Christen vom Alten oder Ersten Testament sprechen, sprechen sie über die heiligen Bücher des Judentums. Der entscheidende Satz «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst» steht genau dort, genauer im Buch Levitikus (19,18), gilt also für Juden wie Christen. Jesus hat ihn später aufgenommen.

Gott ist den Menschen nach jüdischem Verständnis zu nichts verpflichtet, das Leben und die Schöpfung hat er ihnen aus freien Stücken geschenkt. Wer diesem göttlichen Vorbild nacheifern will, befolgt die religiösen Gebote (Mitzwa), eines davon ist Tzedaka, das Gebot der Nächstenliebe. Im jüdischen Verständnis ist das Tun wichtig.

ISLAM

Eine der fünf Säulen des Islam ist Zakat, die obligatorische Spende, erläutert Pia Stamer. Dabei ist genau festgelegt, wer wie viel und wann spenden soll. Gedacht sind die Spenden unter anderem für Sklaven, Arme und andere Bedürftige innerhalb der islamischen Religionsgemeinschaft (Umma). Zakat dient zum einen der Läuterung, dem Bewusstwerden, dass menschlicher Besitz ein Geschenk Gottes ist. Zum anderen verbindet es die Umma untereinander als soziales Sicherheitsnetz. Daneben gibt es Sadaqa, die freiwillige Spende, die auch an Angehörige anderer Religionen gegeben werden kann.

BAHAI

Diese relativ junge Religion (19. Jahrhundert) sieht die anderen Religionsstifter als Propheten Gottes, die die Religion gewissermaßen immer wieder aktualisieren. Die Anhänger und Anhängerinnen des Bahaitums gehen davon aus, dass alle Religionen einen wahren Kern haben. Angestrebt wird universeller Frieden als höchstes Ziel der Menschheit. Der Religionsstifter Bahá’u’lláh verglich die Menschheit mit einem Körper. So wie dort unterschiedliche Zellen existieren und sich unterstützen, so sollte jeder Mensch sich seinen Mitmenschen verpflichtet sehen.

BUDDHISMUS

Stamer erzählt eine Jataka-Geschichte, in der ein Ehepaar zu Siddharta Gautama (Buddha) kommt und wünscht, dass er sie Eltern nenne. Denn seine Eltern waren sie tatsächlich – in vielen früheren Leben. Diese Lehrgeschichte soll illustrieren, dass nach buddhistischem Verständnis alles mit allem verwandt ist: «Alle sind eine Schicksalsgemeinschaft und sollten voller Mitgefühl füreinander sein.»

Wichtig ist im Buddhismus Dana, die Gabe. Am besten ist es dabei zu geben, ohne eine Gegenleistung zu erhoffen, möglichst sogar anonym. Alles Leid auf der Welt wird nach buddhistischer Lehre von den «drei Geistesgiften» verursacht: Verblendung, Gier und Hass. Angestrebt werden Uneigennützigkeit, Güte und Wissen. Jeder buddhistisch praktizierende Mensch verringert dadurch das Leid in der Welt und hilft so auch seinen Nächsten.

HINDUISMUS

Der Oberbegriff Hinduismus steht für eine Vielzahl religiöser Traditionen, die auf dem indischen Subkontinent entstanden sind und sich zum Teil auch gegenseitig ausschließen. Sie eint ein übergreifender Glaube an Dharma, das Weltgesetz, das jedem Lebewesen einen Platz zuweist, an eine unsterbliche Seele, die sich in einem ewigen Kreislauf der Wiedergeburt befindet, und daran, dass eine Erlösung aus diesem Kreislauf möglich ist.

Teil des Dharmas ist die soziale Ordnung des Kastensystems, aber auch soziale Tugenden, die jeder Mensch befolgen sollte. Hierzu zählen beispielsweise Mildtätigkeit, Mitgefühl und Güte.

Die Begriffe unterscheiden sich, aber das Eintreten für den oder die Nächste ist den großen Religionen wichtig, oft zentral. Diese Übersicht gibt dabei nur einen ersten oberflächlichen Einblick in komplexe, vielfältige Religionen, die oft unterschiedliche Strömungen und Traditionen vereinen.

Zur Person
Das Portraitfoto zeigt Pia Stamer

Pia Stamer hat in Marburg Religionswissenschaften studiert und arbeitet für den Verein «gewaltfrei handeln» in Diemelstadt-Wethen. Der Verein tritt für eine gewaltfreie Konfliktkultur und eine zivile Sicherheitspolitik ein. 

Titelblatt der Ausgabe Nächstenliebe von blick in die kirche
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