Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 23 Okt 2013

Kassel (medio) Das Landeskirchengericht der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck hat am Mittwoch (23.10.) in einer öffentlichen Sitzung im Haus der Kirche in Kassel eine Klage gegen die Höchstaltersgrenze von 70 Jahren für die Wählbarkeit von Kirchenvorständen der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck verhandelt. Geklagt hatten fünf über 70 Jahre alte Gemeindemitglieder der Evangelischen Kirchengemeinde Johanniskirche Vellmar.

Die mündliche Verhandlung wurde unter dem Vorsitz des Präsidenten des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) a.D., Wolfgang Reimers, geführt. Zur weiteren Gerichtsbesetzung gehörten der amtierende Präsident des Hessischen VGH, Dr. Karl-Hans Rothaug, die Richterin am Hessischen VGH, Dr. Ute Lambrecht, die Dekanin des Evangelischen Stadtkirchenkreises Kassel, Barbara Heinrich, und die Dekanin des Evangelischen Kirchenkreises Rotenburg, Gisela Strohriegl.

Wir dokumentieren die Mitteilung des Landeskirchengerichts zur Urteilsverkündung im Wortlaut:

«Die Höchstaltersgrenze von 70 Jahren für die Wählbarkeit von Kirchenvorständen der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ist rechtlich nicht zu beanstanden

Gemäß Artikel 18 Absatz 1 Satz 2 der Grundordnung (GO) der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) ist für den Kirchenvorstand jedes Gemeindemitglied wählbar, das zur Zeit der Wahl 18 Jahre alt ist und das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Aufgrund dieser Kirchenverfassungsregel wurden in der Evangelischen Kirchengemeinde Johanniskirche Vellmar die Wahlvorschläge für fünf über 70 Jahre alte Kandidatinnen und Kandidaten dieser Kirchengemeinde für die am 29. September 2013 zwischenzeitlich durchgeführte Kirchenvorstandswahl vom dortigen Kirchenvorstand abgelehnt.

Mit ihrer Klage vor dem Landeskirchengericht erstreben diese abgelehnten Bewerberinnen und Bewerber die Feststellung durch das Landeskirchengericht, dass ihre Nichtzulassung zur Wahl des Kirchenvorstandes am 29.09.2013 nichtig ist.

Das Landeskirchengericht wies die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung ab:

Die Klage sei bereits unzulässig, weil primär der Weg über die Wahlanfechtung hätte gewählt werden müssen. Eine Wahlanfechtung haben die Kläger innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist jedoch nicht vorgenommen. Selbst wenn die Feststellungsklage zulässig wäre, sei sie jedenfalls unbegründet.

Die Höchstaltersgrenze von 70 Jahren zur Wahl in den Kirchenvorstand sei mit höherrangigem Recht vereinbar.

Innerhalb des grundgesetzlich garantierten Selbstverwaltungsrechts der Kirchen habe die Landessynode der EKKW sich in der Grundordnung eine Regelung über das Wahlrecht zum Kirchenvorstand geben dürfen, die das passive Wahlrecht auf 70 Jahre begrenze.

Nach Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV), der über Artikel 140 des Grundgesetzes (GG) weiter gelte, ordne und verwalte jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.

Die Grundrechte, insbesondere der Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 GG) und das Menschenwürdegebot (Artikel 1 GG), auf die sich die Klägerinnen und Kläger berufen würden, stellten jedoch kein "für alle geltendes Gesetz" dar, denn diese Grundrechte verpflichteten nur die öffentliche Gewalt, nicht aber die Kirchen in ihrem internen Bereich. Aus dem Status der EKKW als Körperschaft des öffentlichen Rechts ergebe sich nichts anderes.

Soweit die Klägerinnen und Kläger eine Verletzung des Gleichheitsgedankens und des Menschenwürdeprinzips als allgemeines Prinzip geltend machen würden, sei eine solche Verletzung nicht gegeben. Die Landessynode habe mit der seinerzeitigen Festlegung der Altersgrenze den ihr von Rechts wegen vorgegebenen Gestaltungsspielraum nicht verletzt.

Das Menschenwürdeprinzip sei zwar eine Leitvorstellung innerhalb der Kirche, bedürfe aber der Konkretisierung durch die kirchliche Rechtsetzung. Diese sei in Artikel 18 GO erfolgt. Das Kirchenmitgliedschaftsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland schreibe zwar die Mitwirkung der Kirchenmitglieder im Rahmen der kirchlichen Ordnung vor. Diese Mitwirkung finde im Rahmen der kirchlichen Ordnung des Artikel 18 Absatz 1 Satz 2 GO auch statt.

Letztlich stünden rechtliche Gründe der Altersbegrenzung für die Wählbarkeit von Kirchenvorständen also nicht entgegen.

Inwieweit die Höchstaltersgrenze angesichts der tatsächlichen Lebensverhältnisse und der Nichtexistenz von Altersbegrenzungen in der Mehrzahl der übrigen Evangelischen Landeskirchen im Sinne der Vorstellung der Klägerinnen und Kläger und einer großen Zahl der Mitglieder der EKKW abzuändern sei, obliege - ungeachtet der zwischenzeitlich mehrmaligen, aber an der notwendigen Zweidrittelmehrheit gescheiterten Versuche von Landessynodenmitgliedern, die Altersbegrenzung abzuschaffen - nur der Landessynode, nicht aber dem Gericht.

Eine Nichtigkeit der Ablehnung der Kandidaturen für die Kirchenvorstandswahl, also eine offensichtliche Rechtswidrigkeit, konnte das Landeskirchengericht nach allem erst recht nicht feststellen.

Urteil des Landeskirchengerichts der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck vom 23. Oktober 2013 - LKGer 2013-5

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Den Beteiligten steht binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils die Revision an den Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland zu.»

Eindrücke vor und nach der Verhandlung

Informationen erteilt die Geschäftsstelle des Landeskirchengerichts im Büro unabhängiger Geschäftsstellen der Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, Tel. 0561 9378-277, E-Mail: kirchengericht@ekkw.de (23.10.2013)

Download:

Hier können Sie die Mitteilung des Landeskirchengerichts herunterladen:

PDF-Dokument