Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 14 Mär 2013

Kassel/Frankfurt a.M. (epd/medio). Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung geht nach Einschätzung der beiden Diakonischen Werke in Hessen an der sozialpolitischen Realität in Deutschland vorbei. Die Berichterstattung müsse von einer unabhängigen Sachverständigenkommission vorgenommen werden, forderte der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werkes Kurhessen-Waldeck e.V., Landespfarrer Horst Rühl, in Kassel. Daran müssten sich auch Nichtregierungsorganisationen beteiligen. «Nur so kommen wir zu einer realistischen sozialpolitischen Bestandsaufnahme, die unabhängig von parteipolitischen Interessen den Mut hat, auch unbequeme Schlussfolgerungen zu benennen.»

Der Bericht banalisiere die Zunahme der Armut in den vergangenen Jahren, kritisierte der hessen-nassauische Diakoniechef Wolfgang Gern in Frankfurt am Main. Damit werde die Chance vertan, Handlungsbedarf aufzuzeigen und daraus Lösungen zu entwickeln. Der Bundesregierung sei es offenbar nur darum gegangen, einen Erfolgsbericht vorzulegen, und nicht darum, soziale Probleme zu benennen, um sie zu bearbeiten, argumentierten Gern und Rühl. Außerdem verzichte der Bericht wie der vor knapp einem Jahr vorgelegte hessische Landessozialbericht auf eine Auseinandersetzung mit den Themen Wohnungslosigkeit und Grundsicherung. Beide Berichte verharmlosten das Problem der Altersarmut und stellten die Zunahme prekärer Beschäftigung als etwas Positives dar, monierten die beiden Diakoniker.

Auch die Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Kassel, Susanne Selbert (SPD), kritisierte den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Auf einer Veranstaltung des Referates Wirtschaft-Arbeit-Soziales des Landeskirchenamtes der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck stellte die Leiterin des Sozial-Dezenats des Landkreises Ende Februar in Kassel fest, dass es noch nie ein so hohes Armutsrisiko gegeben habe, berichtete Pfarrer Karl-Günther Balzer vom Referat. Laut Armutsdefinition der Europäischen Union sei in Deutschland jeder Fünfte arm oder von Armut bedroht, so Selbert.

Die Kreisbeigeordnete kritisierte, dass in dem Bericht der Bundesregierung unliebsame Aussagen getilgt anstatt gegen die wachsende Ungleichheit vorgegangen werde, berichtete Balzer weiter. Stattdessen stelle man angebliche Erfolge auf dem Arbeitsmarkt in den Armutsbericht ein, die nur über sinkende Einkommen und Löhne im Niedriglohnsektor zu Stande kämen, so Selbert. Die Beigeordnete forderte einen neuen Gesellschaftsvertrag, der das Zusammenleben und das Wohlbefinden der Menschen in Stadt und Land fördere. Dafür sei es notwendig, die gegenwärtige Wachstumsideologie zu überwinden und stärker nach den Bedingungen zu fragen, unter denen Menschen lebenswert leben könnten. (14.03.2013)

Linktipp:

Den 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung finden Sie hier:

bundesregierung.de/(...)

Linktipp:

Den Hessischen Landessozialbericht 2012 finden Sie hier:

verwaltung.hessen.de/(...)

Linktipp:

Einen Bericht von der Veranstaltung des Referats Wirtschaft-Arbeit-Soziales finden Sie hier:

ekkw.de/service/(...)