(Grafik: menschen-wie-wir.de)

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Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 29 Apr 2020

Kassel (medio). Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck unterstützt die Forderung der Hessischen Ausländerbeiräte, Gewerkschaften und weiterer Verbände an die hessische Landesregierung nach einem Landesaufnahmeprogramm für Flüchtlinge in Not. In einem Appell unter dem Motto «#MenschenWürdeSchützen – Solidarität geht über Grenzen» ruft ein Trägerkreis der Organisationen die Landesregierung dazu auf, dauerhaft sichere und legale Zugangswege für jährlich mindestens 1.500 besonders verletzliche Flüchtlinge aus Flüchtlingslagern zu schaffen und Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern, die familiäre Beziehungen in Hessen haben, kurzfristig aufzunehmen.

Zudem appellieren die Organisatoren laut einer Mitteilung der Landeskirche an die hessischen Landespolitiker, alle Hebel in Bewegung zusetzen, damit die Bundesregierung ein dauerhaftes Aufnahmeprogramm für im Mittelmeer aus Seenot gerettete Personen, für allein reisende Kinder und kranke Kinder und ihre Familien in griechischen Flüchtlingslagern auflegt. Im Rahmen eines solchen Programms soll die Zusage enthalten sein, pro Jahr mindestens 300 Flüchtlinge mehr aufzunehmen, als es nach dem innerdeutschen Verteilmechanismus (Königsteiner Schlüssel) festgelegt sei.

Zum Trägerkreis des Aufrufs gehören die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Hessen (AGAH), Amnesty International, der Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), der DGB Hessen-Thüringen, der Hessische Flüchtlingsrat, die Liga der Wohlfahrtsverbände, Medico International und Pro Asyl. Neben der Landeskirche unterstützen den Appell die EKHN, Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil (FATRA), New Horizons e.V., Willkommenskultur für Flüchtlinge im Bistum Limburg. Viele weitere würden ab 29. April zur Unterzeichnung angefragt werden, heißt es in der Mitteilung. (29.04.2020)

Wir dokumentieren den Appell im Wortlaut:

«#MenschenWürdeSchützen – Solidarität geht über Grenzen
Landesaufnahmeprogramm für Flüchtlinge in Not - jetzt!

Nach aktuellen Schätzungen des UN-Flüchtlingskommissariats benötigen derzeit mehr als 1,4 Millionen besonders verletzliche Flüchtlinge dringend einen Aufnahmestaat. Viele leben in Lagern unter verheerenden Bedingungen. Ihr Leben, ihre Freiheit, ihre Sicherheit und ihre Gesundheit sind in konkreter Gefahr. Besonders betroffen von dieser Situation sind

  • Flüchtlinge, die selbst oder deren Angehörige Folter oder Gewalt erfahren haben;
  • Flüchtlinge, die dringend auf medizinische Behandlung angewiesen sind;
  • Frauen, die alleine oder mit ihren minderjährigen Kindern auf der Flucht sind;
  • Familien mit heranwachsenden Kindern, die besonderen Risiken ausgesetzt sind;
  • unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Den Versuch, menschenunwürdigen Lebensbedingungen in den Lagern zu entkommen, bezahlen viele von ihnen mit dem Leben. Allein im letzten Jahr sind fast 2.000 Flüchtlinge im Mittelmeer auf der Suche nach Schutz ertrunken, auch weil die staatliche europäische Seenotrettung seit Jahren drastisch eingeschränkt und auch behindert wurde.

Für diejenigen, die von zivilgesellschaftlichen Seenotrettern vor dem Ertrinken bewahrt werden, beginnt ein neuer Hürdenlauf: Kaum ein Land in Europa ist zur Aufnahme bereit. Für jedes Schiff, das in Italien oder Malta anlandet, muss die Verteilung neu ausgehandelt werden. Auf den griechischen Inseln werden zehntausende Geflüchtete in völlig überfüllten Lagern sich selbst überlassen.

Diese Situation ist unter humanitären Gesichtspunkten nicht hinnehmbar und einer den Menschenrechten und der Solidarität verpflichteten Europäischen Union unwürdig.

In Hessen haben Städte wie Marburg, Gießen, Wiesbaden, Darmstadt, Kassel, sowie die Landkreise Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau und der Werra-Meißner-Kreis ihre Bereitschaft erklärt, mehr Geflüchtete aufzunehmen als ihnen regulär zugewiesen werden. Die Stadt Darmstadt und auch mehrere Landkreise wie z.B. der Hochtaunuskreis und der Landkreis Offenbach sind bereit, zusätzlich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen. In vielen hessischen Städten und Gemeinden stehen Unterkünfte und auch Plätze in Jugendhilfeeinrichtungen zur Verfügung oder könnten kurzfristig reaktiviert werden. Die Bereitschaft zu haupt- und ehrenamtlichem Engagement ist weiterhin groß.

Auch der hessische Landtag unterstützt seit Sommer 2019 das Vorhaben der Landesregierung, ein Landesaufnahmeprogramm für Schutzsuchende mit hoher Vulnerabilität aufzulegen. Jetzt gilt es zu handeln.

Deshalb fordern wir die hessische Landesregierung auf:

  • Schaffen Sie mit einem dauerhaften Landesaufnahmeprogramm sichere und legale Zugangswege und eine Lebensperspektive für jährlich mind. 1.500 besonders verletzliche Flüchtlinge aus Flüchtlingslagern!
  • Ermöglichen Sie, dass Menschen aus den griechischen Flüchtlingslagern, die familiäre Beziehungen in Hessen haben, kurzfristig aufgenommen werden.
  • Setzen Sie alle Hebel in Bewegung, damit die Bundesregierung endlich ein dauerhaftes Aufnahmeprogramm für im Mittelmeer aus Seenot gerettete Personen, für allein reisende Kinder und kranke Kinder und ihre Familien in griechischen Flüchtlingslagern auflegt. Setzen sie ein Zeichen, indem Sie der Bundesregierung zusagen, im Rahmen eines solchen Programms pro Jahr mind. 300 Flüchtlinge mehr aufzunehmen, als Sie es nach dem innerdeutschen Verteilmechanismus (Königsteiner Schlüssel) eigentlich müssen!

Menschlichkeit und Solidarität haben in Hessen eine lange Tradition! Die Menschen, für die wir uns mit diesen Forderungen einsetzen, brauchen beides – jetzt!»

Linktipp:

Weitere Informationen finden Sie im Internet unter:

liga-hessen.de