Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 12 Jun 2018

Klimawandel, Wahlen in Hessen und Flüchtlingspolitik in Deutschland, Fußball und Ökumene. In einem Interview mit dem Medienhaus der Landeskirche hat Bischof Prof. Dr. Martin Hein kurz vor seinem Sommerurlaub zu diesen und weiteren aktuellen Fragen Stellung genommen. Hein beantwortete in dem Video-Interview vor der Kulisse der Martinskirche in Kassel auch Fragen, die ihm von Menschen auf dem Hessentag in Korbach gestellt wurden. 

Das Interview führte der Leiter des Medienhauses der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Pfarrer Christian Fischer, am 05. Juni 2018 in Kassel.

Fischer: Wir stehen hier vor der Martinskirche in Kassel und es ist Sommer. Damit Zeit für unser Sommerinterview. Dazu begrüße ich unseren Bischof, Herrn Prof. Dr. Martin Hein.

Bischof Hein: Es freut mich, Herr Fischer.

Fischer: Herr Bischof, Sie predigen hier an der Martinskirche, Sie kennen diese Kirche gut. Welche Beziehung haben Sie zur Martinskirche in Kassel?

Bischof Hein:
Ja, zum einen trage ich natürlich den Namen dieser Kirche als meinen Vornamen. Und als ich hier an der Martinskirche Dekan wurde, titulierte eine Zeitung: Ein Martin für St. Martin. Das ist hängen geblieben. Also, allein schon deshalb habe ich eine enge Beziehung. Wenn Sie viele Jahre in dieser Kirche predigen, dann ergeben sich ganz viele wichtige Momente, an die Sie sich gerne erinnern. Die Martinskirche ist ja seit 1945 die Bischofskirche von Kurhessen-Waldeck. Inzwischen bin ich seit 23 Jahren als Dekan und Bischof an dieser Kirche und deswegen habe ich natürlich eine sehr enge Beziehung.

Fischer: Es ist Anfang Juni und gefühlt haben wir schon einen Großteil des Sommers hinter uns. Hitze, Unwetter, viel Niederschlag, was glauben Sie, sind das schon Anzeichen für den beginnenden Klimawandel?

Bischof Hein: Dass wir den Klimawandel wahrnehmen müssen, das steht völlig außer Frage. Ob der heißeste Mai seit 130 Jahren ein untrügliches Zeichen dafür ist, das kann ich nicht beurteilen, aber es gibt einige Klimaforscher, die sagen, die Sommer werden wärmer, die Winter werden auch wärmer und wir haben stärker mit Orkanen und dergleichen zu rechnen. Ich glaube schon, dass wir uns in einer Zeit befinden, wo wir mit der Klimaerwärmung nicht nur rechnen, sondern wo wir auch alles tun müssen, um sie zu begrenzen.

Fischer: Was wäre da ein konkreter Hinweis? Was ist das Gebot der Stunde?

Bischof Hein: Also, wir versuchen als Landeskirche sehr bewusst, uns der Klimaallianz anzuschließen. Das bedeutet, nicht nur eine einzige Aktion durchzuführen, sondern ein ganzes Bündel von Aktionen. Weniger das Auto zu benutzen, möglichst auf Elektroantrieb umzusteigen, gerade was Stadtfahrten angeht, mehr Ausnutzen von erneuerbaren Energiequellen, stärker Energie einsparen, bewusster einkaufen: also ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Unser Landeskirchenamt ist von der Industrie- und Handelskammer zertifiziert worden mit der sogenannten EMAS Zertifizierung. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg. Wir haben zur Beratung der Gemeinden seit einiger Zeit einen Klimamanager, der ganz genau den Gemeinden sagen kann, wo Energie eingespart werden kann, so dass wir wenigstens unseren Beitrag dazu leisten, dass die Klimaerwärmung nicht fortschreitet.

Fischer: Werfen wir einen Blick auf das politische Klima in Deutschland. Auch das ist heißer geworden. Nach dem Einzug der AFD in den deutschen Bundestag hat sich die Sprache verändert, das Klima ist rauer geworden, Beleidigungen sind wieder an der Tagesordnung. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Bischof Hein: Diese Situation kann ja nicht anders beurteilt werden als katastrophal. Das politische Klima wird schärfer,  vor allem wird es undifferenzierter. Die Parolen ziehen wieder ein. Das können wir alles nicht begrüßen. Allerdings finde ich auch, wir dürfen uns nicht reflexartig jedes Mal empören, wenn uns die AFD einen Knochen hinhält oder ein Seil spannt, über das wir springen sollen. Die Aufmerksamkeit, die die AFD erzeugt, ist zu einem großen Teil eben auch der Tatsache geschuldet, dass ständig darauf reagiert wird. Wir sind gegenwärtig in der Gefahr, dass wir uns die politische Tagesordnung von diesen Krakeelern der AFD vorschreiben lassen. Und ich finde, da kommt es darauf an abzuwägen, worauf reagieren wir und worauf reagieren wir auch nicht. Ich glaube, dass eine ernsthafte parlamentarische Arbeit die Eruptionen, die die AFD erzeugt, allmählich stoppen wird. Die AFD ist auf alle brennenden politischen Fragen gegenwärtig noch eine ernsthafte Antwort schuldig.

Fischer: Ein Thema der AFD ist die Flüchtlingsfrage. Die beschäftigt immer noch offensichtlich viele Menschen. Jetzt, nachdem bekannt wurde, dass im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oft nicht richtig gearbeitet wird. Das hat bei der Bevölkerung Verunsicherung, zum Teil Empörung wachsen lassen. Offensichtlich wusste die Bundeskanzlerin und auch die Bundesregierung sehr früh davon. Wie sehen Sie die Lage?

Bischof Hein: Also, dass jetzt die Empörung zunimmt, ist zunächst einmal schlichtweg festzustellen. Ich kann das zu einem gewissen Grad auch verstehen, weil unsere Demokratie davon lebt, dass wir ein Rechtsstaat sind. Bei manchen schleicht sich der Eindruck ein, spätestens seit dem Sommer 2015 sei unser Staat nicht mehr ein Rechtsstaat in dem Sinne, dass er verlässlich arbeitet. Und wenn man die Vorwürfe, die gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nun aufgekommen sind, ernsthaft überprüft, dann wird man feststellen, dass hier deutliche Fehler gemacht worden sind und man wird nachfragen müssen, wer die Verantwortung für dieses fehlerhafte, schlampige, vielleicht auch korrupte Verhalten trägt. Auf der anderen Seite zu sagen, wir brauchen jetzt keinen Untersuchungsausschuss, das halte ich für problematisch. Natürlich gibt es Strafrechtstatbestände, die überprüft werden müssen. Aber ich würde mir auch wünschen, dass im politischen Bereich genau geprüft wird, ob man bei der Art und Weise, wie Asylsuchende behandelt worden sind, Fehler gemacht hat. Dass das alles Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten ist, das ist bedauerlich, aber es lässt sich nicht ändern. Jetzt ist Transparenz angesagt, damit sich das Klima nicht noch weiter verschärft in Richtung Fremdenfeindlichkeit und  Abwehrhaltungen gegenüber denen, die zu uns gekommen sind. Da hat es schon in den vergangenen zweieinhalb Jahren deutliche Wandlungen gegeben, die ich bedauere.

Fischer: Herr Bischof, wir waren auf dem Hessentag in Korbach und wir haben dort Menschen gefragt, was sie beschäftigt und worüber sie gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen würden. Ein solches Statement schauen wir uns jetzt gemeinsam an:

«Mit den ganzen Kriegen überall auf der Welt. Das nimmt alles überhand. Die ganzen Menschen wissen nicht wohin. Kommen in unser Land. Es gibt aber auch ganz viel arges, was bei uns bereinigt werden müsste, dafür ist keine Zeit, kein Geld oder kein offenes Ohr da und das finde ich schade.»

Ja, Herr Bischof, was sagen Sie dazu?

Bischof Hein: Also, zunächst einmal sind die Sorgen ernst zu nehmen. Man darf sie nicht einfach weg reden, weil sie sich nicht weg reden lassen. Auf der anderen Seite entsteht auch ein falscher Eindruck, wenn man glaubt, es würde nur noch für diejenigen etwas getan, die zu uns kommen, und die eigene Bevölkerung würde vernachlässigt. Das stimmt ja in der Realität überhaupt nicht. Wenn man sich das gegenwärtige Programm der neuen Bundesregierung anschaut: Etwa 10 Milliarden sollen jetzt für die Familienförderung aufgelegt werden. Die wirtschaftliche Situation ist gut, es wird nicht alles nur auf die hohe Kante gelegt und gespart, sondern es wird investiert, auch für die Menschen, die hier leben. Also, da muss man aufpassen, dass man nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschüttet.

Wir sind ein weltoffenes Land, und dazu stehe ich. Insofern werden wir nicht gut beraten sein, wenn wir unsererseits die Grenzen abschotten und eine Festung Deutschland aufbauen. Wir haben die hohe Anzahl von geflüchteten Menschen bei uns aufnehmen können und ich hoffe, dass wir sie auf Dauer auch in unser demokratisches rechtsstaatliches System werden integrieren können.

Fischer: Wir haben ja eine durchaus ambivalente Situation in der Welt: In Teilen haben wir Kriege. Wir haben Vertreibung, wir haben viel Hoffnungslosigkeit. Und dazu in Deutschland einen großen Reichtum und trotzdem eine gewisse Unsicherheit, die wächst. Welche Rolle kann die Kirche in einer solchen Zeit spielen?

Bischof Hein: Ich glaube, dass die Aufgabe der Kirche darin besteht,  für eine nüchterne Einschätzung einzutreten und dafür zu werben. Die Situation in Deutschland ist, verglichen mit anderen Teilen der Erde, unvergleichlich gut. Aber es gibt natürlich gerade dann, wenn es einem gut geht, auch Verlustängste, dass dieser im Laufe der Zeit erarbeitete Status verloren gehen kann. Und da muss man sagen, wir sind eingebunden in einen Zusammenhang der Europäischen Union. Natürlich gibt es da an den Rändern Probleme, aber insgesamt hat sich politisch, wirtschaftlich, aber auch im Gefühl der Menschen mit Europa etwas ergeben, was man nach dem Krieg vor 70 Jahren überhaupt nicht erwartet hätte. Also, zum Schwarzsehen im Blick auf das eigene Leben in Deutschland, aber auch im Blick auf Europa besteht aus meiner Sicht keinerlei Grund.

Fischer: Sie sprechen von Verlustängsten. Nun ist Angst ja oft ein kaum fassbares Phänomen, das man nicht so leicht greifen kann. Was ist denn Ihr Tipp gegen die Angst?

Bischof Hein: Der Tipp gegen die Angst, das ist das Wort Jesu: «In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden». Es gibt also mehr als nur die Angst, die uns beherrscht. Es gibt das Vertrauen auf Gott, das uns bestimmen kann und das uns auch fähig macht, zu konkreten politischen Entscheidungen zu kommen.

Fischer: Werfen wir einen Blick auf unser Bundesland. In Hessen stehen im Oktober Landtagswahlen an. Viele Menschen haben aber das Gefühl, dass sie mit ihrer Stimme nicht mehr so viel bewirken können. Was kann die Politik denn tun, um diesem Eindruck entgegen zu wirken?

Bischof Hein:
Die Politik hat die ganz wichtige Aufgabe, nämlich das, was sie tut, besser zu vermitteln. Das gelingt nicht durch Parolen im Wahlkampf, sondern das gelingt durch eine kontinuierliche Arbeit, aber auch deren Darstellung in der Öffentlichkeit. Inzwischen greifen Politikerinnen und Politiker sehr viel stärker zu den sozialen Medien. Nicht, um Stimmungen zu erzeugen, sondern um das, was sie tun, zu vermitteln. Das ist vielen nicht mehr einsichtig. Eine repräsentative Demokratie, in der wir leben, ergibt sich eben nicht von selbst, sondern sie muss immer wieder erklärt werden, sie muss gedeutet werden, damit wir eine Wertschätzung für dieses System bekommen. Und ich sage ganz offen zu allen: Bitte gehen Sie zur Wahl! Ihre Wahlstimme kann mehr bewirken als Sie denken!

Fischer: Werfen wir auch da einen Blick auf die Rolle der Kirchen. In letzter Zeit wurde kritisiert, dass manche Pfarrerinnen und Pfarrer zu politisch predigen. Wie politisch sollte eine gute evangelische Predigt sein?

Bischof Hein: Da müssten wir uns verständigen über das, was «politisch» heißt. Parteipolitik gehört nicht auf die Kanzel, das ist vollkommen klar. Aber wenn wir zu bestimmten Erscheinungen in unserer Gesellschaft Stellung nehmen, so halte ich das für dringend geboten. Man hat uns lange Zeit vorgeworfen als evangelische Kirche, wir seien zu sehr rot/grün orientiert. Wenn man das einmal konkret nachvollzieht, wird man das nicht bestätigen können. Wir nehmen zu den Fragen Stellung, die die Menschen bewegen. Und das ist zurzeit auch die Frage der Unsicherheit im eigenen Land, das ist das Schwinden der Verlässlichkeit, auch von Bündnispartnern. Die USA treten ja jetzt unter der neuen Regierung viel weniger als befreundete Nation, sondern eher als Gegner auf. Also jemand, mit dem man Deals abschließt, aber nicht mehr auf Vertragstreue pocht. Das verunsichert in der Tat, und dann wird man auch sagen müssen, das finden wir schlecht. Aber, das ist nicht das Evangelium, das uns aufgetragen worden ist, sondern das Evangelium nimmt es mit den Bedingungen unserer Zeit auf und sagt, das Vertrauen auf Gott ist das Entscheidende, was uns Halt gibt und uns die Möglichkeit gibt, auf die Veränderung in unserer Gesellschaft zu reagieren.

Fischer: Wir haben Menschen auf dem Hessentag auch zu dem Themenkomplex Kirche befragt. Folgendes haben sie geantwortet:

«Einen Wunsch hätte ich schon, dass die christlichen Kirchen mehr Ökumene betreiben würden. Vom Papst ist da auch ein Signal ausgegangen und von der evangelischen Kirche ist da auch eine Bereitschaft da. Aber ich finde, wenn das noch verstärkt werden würde, z.B. gemeinsame Gottesdienste gefeiert werden würden, das wäre ein positive Entwicklung.»

«Wie ist das mit dem Abendmahl? Ich bin evangelischer Christ und ich wohne in einem Dorf, in dem die evangelischen Christen in der Minderheit sind und man geht dann auch schon mal in die katholische Kirche und ich muss Ihnen gestehen, ich bin auch schon mal zum katholischen Abendmahl gegangen. Darf ich das?»

Herr Bischof, Ihre Antwort?

Bischof Hein: Unmittelbar auf diese Frage würde ich sagen, aus evangelischer Sicht darf er das natürlich. Er muss sich allerdings mit den Bedingungen auch der katholischen Kirche beschäftigen. Und wenn er den zuständigen katholischen Erzbischof fragen würde, hätte der wahrscheinlich eher Bedenken. Wir laden ja unsererseits auch katholische Christen zur Eucharistie ein, weil wir der Auffassung sind, dass derjenige, der wesentlich im Abendmahl handelt, Jesus Christus selbst ist. Der uns zu sich einlädt und der sich uns in Brot und Wein schenkt. Insofern ziehen wir den Kreis nicht zu eng, sondern sind offen für diejenigen, die am Abendmahl Jesu Christi teilnehmen wollen. Dass es in der katholischen Kirche immer noch große Vorbehalte gibt, zeigt die gegenwärtige Debatte, die unter den katholischen Bischöfen in Deutschland erfolgt. Und wie ein katholischer Bischof auf die konkrete Frage des Interviewpartners antworten würde, vermag ich derzeit nicht zu sagen. Ich würde mir aber wünschen, dass es in der katholischen Kirche zu einer sogenannten eucharistischen Gastbereitschaft kommt, die es evangelischen Christen ermöglicht, ohne Gewissensbisse und ohne Heimlichkeiten am katholischen Abendmahl, also an der Eucharistie teilzunehmen. Ich glaube, dass die Gemeinden an dieser Stelle weiter sind als die theologischen Gespräche, aber ich glaube auch, dass theologisch im Grunde nichts mehr dagegen spricht, sich gegenseitig einzuladen. Das bedeutet ja nicht, dass ein katholischer Priester und eine evangelische Pfarrerin gemeinsam am Altar stehen, das ist vielleicht noch Zukunftsmusik, das wird vielleicht beim Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt praktiziert werden, aber die gegenseitige Einladung zur Eucharistie, zur Gemeinschaft mit Jesus Christus, um die es ja geht, die können wir meines Erachtens theologisch begründet jetzt schon aussprechen.

Fischer: Herr Bischof, kommen wir auf die Rolle des Papstes zu sprechen. Wie sieht diese Rolle des Papstes für einen evangelischen Christen aus, wie könnte sie vielleicht in Zukunft aussehen?

Bischof Hein: Man muss einfach sagen, der gegenwärtige Papst Franziskus hat eine ganze Menge Bewegung in die katholische Kirche gebracht. Und das bedeutet auch starke Impulse für die Ökumene. Als ich die Gelegenheit hatte, im letzten Jahr um diese Zeit dem Papst persönlich zu begegnen, sagte er zu unserer kleinen Delegation: Machen Sie weiter! Ich empfinde das als einen Mut machenden Auftrag. Das verändert vieles. Das verändert festgefahrene Dialoge, das verändert auch die Fronten, mit denen wir uns lange Zeit befunden haben. Und er hat dies ausdrücklich im Reformationsjahr 2017 gesagt, ohne sich jetzt ständig von Martin Luther abgrenzen zu müssen. Ich empfinde den gegenwärtigen Papst als einen wunderbaren Initiator der Ökumene. Er wird im Juni den Weltkirchenrat in Genf besuchen, das ist eine hohe Wertschätzung der Arbeit des Ökumenischen Rates. Es ist seit der Gründung des Weltkirchenrates im Jahr 1948 in Amsterdam das dritte Mal, dass ein Papst in Genf die Mitglieder des Zentralausschusses besucht. Ich bin vor zwei Jahren aus dem Zentralausschuss ausgeschieden, im Hinblick auf den Papstbesuch bedauere ich das, aber ich freue mich, dass der Papst die Gelegenheit wahrnimmt, die Arbeit des Weltkirchenrates nach 70 Jahren zu würdigen.

Fischer: Ein weiteres Großereignis steht ganz im Zeichen der Ökumene: Der Ökumenische Kirchentag in Frankfurt am Main 2021 unter Beteiligung auch unserer Landeskirche. Welches Signal erhoffen Sie sich von diesem Ökumenischen Kirchentag?

Bischof Hein: Die Abstände zwischen diesen Ökumenischen Kirchentagen sind groß. Und die Gemeindemitglieder auf evangelischer wie katholischer Seite erwarten, dass in der Zwischenzeit wirkliche Fortschritte in der gemeinsamen Praxis des Lebens, aber auch in der Praxis des Gottesdienstes erfolgen. Insofern bin ich gespannt, ob es tatsächlich gelingt, eine gemeinsame Feier des Gottesdienstes mit Eucharistie während des Ökumenischen Kirchentages in Frankfurt zu wagen. Wir werden es sehen. Aber die Erwartungen sind jetzt schon groß, denn wir müssen nach zwanzig Jahren gegenüber den Christen beider Konfessionen nachweisen, dass wir uns bewegt haben.

Fischer: Wie sehen Sie denn die Position Ihrer katholischen Kollegen bei diesem Thema?

Bischof Hein: Also, die Mehrheit in der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz hatte sich ja für den Weg ausgesprochen, im Einzelfall evangelische Gemeindeglieder an der Eucharistie teilnehmen zu lassen. Ich glaube, die überwiegende Mehrheit der katholischen Bischöfe befindet sich da auf einem sehr bedachten Weg der Öffnung. Aber es gibt natürlich die Stimmen, die diesen Weg nicht wollen. Die gibt es nicht nur in Deutschland, die gibt es in der katholischen Weltkirche in anderen Erdteilen, wo vor einem deutschen Sonderweg gewarnt wird. Trotzdem, ich finde, es lohnt sich, zumindest für die Regelung, die man jetzt gefunden hat, einzutreten.

Fischer: Also, große Erwartungen an den Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main?

Bischof Hein: Ja, auch wenn ich dann nicht mehr im Dienst seien werde, hoffe ich doch, daran teilzunehmen und ein wenig zu sehen, ob die Früchte, die wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gelegt haben, weiter aufgehen.

Fischer: Ökumene ist ein Thema, das beschäftigt viele Menschen. Ein anderes Thema ist der Fußball. Auch hierzu eine Frage aus Korbach

«Ich habe gehört, dass Sie Eintracht Frankfurt Fan sind und die haben jetzt im DFB Pokal gewonnen. Ob Sie denn auch gefeiert haben auf dem Römerplatz oder wie Sie das Ereignis fanden?»

Ja, Herr Bischof, als Eintracht Fan, wie ging es Ihnen?

Bischof Hein: Ich habe die Übertragung mit Freunden in Bad Hersfeld gesehen. Ein Public Viewing im Wohnzimmer bei einer Geburtstagsfeier. Die überwiegende Anzahl derer, die dort waren, waren Anhänger von Eintracht Frankfurt. Eine kleine Minderheit Anhänger von Bayern München. Dass es am Schluss 3:1 ausgegangen ist, hätte niemand von uns erwartet, aber es zeigt sich wieder, dass mit einer gehörigen Portion Willen und Einsatzbereitschaft Kräfte mobilisiert werden können, die man der Frankfurter Eintracht, die ja zwischendurch deutlich geschwächelt hat, gar nicht zugetraut hätte. Es war natürlich ein wunderbarer Tag. Vor allem, wenn man bedenkt, ich bin zum ersten Mal 1965 im damaligen Frankfurter Waldstadion gewesen. Ich bin ja in Hanau aufgewachsen, in Frankfurt zur Schule gegangen, so dass die Frankfurter Eintracht von vorne herein der Favoritenverein für mich gewesen ist. Aber wenn man auf solch einen langen Zeitraum von über fünfzig Jahren schaut, muss man als Fan der Frankfurter Eintracht eine gehörige Portion Leidensfähigkeit mitbringen. Und insofern hat dieser Pokalsieg dann für manches andere entschädigt.

Fischer: Die Fußballweltmeisterschaft beginnt am 14. Juni und sie findet in Russland statt. Das ist ja durchaus umstritten, wie stehen Sie denn dazu?

Bischof Hein: Wenn man nach den politischen Verhältnissen gehen würde, hätte man die Fußballweltmeisterschaft auch nicht in Argentinien 1978 durchführen dürfen. Man dürfte sie meines Erachtens auch nicht in Katar durchführen und genauso wenig in Russland. Aber beim Fußball regiert nicht in allererster Linie die Politik, schon gar nicht die vernünftige Politik, sondern da regiert in allererster Linie das Geld. Und insofern muss man schlichtweg sagen, es ist so wie es ist. Ich bedauere das, aber die Anzahl der Länder, die, um es mal mit Worten von Altkanzler Schröder zu sagen, «lupenreine Demokraten» sind, wird immer weniger. Und Russland ist das ganz bestimmt nicht.

Fischer: Werden Sie denn die Spiele der deutschen Nationalmannschaft anschauen? Und wenn ja, wo?

Bischof Hein: Ich hab sie mir bisher noch nicht in meinen Kalender eingetragen, hab mir allerdings die Termine der Spiele, zumindest der deutschen Nationalmannschaft bereits zurecht gelegt. Das hängt jetzt ein wenig vom Kalender ab. Dienstliche Dinge gehen immer vor. Aber die Erfahrung zeigt, auch andere haben eine große Begeisterung für den Fußball und deswegen gehe ich davon aus, dass in den nächsten Wochen zu den gegebenen Zeiten weniger dienstliche Verpflichtungen anstehen als sonst. Und alle haben das Interesse, die deutsche Nationalmannschaft nicht nur spielen, sondern auch siegen zu sehen.

Fischer: Ja, was glauben Sie denn, Hand aufs Herz, wie wird die deutsche Nationalmannschaft abschneiden?

Bischof Hein: Zum Glück bin ich ja kein Prophet, sondern muss das vergleichsweise nüchtern einschätzen. Die Niederlage gegen Österreich kam zum richtigen Zeitpunkt, weil man eine gewisse Überheblichkeit in Deutschland immer hat. Man erinnert sich natürlich an die Tatsache, dass man als Weltmeister auftritt, man erinnert sich an das wunderbare Spiel gegen Brasilien, 7:1, so etwas wird es nicht wieder geben. Das hat ja schon die Revanche gegen Brasilien gezeigt. Ich glaube, dass die Deutschen eine Turniermannschaft sind. Das waren sie eigentlich jedes Mal. Sie sind jedes Mal -  allen Prognosen zum Trotz  - über sich hinaus gewachsen. Wenn es gegen Mexiko am Anfang schon mal nicht klappen sollte, wovon ich nicht ausgehen würde, dann wird es schwierig, weil die Stimmung erst mal bei den Spielern, aber auch in der Öffentlichkeit, in den Medien gedrückter ist. Also, unter die letzten vier müssten wir eigentlich kommen.

Fischer: Und Ihr ultimativer Tipp, wer wird Fußballweltmeister 2018?

Bischof Hein: Ja, man könnte mit Spanien rechnen. Man könnte auch mit Brasilien rechnen. Ich glaube, die deutsche Nationalmannschaft wird eine gute Position haben. Das kommt es ein wenig auf die Frage an, wird man Gruppenerster oder Gruppenzweiter, auf wen trifft man in den Zwischenrunden. Da empfiehlt es sich, nicht taktisch zu spielen, um bestimmten Ländern aus dem Weg zu gehen. Auch Frankreich ist nicht zu unterschätzen. Also, ich wage eigentlich aktuell noch keinen Tipp, ich beobachte das lieber, aber ich rechne schon der deutschen Nationalmannschaft einiges aus.

Fischer: Herr Bischof, nicht nur die Fußball WM steht uns bevor, sondern auch die Sommerferien. Nun haben Sie uns in den vergangenen Jahren immer verraten, was Sie im Urlaub machen werden. Was machen Sie denn 2018?

Bischof Hein: In diesem Jahr wird deutlich, dass man mit zunehmendem Alter vielleicht auch an Orte fährt, die man schon kennt. Früher habe ich mir immer gesagt: Eine Regel gilt, niemals zwei Mal an denselben Ort. Die Welt ist groß. Aber da ich dienstlich ziemlich unterwegs bin, möchte ich mich doch mit meiner Frau auf einen Ort konzentrieren, wo wir keine langen Anlaufschwierigkeiten haben, aber wo andererseits auch schönes Wetter herrscht. Wir fliegen also wieder nach Nizza in eine Wohnung, die wir dort haben mieten können und die wir schon mehrfach gemietet haben. Und dann sind 16 Tage angesagt, natürlich mit Strand, mit Bergwandern, aber auch mal mit Nichtstun, mit Lesen. Das Schöne ist, wenn man mehrfach im gleichen Ort war, man muss nicht alles wiederholen, sondern man kann sagen, heute ist mal nichts. Dafür wird aber schön gekocht und die französische Art des Lebens genossen. Ich spreche halt gerne französisch und hoffe, das ein bisschen wieder auffrischen zu können.

Fischer: Das hört sich gut an. Dann wünsche ich Ihnen und Ihrer Frau eine erholsame Zeit und vielen Dank für das Gespräch.

Bischof Hein: Gerne, Herr Fischer.