Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 22 Mär 2006

Kassel (epd). Der Reichtum in Deutschland hat nach Auffassung von Klaus Heidel im Jahr 2005 eine neue Rekordhöhe erreicht. Vor allem in den 90er Jahren sei das Geldvermögen enorm angestiegen, so der Mitherausgeber der im vergangenen Jahr erschienenen Studie «Jahrbuch Gerechtigkeit 1: Armes reiches Deutschland» im Evangelischen Forum in Kassel. Zugleich habe sich die Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter vertieft. 0,1 Prozent der Haushalte besäßen heute rund ein Drittel des gesamten Geldvermögens.

Heidel widersprach bei seinem Vortrag der weit verbreiteten Auffassung, die Globalisierung sei für den Abbau der Arbeitsplätze in Deutschland verantwortlich. Zwar gebe es solche Einzelfälle tatsächlich, doch sei dies keineswegs die Regel. In den Jahren 1995 bis 2000 seien im Gegenteil rund 300.000 Arbeitsplätze in Deutschland auf Grund der Globalisierung entstanden.

«Die Globalisierung hat vor allen Dingen unsere Wahrnehmung verändert», so Heidel. Die Menschen glaubten heute das, was die Unternehmen seit Jahrzehnten sagten. Drohungen, wegen zu hoher Löhne die Produktion ins Ausland zu verlagern und Arbeitsplätze abzubauen, gebe es bereits seit den 70er Jahren. Deutschland sei heute weltweit das drittgrößte Anlageland für Investitionen, zudem sei es weiterhin Exportweltmeister. Die Standortdebatte sei auf diesem Hintergrund gegenstandslos. Eine verfehlte Steuerpolitik seit 1982 habe dazu beigetragen, dass sich der Staat zunehmend arm mache, erklärte Heidel die derzeitigen Probleme bei den öffentlichen Haushalten. Europaweit liege Deutschland bei den Staatseinnahmen bereits weit unter dem EU-Durchschnitt.

Als Ursache für die gegenwärtigen Probleme sieht Heidel neben der Wiedervereinigung, die 800.000 Arbeitsplätze gekostet habe, ein undurchsichtiges Steuersystem. Es gebe kein anderes Land in Europa, das so viele Schlupflöcher biete. Derzeit sei Deutschland für Unternehmen geradezu eine «Steueroase». (22.03.2006)

Hinweis:

Die Studie «Jahrbuch Gerechtigkeit 1: Armes reiches Deutschland» erschien im November 2005 im Auftrag von 26 kirchlichen Verbänden und Einrichtungen. Hintergrund war das 1997 von der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz herausgegebene «Gemeinsame Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland».