(Foto: medio.tv/Dellit)

(Foto: medio.tv/Dellit)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 07 Jul 2023

Willingshausen-Steinatal. Man kann nicht behaupten, dass diese Schule von langer Hand geplant gewesen wäre. Dafür hat sie sich aber als langlebig erwiesen: Die Melanchthon-Schule, das einzige Gymnasium der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, besteht seit 75 Jahren. Das stolze Jubiläum wird mit Aktionen das ganze Jahr über gefeiert. Unter anderem wird Bischöfin Dr. Beate Hofmann am Freitag, 14. Juli, ab 10 Uhr einen Festgottesdienst mit der Schulgemeinde feiern. 

Die Anfänge der Schule liegen in den Kriegsjahren. Im Jahr 1943 hatte der Schulleiter der Kasseler Wilhelmsschule, Wolfgang Paeckelmann, beschlossen, Teile der Schule nach Schwarzenborn im Knüll auszulagern. Das war für Paeckelmann nicht ungefährlich, denn manche nationalsozialistischen Parteikader legten das als «Defätismus» aus – also die Überzeugung, der Krieg sei nicht zu gewinnen. Das war keine Haltung, die der Partei passte. Doch Paeckelmann sollte auf grausame Weise Recht behalten, als im Oktober Kassel durch britische Bomber in Schutt und Asche gelegt wurde, darunter auch die Wilhelmsschule, und über 10.000 Menschen zu Tode kamen. 

Nun zog praktisch die gesamte Schule in den Knüll, nur die Oberstufenschüler mussten bleiben, weil sie in der Luftabwehr als Flakhelfer eingesetzt wurden. Das ehemalige Kinderlandverschickungs-Lager in Schwarzenborn erschien der Militärverwaltung bald zu unsicher, sodass die Schulgemeinde schließlich in Neukirchen in der Schwalm unterkam – ebenfalls in einem Lager. Nach Kriegsende kamen viele Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten und der Sowjetischen Besatzungszone, die später zur DDR werde sollte, auch nach Kurhessen-Waldeck. Das Evangelische Hilfswerk kümmerte sich um diese Menschen und Landespfarrer Erich Freudenstein aus Kassel entwickelte die Idee, aus dem Provisorium eine reguläre, eigenständige Schule zu machen. 

Melanchthon-Schule und Schulen in landeskirchlicher Trägerschaft

Die Melanchthon-Schule ist zwar eine Privatschule, die von der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck getragen wird, hat aber selbstverständlich eine staatliche Anerkennung. Sie orientiert ihre Bildungs- und Erziehungsarbeit am christlichen Menschenbild. Für den Besuch der Schule fällt ein Schulgeld von monatlich 50 Euro an, für das zweite Kind auf der Schule sind es 25 Euro, ab dem dritten Kind ist der Schulbesuch kostenfrei. Die Schulleitung betont jedoch, dass der Schulbesuch nicht an den Kosten scheitern solle. Auf Antrag ist eine Befreiung vom Schulgeld möglich. 

Kontakt:

Melanchthon-Schule – Gymnasium der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck
Steinatal 1
34628 Willingshausen-Steinatal

Tel. 06691-80658 22
E-Mail: schulleitung@mss.ekkw.de
Internet: www.melanchthon-schule.de
Jubiläumsprogramm: www.melanchthon-schule.de/75

Weitere Schulen in kirchlicher Trägerschaft

Neben der Melanchthon-Schule ist die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck auch Trägerin der Katharina-von-Bora-Schule in Oberissigheim im Kirchenkreis Hanau und dir Martin-Luther-Schule in Schmalkalden im gleichnamigen Kirchenkreis. Koordiniert werden die Aktivitäten im Schulreferat im Landeskirchenamt in Kassel.

Nach einigem politischen Hin und Her übernahm schließlich die EKKW die Trägerschaft für ihre erste Schule. Auch die Besetzung der Schulleitung war anfangs nicht einfach, denn der Direktor sollte während der NS-Diktatur politisch unbelastet geblieben sein Schließlich übernahm Dr. Rudolf Dalhoff das Amt. Als Namensgeber wurde Philipp Melanchthon ausgewählt. Der Weggefährte Martin Luthers galt als Universalgelehrter und hatte in seiner Zeit großen Einfluss auf das Bildungswesen in Deutschland, er hatte selbst Schulgründungen vorangetrieben und Lehrpläne verfasst.  Als «Bildungsreformator» erschien er für die neue Schule im Steinatal gut geeignet. 

Auch nach der turbulenten Gründungsphase war die Geschichte des kirchlichen Gymnasiums in der idyllischen Schwalm facettenreich. Die 68er-Bewegung kam dort ebenso an wie andere Zeitströmungen. Bis in die 1980er-Jahre war die Melanchthonschule ein Internat, die Schüler und Schülerinnen, die auf dem Gelände wohnten, wurden «Heimser» genannt. Doch die Finanzierung wurde immer schwieriger, sodass das Heim 1985 geschlossen wurde. Seitdem kommen die Melanchthon-Schüler und -Schülerinnen aus den umliegenden Städten und Gemeinden. 

Auch der Zuschnitt der Schule haben sich über die Jahre verändert, erläutert Dr. Michael Dorhs, Schulreferent der EKKW. So habe sie lange als elitäres Gymnasium gegolten. Der Leistungsanspruch sei sehr hoch gewesen, viele Bewerber und Bewerberinnen seien abgelehnt worden. Ab der Jahrtausendwende seien dann reformpädagogische Ansätze mehr und mehr eingeflossen, heute spiele die individuelle Förderung auf dem Weg zum Abitur oder Fachabitur eine große Rolle. Schulsozialarbeit und Schulseelsorge sei wichtiger geworden. Daneben sei das evangelische Profil wichtiger geworden als in den Anfangsjahren. Dazu gehören Gottesdienste und Andachten, aber auch eine Verzahnung mit dem kirchlichen Leben in der Schwalm. Und nicht zuletzt ist der Religionsunterricht in der Melanchthonschule verpflichtend. Die Schule, sagt Dorhs, sei «Kirche auf Zeit». 

Der Erfolg gibt den Verantwortlichen Recht. Die Schülerzahlen stiegen, erklärt Dorhs. Pro Jahrgang hat die Schule ca. 100 Schülerinnen und Schüler, sodass es derzeit in vielen Stufen vier Parallelklassen gibt. Die Schule werde von der Landeskirche materiell – unter anderem im Bereich Digitalisierung – gut ausgestattet und sei auch als Ausbildungsschule attraktiv, 14 Referendare und Referendarinnen arbeiten und lernen dort. 

Philipp Melanchthon ist seit mehr als 460 Jahren tot, aber man kann sich vorstellen, dass er an dieser lebendigen Schule seine Freude hätte.

(Quelle u.a.: «60 Jahre Schulgeschichte(n) – Festschrift zum Schuljubiläum der Melanchthon-Schule, Steintaler Hefte 6/2008, 07.07.2023)

Linktipp:

Die Melanchthon-Schule in Willingshausen-Steinatal im Internet:

melanchthon-schule.de

Linktipp:

Informationen zu den Schulen in landeskirchlicher Trägerschaft, der Schulstiftung, dem Religionspädagogischen Institut und dem Schulreferat im Landeskirchenamt unter:

ekkw-macht-schule.de