Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 26 Feb 2020

Hanau (medio/epd). Seit der Terrortat in Hanau am 19. Februar 2020 nehmen viele Menschen Anteil und trauern um die Opfer. «Allen, die betroffen sind, möchten wir unsere tief empfundene Anteilnahme zum Ausdruck bringen», sagte der Dekan des Evangelischen Kirchenkreises Hanau, Dr. Martin Lückhoff. «Unser Mitgefühl gilt den Familien und Angehörigen der Opfer. Wir stehen für ein unbedingt friedliches und gutes Miteinander der verschiedenen Religionen und Kulturen und pflegen dies seit Jahren in freundschaftlicher Verbundenheit. Daran soll auch diese schreckliche Tat nichts ändern», sagte der Dekan kurz nach dem Ereignis.

In vielen Kirchen wurde in den Folgetagen in Gottesdiensten, Mahnwachen und Schweigeminuten der Opfer gedacht und ein Zeichen gegen den Rassismus gesetzt.

Wir dokumentieren hier ausgewählte Aktionen:

Mahnwache am 29. Februar in Treysa: «Wir stehen zusammen in Schwalmstadt»

Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Akteure aus Schwalmstadt und dem Schwalm-Eder-Kreis ruft gemeinsam dazu auf, ein Zeichen zu setzen für Frieden und Solidarität. Unter dem Titel «Wir stehen zusammen in Schwalmstadt» veranstaltet das Bündnis am Samstag, 29. Februar, um 13 Uhr eine Mahnwache in der Treysaer Bahnhofstraße in Höhe des Cafés Viehmeier, heißt es in einer Mitteilung.

«Schwalmstadt bleibt bunt», zitiert Björn Keding, Geschäftsführer der Diakonischen Gemeinschaft Hephata, eine seit mehreren Jahren immer wieder von engagierten Bürgern und Initiativen formulierte Aussage. Durch den rassistischen Anschlag von Hanau und durch Meldungen über Rechtsextreme im Schwalm-Eder-Kreis sei das Eintreten für eine offene Gesellschaft aktuell einmal mehr von hoher Bedeutung. «Wir wollen gemeinsam Gesicht zeigen und dabei auch der Opfer des Attentats gedenken», so Keding, der im Namen des Aktionsbündnisses die Veranstaltung beim städtischen Ordnungsamt angemeldet hat.

Die Liste der Unterstützer innerhalb des Aktionsbündnisses sei lang, sie reiche von Kirchengemeinden, Dekanat und Vertretern der Hephata Diakonie über die Stadt Schwalmstadt und den Schwalm-Eder-Kreis bis hin zu Repräsentanten von Schwalmstädter Vereinen. Gemeinsam wollen Sie ein knapp einstündiges Programm gestalten, das mit Bläsermusik beginnt und einer Menschenkette sowie dem Lied «We shall overcome» endet. Für jeweils kurze Redebeiträge angekündigt haben sich unter anderem Dekan Christian Wachter, Erster Stadtrat Lothar Ditter, Jochen Helwig als Vertreter der Vereine sowie Björn Keding und Pfarrerin Annette Hestermann von der Hephata Diakonie. (Hephata Hessisches Diakoniezentrum e.V.)

«We shall overcome» oder auf Deutsch «Wir werden es überwinden»: Der Protestsong aus der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung soll bei der Mahnwache und Menschenkette in der Treysaer Bahnhofstraße erklingen. (Foto: Hephata)

«We shall overcome» oder auf Deutsch «Wir werden es überwinden»: Der Protestsong aus der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung soll bei der Mahnwache und Menschenkette in der Treysaer Bahnhofstraße erklingen. (Foto: Hephata)

Interreligiöse Gedenkfeier im Industriepark Wolfgang, 26. Februar

Rund 80 Mitarbeitende nahmen am Mittwoch (26.2.) an einer interreligiösen Gedenkfeier im Industriepark Wolfgang teil. Standortleitung und Sozialdienst hatten gemeinsam mit dem Team Werksgottesdienst dazu eingeladen. In der Feier gab es christliche, jüdische und muslimische Beiträge.

Pfarrer Wolfgang Bromme von der Lutherkirche Wolfgang sagte einleitend: «Juden, Christen und Muslime glauben, dass Gott der EINE ist. Bei allen Unterschieden der Religionen sind wir doch verbunden in diesem gemeinsamen Bekenntnis.» Pfarrer Dirk Krenzer von der katholischen Pfarrgemeinde Mariae Namen erzählte von einem Wettbewerb um das schönste Bild vom Frieden. Am Ende gewann nicht das harmonischste Bild, sondern eines, bei dem inmitten einer wilden, zerklüfteten Landschaft ein Vogelnest zu sehen war, in welchem die Mutter ihre Jungen hütet. Dazu wurde das Bonhoeffer-Lied «Von guten Mächten wunderbar geborgen» angestimmt und viele sangen mit.

Nach einiger Zeit des Schweigens folgte Niko Deeg, Vorstand der Jüdisch Chassidischen Kultusgemeinde in Hanau. Er begann seinen Beitrag mit dem dreifachen Gruß «Salam, Schalom, Frieden». Deeg rief dazu auf, sich dem Rassismus in all seinen Formen entgegenzustellen. Wir seien als Menschen alle miteinander verbunden und sollten füreinander eintreten. Die Versammlung griff seinen Friedensgruß auf. Der Friede sei mit dir, Schalom und Salam wünschten sich die Kolleginnen und Kollegen gegenseitig.

Mustafa Macit Bozkurt, Imam des Islamischen Vereins Hanau, rezitierte eine Sure aus dem Koran. In seiner anschließenden Rede betonte er, dass die Opfer der Terrortat keine Fremden waren, sondern Hanauer. Er wies darauf hin, dass Moscheegemeinden sich bisher sorglos bei offenen Türen zum Gebet in der Moschee versammelten. Diese Selbstverständlichkeit sei nun durch die Terrortat in Frage gestellt, beklagte Imam Bozkurt.

Zum Abschluss gab Standortleiterin Kerstin Oberhaus eine persönliche Stellungnahme ab, in der sie dazu aufrief, jeder Art von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten. Dabei griff sie noch einmal das Bild von dem schützenden Vogelnest auf. Dann dankte sie ausdrücklich Dr. Torsten Henning vom Team Werksgottesdienst, das diese interreligiöse Feier organisiert und musikalisch begleitet hatte. Das Team veranstaltet seit über zehn Jahren jährlich im Herbst einen ökumenischen Gottesdienst zu aktuellen Themen aus dem Arbeitsleben. Am Ende der Feier versammelten sich viele der Besucherinnen und Besucher zu einem Gruppenbild, um damit ein starkes Zeichen gegen Rassismus zu setzen. (Pfarrer Wolfgang Bromme, Ev. Kirche am Limes)

Starkes Zeichen gegen Rassismus – 80 Mitarbeitende aus dem Industriepark Wolfgang gemeinsam mit den Religionsvertretern. (Foto: Evonik Industries)

Starkes Zeichen gegen Rassismus – 80 Mitarbeitende aus dem Industriepark Wolfgang gemeinsam mit den Religionsvertretern. (Foto: Evonik Industries)

#hanaumanifestoflove - Citypastoral Hanau, 26. Februar

Kunstaktion gegen die Manifeste des Hasses im Rahmen der „Ansprechbar» des Citypastoral Hanau. Menschen sitzen sich gegenüber, schauen sich in die Augen, schweigen gemeinsam - am 26. Februar im Forum Hanau.

Parallel zur Eröffnung von «Ansprechbar», dem vorösterlichen Projekt der evangelischen und katholischen Citypastoral Hanau, lud Pfarrerin und Performancekünstlerin Annegret Zander die Besucher des Forums ein, sich einen Augenblick an ihrer Kunstaktion zu beteiligen und Teil des #hanaumanifestoflove zu werden. «Ich hatte den starken Impuls, dem Hass und Terror etwas entgegenzusetzen», sagte Zander. Ihre Performance im öffentlichen Raum ist so einfach wie wirkungsvoll. Vier Stühle hat die Künstlerin im Forum aufgestellt, jeweils zwei gegenüber. Schweigend sitzt sie mit einem erklärenden Plakat in der Hand und bittet mit einer einladenden Geste, die Menschen Platz zu nehmen. «Ich fühle mich nicht ausgesetzt, sondern sitze in einem geschützten Raum,» sagt sie, inmitten der vorbeieilenden Passanten. Gestartet hatte Zander die Aktion auf dem Hanauer Marktplatz am Brüder-Grimm-Denkmal. (Ulrike Pongratz)

Kirchengemeinde Nidderau-Ostheim, 23. Februar

Predigt von Dr. Lukas Ohly zum Amoklauf in Hanau im Sonntagsgottesdienst in der Kirchengemeinde Nidderau-Ostheim am 23. Februar 2020.

[Predigt als Audio-Datei aufrufen]

Kreuzkirche - Evangelische Stadtkirchengemeinde Hanau, 23. Februar

«Anstatt der Karnevals-Tankstelle waren in der Hanauer Kreuzkirche 40 Menschen im stillen Gedenken vereint. Danke auch dem Hanauer Prinzenpaar und Kinderprinzen - incognito - für Euer Kommen. HANAU STEHT ZUSAMMEN!» (Pfarrer Stefan Axmann)

(Foto: privat)

(Foto: privat)

Evangelischen Kirche Wachenbuchen, 22. Februar

Die Evangelische Kirchengemeinde Wachenbuchen stellte ihren Gottesdienst am 22. Februar 2020 unter das Motto «Die Liebe ist stärker» - Gottesdienst zum Gedenken und für die Hoffnung.

Gedenkgottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen am 21. Februar

Zu einem ersten Gedenkgottesdienst für die Opfer hatte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hanau am Freitag nach der Tat eingeladen.

Brückengemeinde Heldenbergen (Nidderau), 20. Februar

Am Donnerstagabend gab es in der Kirche in Heldenbergen eine Andacht mit dem Kirchenvorstand. Am Freitag war die Kirche zur stillen Andacht geöffnet. Und am Sonntag wurden im Gottesdienst die Namen der Getöteten unter Glockengeläut verlesen und die Angehörigen sowie die Opfer ins Gebet aufgenommen. (Pfarrerehepaar Simone und Markus Heider)

Gebet in der Evangelische Kirche Niederdorfelden, 20. Februar

Einen Tag nach der Tat entschlossen sich die Gemeinden Kilianstädten-Oberdorfelden und Gronau-Niederdorfelden, ein Gebet für die Toten, Verletzten, Angehörigen und Rettungskräfte um 19 Uhr in der Evangelischen Kirche Niederdorfelden anzubieten. Eingeladen wurde über die Ortsvorsteher, den Bürgermeister, die KV-Mitglieder, örtliche Vereine und die Sozialen Medien. Während des Gebets kam es zu Stille, Glockengeläut und viele Teelichter erhellten den Altarbereich. Gekommen waren ca. 250 Personen. (Pfarrerin Elisabeth Krause-Vilmar)

Kerzenmeer in der Evangelischen Kirche Niederdorfelden. (Foto: privat)

Kerzenmeer in der Evangelischen Kirche Niederdorfelden. (Foto: privat)

Gymnasium Hohe Landesschule Hanau, 20. Februar

«Wir haben am Donnerstag in einer Schweigeminute am Gymnasium Hohe Landesschule Hanau (HOLA) der Opfer und ihrer Angehörigen gedacht. Die Schulseelsorge stand den ganzen Tag für SchülerInnen zur Verfügung, viele kamen, um Anteil auszudrücken, aber auch Ängste um die eigenen Freunde und Familie, manche hatten bekannte unter den Opfern und suchten Trost. Am Freitag wurden Steine beschriftet und als Unendlichkeitssymbol um das alte HOLA-Tor ausgelegt. Ein eigentlich naturwissenschaftliches Symbol, dass dennoch über die Grenzen der Religionen hinaus sprirituelle Deutung erfährt: Unendlich die Fragen, auch die Anfragen an Gott angesichts des Leides, unendlich auch seine Zuwendung auch im Leid, unendlich - auch auf der anderen Seite unseres Horizontes gibt es Perspektiven.» (Hermann Trusheim, Schulpfarrer des Gymnasiums)

Viel Anteilnahme auch in den Sozialen Medien

Seit der Tat in Hanau begleitet die Onlineredaktion des Medienhauses der EKKW die Menschen auch auf Facebook. In dem Sozialen Netzwerk nehmen viele Menschen Anteil und reagieren auf die Postings.

Notfallseelsorge und offene Kirchen direkt nach der Tat

Insgesamt sieben Notfallseelsorgekräfte hielten in der Nacht nach dem Anschlag mit den Angehörigen den Schmerz und die Ohnmacht aus oder begleiteten die Einsatzkräfte nach ihrem Einsatz. Auch am folgenden Tag standen Pfarrer und Mitarbeitende betroffenen Angehörigen zur Seite. Einige der Opfer waren in kirchlichen Einrichtungen wie dem Jugendzentrum Kesselstadt und der Fachstelle Pilot bekannt und geschätzt, so Dr. Lückhoff weiter. Die Mitarbeitenden dort seien tief bestürzt gewesen. Schulpfarrerinnen und -pfarrer hatten in Schulen seelsorgerliche Begleitung angeboten und schafften so Raum, der Trauer Ausdruck zu verleihen.

Runder Tisch der Religionen: Hanau muss weltoffen bleiben

Die Mitglieder des Runden Tischs der Religionen in Hanau bekräftigten in einer am Dienstag (25.2.) verbreiteten Erklärung ihren Einsatz für ein weltoffenes Hanau: «Unsere gemeinsame Überzeugung ist, dass Hanau eine offene, tolerante, lebensbejahende, lernende Stadt ist und bleiben muss, in der allen Menschen mit dem nötigen Respekt begegnet wird. Das gilt seit der Aufnahme von Glaubensflüchtlingen Ende des 16. Jahrhunderts. Das ist Vermächtnis auch für die Zukunft», heißt es darin wörtlich. Die Toten seien keine Fremden, sondern in der Rhein-Main-Region fest verwurzelte Menschen gewesen. Alle gesellschaftlichen Gruppierungen müssten sich nun noch stärker dafür einsetzen, Vorurteile abzubauen und Brücken zu bilden. Dem Gremium gehören Vertreter aus 36 Kirchen und religiösen Gemeinschaften an, darunter auch die evangelische und katholische Kirche in Hanau.

Zentrales Friedensgebet der Evangelischen Kirche am Aschermittwoch

Genau eine Woche nach den Morden von Hanau hat die evangelische Kirche am Aschermittwoch (26.2.) eingeladen. Die Veranstaltung, die von Bischöfin Dr. Beate Hofmann und Dekan Dr. Martin Lückhoff geleitet wurde, richtete sich über konfessionelle Grenzen hinweg an alle Menschen, denen der Frieden in der Gesellschaft am Herzen liegt. Musikalisch begleitet wurde das Gebet von der Hanauer Kantorei.

Trauerakt am 4. März mit Bundespräsident und Kanzlerin

Zwei Wochen nach den rassistischen Morden von Hanau wollen das Land Hessen und die Stadt in einem gemeinsamen Trauerakt der Opfer gedenken. Zu den Trauerfeierlichkeiten am 4. März werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier erwartet, teilte die Stadt Hanau. Der Trauerakt ist für den Abend im Veranstaltungszentrum Congress Park Hanau geplant und soll auf öffentliche Plätze in der Stadt übertragen werden. Steinmeier und Bouffier hatten bereits am Tag nach der Tat die hessische Stadt besucht. «Nach momentaner Planung» werde nun auch Bundeskanzlerin Merkel nach Hanau kommen, um am zentralen Trauerakt der Opfer teilzunehmen. (26.02.2020)

Linktipp:

Den Evangelischen Kirchenkreis Hanau finden Sie im Internet unter:

kirchenkreis-hanau.de