Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 20 Sep 2010

Marburg (medio). Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und die beiden Diakonischen Werke in Hessen feierten am vergangenen Sonntag (19.9.) erstmals einen gemeinsamen Diakoniegottesdienst. Im Mittelpunkt des Gottesdienstes, zu dem rund 150 Menschen in die Marburger Elisabethkirche gekommen waren, stand das Thema Kinderarmut, teilte der Medienbeauftragte des Sprengels Waldeck und Marburg, Pfarrer Karl-Günther Balzer, mit.

In seiner Predigt nahm der Kirchenpräsident der EKHN, Dr. Volker Jung, Jesu Aufforderung «Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht!» auf und fragte danach, was Kindern in unserer Gesellschaft verwehrt wird. Der Kirchenpräsident verwies darauf, dass Armut in einen Kreislauf führe: «Armut verhindert Bildung. Mangelnde Bildung verschließt den Weg in gut bezahlte Arbeit. Schlechte bezahlte Arbeit oder keine Arbeit bedeutet wieder Armut», so Jung. Christinnen und Christen seien herausgefordert, sich für den Schutz und die Rechte von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Dazu gehöre eine an den Bedürfnissen der Kinder orientierte Berechnung der Hartz IV-Regelsätze und ein Bildungssystem, das nicht nur eine theoretische Chancengerechtigkeit, sondern auch eine reale Teilhabegerechtigkeit biete, forderte Jung.

Der Landespfarrer für Diakonie in der EKKW, Dr. Eberhard Schwarz, zeigte bereits in seiner Gottesdiensteinführung ein bedrückendes Bild in Deutschland auf: Rund drei Millionen Kinder müssten in relativer Armut aufwachsen, so Schwarz. Das sei jedes sechste Kind. In Marburg treffe es jedes fünfte und in Berlin sogar jedes dritte Kind. Kinder seien in Deutschland ein Armutsrisiko, beklagte der Landespfarrer. Beispielhaft verdeutlichte Schwarz, in welche Schwierigkeiten Eltern kämen, wenn sie entscheiden müssten, ob vom geringen Einkommen ein Jeans gekauft oder die Waschmaschine repariert werden muss. Weiter kritisierte er, dass nach der 10. Klasse keine Schülerbeförderung mehr gezahlt werde. Das fehlende Fahrgeld könnten sich Bezieher von Hartz IV nicht leisten, was einen besseren Schulabschluss ihres Kindes verhindere, so Schwarz. Der Diakoniepfarrer forderte eine Korrektur der Regelsätze und realitätsgerechte Kriterien für die Berechnung von Hartz IV, eine tatsächliche Lernmittelfreiheit und verlässliche Perspektiven in der Familienpolitik. «Was wir nicht brauchen, das sind Sparbeschlüsse, die zu Lasten der Schwachen in unserer Gesellschaft gehen,» mahnte der Landespfarrer abschließend.

In dem Gottesdienst kamen aber auch Jugendliche selbst zu Wort. Was Armut für die betroffenen Kinder und Jugendliche bedeutet, das machten zwei Mitglieder der Hip-Hop Band des St. Martin-Hauses im Waldtal deutlich: «Das ist die Gesellschaft, die Kinder kaputt macht, die Kinder verrückt macht. Nachts kein Auge zu bekommen - so schlimm, dass sie sich wie in der Hölle vorkommen - hier gibt es nichts umsonst und du musst um alles kämpfen», rappten sie im Gottesdienst. Weitere Mitwirkende im Gottesdienst waren der Propst des Sprengels Waldeck und Marburg, Helmut Wöllenstein (EKKW), und der Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau, Dr. Wolfgang Gern.
 
Hintergrund:

In der EKKW ist der September traditionell der Monat der Diakonie. Die evangelischen Kirchengemeinden in Hessen sind aufgerufen, sich besonders im Diakoniemonat der diesjährigen Kampagne «Armut bei Kindern» zu widmen. Die Kampagne steht unter dem Motto «Ich brauche dich. Arme Kinder in einer reichen Gesellschaft». Dazu ist eine Arbeitshilfe für den Gottesdienst und andere Veranstaltungen erschienen. (20.09.2010)

Im Wortlaut:

Lesen Sie hier die Predigt zum Diakoniesonntag von Kirchenpräsident Dr. Volker Jung im Wortlaut:

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Impuls

Lesen Sie hier den Impuls im Rahmen des Diakoniegottesdienstes von Landespfarrer Dr. Eberhard Schwarz im Wortlaut:

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Arbeitshilfe:

Unter dem Titel «Ich brauche Dich. Arme Kinder in einer reichen Gesellschaft.» haben die Diakonischen Werke in Zusammenarbeit mit den Landeskirchen in Hessen eine Arbeitshilfe für den Gottesdienst und andere Veranstaltungen herausgegeben:

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