Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 31 Mär 2011

Hannover (epd/medio). Haben Eltern es künftig in der Hand, dass ihre Kinder keine schweren Erbkrankheiten mehr haben? - Mit dieser und anderen Frage beschäftigte sich die evangelische Fernseh-Talkshow «Tacheles», bei der Bischof Prof. Dr. Martin Hein zu Gast war. Hein bezog in der Sendung Stellung zum Thema «Gentest am Embryo: Wird der Mensch zum Schöpfer?» und diskutierte mit anderen Prominenten und einer Betroffenen über die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID), teilte die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit. Bei dem Diagnoseverfahren werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf Erbkrankheiten gentechnisch untersucht.

Bischof Hein lehnt Gentests an künstlich erzeugten Embryonen außerhalb des Mutterleibes strikt ab. «Ich glaube, dass wir uns auf eine schiefe Bahn begeben, auf der es auf Dauer kein Halten gibt», sagte er am Donnerstagabend (31.3.) bei der Aufzeichnung der evangelischen Fernseh-Talkshow «Tacheles» in der Marktkirche in Hannover. Die Grenzen in der Bioethik würden immer mehr aufgeweicht. «Ich halte es für problematisch, dass wir Leben auswählen», warnte Hein. Eine Skala zu erstellen, welches Leben lebenswert sei und welches nicht, sei ethisch nicht vertretbar. Vorgeburtliche Methoden wie das umstrittene Diagnoseverfahren erzeugten einen gesellschaftlichen Druck, dass behinderte Kinder nicht gewollt seien. «Man versucht, behindertes Leben auszuschließen, weil es nur noch als Belastung gesehen wird.»

Die frühere Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) aus Hannover warb dagegen für ihre Position, Gentests an Embryonen bei schweren Erbkrankheiten begrenzt zuzulassen: «Der Gesetzgeber darf keine Frau zwingen, ein behindertes Kind zu bekommen.» Die Entscheidung in einer solchen Konfliktsituation müsse von den Eltern getroffen werden. Der Bundestag wird voraussichtlich im Frühjahr entscheiden, ob die PID erlaubt sein soll.

Auch der Berliner Frauenarzt Matthias Bloechle betonte, die Diskussion müsse von der Freiheit der Frau ausgehen. «Alles andere bedeutet, dass man einer Frau das Recht und die Fähigkeit abspricht, in diesem Punkt verantwortlich zu entscheiden.» Bloechle, der die Gentests anbietet, zeigte sich selbst an, um vor Gericht eine rechtliche Klärung zu erzwingen. Er wurde freigesprochen. Er sieht die PID als Chance für Eltern.

Die Berliner Medizin-Professorin Jeanne Nicklas-Faust warnte dagegen vor einer Auslese von Embryonen: «Wir lassen uns nicht mehr darauf ein, dass ein Leben mit einem Kind auch ein Abenteuer sein kann.» So wachse der Druck auf Eltern behinderter Kinder. Sie müssten sich vor anderen und auch vor Versicherungen für ihr Kind rechtfertigen. Nicklas-Faust hat selbst eine behinderte Tochter und ist Bundesgeschäftsführerin der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung.

Hintergrund

Ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik wurde durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs im Juli 2010 in Deutschland faktisch aufgehoben. Über eine Neuregelung der Zulassung des Diagnoseverfahrens muss der Deutsche Bundestag in den kommenden Monaten entscheiden. Anfang März sprach sich Hein mit dem katholischen Bischof von Fulda, Heinz Josef Algermissen, in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten gegen eine Freigabe der PID aus (siehe Download rechts).

TV-Tipp und Chat

Die Tacheles-Sendung zum Thema «Gentest am Embryo: Wird der Mensch zum Schöpfer?» ist am 17. April um 13 Uhr und 22.30 Uhr auf dem öffentlich-rechtlichen Sender Phoenix zu sehen. (01.04.2011)

Linktipp:

Weitere Informationen zur Fernseh-Talkshow finden Sie im Internet unter:

www.tacheles.tv

Download:

Lesen Sie hier den am 4. März veröffentlichten offenen Brief der Bischöfe Hein und Algermissen, in dem Sie sich gegen eine Freigabe der Präimplantationsdiagnostik aussprechen:

PDF-Dokument