Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 07 Mär 2008

Kassel/ Frankfurt a.M./ Wiesbaden/ Homberg/ Fritzlar/ Hofgeismar/ Ziegenhain (medio/epd). Der Protest gegen ein «Mitternachts-
shopping» in Kassel und Frankfurt am Main hat zu einem Teilerfolg geführt. Das im Kasseler Einkaufszentrum «dez» geplante Feuerwerk am Gründonnerstagabend wurde abgesagt, berichtete die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) in ihrer Montagsausgabe. An der Öffnung der Geschäfte wurde aber festgehalten.

Auch das für die lange Verkaufsnacht am Gründonnerstagabend im Hessen-Center im Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim geplante Feuerwerk fand ebenfalls nicht statt. Das Center-Management hatte es bereits in der vergangenen Woche abgesagt. Die Läden waren aber wie geplant geöffnet.

Bischof Hein: Mitternachtsshopping «ist bewusste Attacke gegen die religiöse Kultur in Deutschland»

Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, nannte die Vorhaben einen Ausdruck von «Neuheidentum». Es sei «eine bewusste Attacke auf die religiöse Kultur in Deutschland», sagte Hein in einem Interview gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Angebote machten deutlich, dass die Erfahrungen, die Gründonnerstag und Karfreitag prägen, nämlich die von Tod und Trauer, einfach vergessen werden, so der Bischof weiter. «Wer dazu einlädt, sich fröhlich auf Karfreitag einzustimmen, tut so, als sei dieser Tag schon Teil des Osterfestes. Das ist eine Art von Neuheidentum», kritisierte der Bischof die Veranstalter scharf.

Auch der Rat der Landeskirche hatte die Vorhaben kritisiert. Der Einkauf am Abend des Gründonnerstags sei zwar rechtlich nicht ausdrücklich unterbunden. «Es ist aber inakzeptabel, diesen Abend als Event zu begehen», heißt es in der Erklärung des höchsten Leitungsgremium zwischen den Tagungen der Landessynode. Diesem Gedanken folge auch das Hessische Feiertagsgesetz, das Tanzveranstaltungen am Gründonnerstag verbietet.

Harsche Kritik äußerten auch der hessen-nassauische Kirchenpräsident Dr. Peter Steinacker, der Vorsitzende des Katholikenrats des Bistums Fulda, Richard Pfeifer, Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel sowie Gewerkschaftsvertreter.

Protest der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Kassel

Die Kasseler Stadtdekanin Barbara Heinrich äußerte als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Kassel, deren Empörung über die geplante Aktion im Kasseler Einkaufszentrum «dez» in einem Brief an Centermanager Martin Görz. Heinrich bekomme viele Anrufe von Menschen, die sich über die Aktion am Abend vor Karfreitag empören, hießt es in dem Schreiben. «Es sind nicht nur Anrufe aus der Stadt Kassel, sondern auch aus dem Umland, die ganz sicher nicht (mehr) am Gründonnerstag in das Einkaufszentrum kommen werden», schreibt die Dekanin.

Mit einer Postkartenaktion wollte die ACK die Veranstaltung am Donnerstag vor dem Osterfest verhindern. «Ich protestiere gegen das geplante Mitternachtsshopping mit Live-Band und Feuerwerk am Abend des Gründonnerstags. Mit diesem Event verletzten Sie die religiösen Gefühle vieler Menschen. Für mich ist das Anlass, mein Einkaufsverhalten dem dez gegenüber neu zu bedenken», stand auf den Postkarten, die unterschrieben an das dez geschickt werden konnten. Über 16.000 Postkarten wurden in den Kirchengemeinden verteilt, so ACK-Sprecherin Heike Schaaf. Die Nachfrage soll so groß gewesen sein, dass nachgedruckt werden musste.

Protestaktionen auch im Kasseler Umland

Großes Interesse an der Postkartenaktion und weitere Unterschriftenaktionen gab es auch im Kasseler Umland. Im Kirchenkreis Homberg habe man in einer ökumenischen Aktion ein Protestschreiben der Kirchenvertreter in Homberg an das «dez» abgesandt und als Ausdruck der Empörung eine Unterschriftenaktion initiiert, teilte der Dekan des Kirchenkreises, Lothar Grigat, mit. In wenigen Tagen seien über 1.300 Unterschriften zusammen gekommen, die über die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Kassel an das Center-Management des «dez» weitergeleitet werden sollten, so Grigat weiter. «Als Christen können wir es nicht hinnehmen, dass jahrhundertealte Traditionen zugunsten von Konsum und Kommerz über Bord geworfen werden sollen», so der Dekan.

«Ich finde die Kritik und die Unterschriftenaktion völlig angemessen», sagt Christian Wachter, Dekan des Kirchenkreises Ziegenhain. «Wir können ja niemandem etwas verbieten, aber wir können die Menschen darauf hinweisen, Werte zu bewahren.» Die Ruhezeit gehöre ebenso in die christliche Tradition wie das Feiern ab Ostern. Vielleicht sei das bei vielen Menschen in Vergessenheit geraten, sagte Wachter gegenüber der Schwalm-Eder-Redaktion der HNA.

In Fritzlar gab es eine vom Arbeitskreis Christlicher Kirchen in Fritzlar getragene Unterschriftenaktion gegen die Aktivitäten in Kassel, teilte Dekan Dr. Helmut Umbach vom Kirchenkreis Fritzlar mit und in der konstituierenden Sitzung der Kreissynode des Kirchenkreises Hofgeismar am vergangenen Wochenende in Reinhardshagen unterstützte Dekan Wolfgang Heinicke die kritischen Stimmen und forderte die Mitglieder der Gemeinden im Kirchenkreis auf, sich an einer Postkartenaktion gegen die Shoppingaktion zu beteiligen.

Empörung der Kirchen in Frankfurt - Unterschriftenaktion gegen Shopping-Angebot im Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim

Mit Verärgerung und Bedauern reagierte die Dekanin des Kirchenkreises Hanau-Stadt, Claudia Brinkmann-Weiß, auf die Aktion «Midnight-Shopping» am Gründonnerstag des Hessen-Centers in Bergen-Enkheim. Der Frankfurter Stadtteil gehört zum evangelischen Kirchenkreis Hanau-Stadt. Die Dekanin verwies auf mehrere Anrufe von Bürgerinnen und Bürgern, bei denen diese Aktion Entrüstung hervorgerufen hätte. Sie gehe davon aus, dass das Hessen-Center sich strikt an die gesetzlichen Vorschriften hält, hieß es in einer Erklärung.

«Trotzdem widerspricht die Einkaufsnacht ausgerechnet an Gründonnerstag den religiösen Gefühlen vieler Menschen und entweiht eine auch gesetzlich besonders geschützte Zeit. Die Center-Leitung lässt jedes Feingefühl in dieser Frage vermissen», so Brinkmann-Weiß weiter. Die Dekanin unterstützte deshalb mit Nachdruck die von katholischen Pfarrern aus Frankfurt angeregte und von evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern mit getragene Unterschriften-Protestaktion und hoffte, dass viele Menschen mit ihrer Unterschrift und mit dem Boykott des «Midnight-Shopping» ihre Kritik zum Ausdruck bringen.

Auch in den Kirchenkreisen Schlüchtern und Hanau gab es Protestaktionen. In Schlüchtern hatten sich die Mitglieder der Kreissynode dem Protest des Rates der Landeskirche einstimmig angeschlossen.

Hessischer Wirtschaftsminister rügt Mitternachtsshopping am Gründonnerstag

Auch der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) hat sich den Protesten der Kirchen gegen ein Mitternachtsshopping am Gründonnerstag angeschlossen. «Der Einzelhandel und die Freizeitindustrie sollten die religiösen Gefühle der Christen in unserem Land respektieren», rügte er in Wiesbaden.

Rhiel merkte weiter an, dass auch die Wirtschaft auf Dauer nicht ohne Werte funktionieren könne. «Auch Nichtchristen sollten wissen: Ohne Sonntage und Feiertage gibt es nur noch Werktage. Es gehört sich einfach nicht, die Nacht vor dem Karfreitag zum Spektakel zu machen», appellierte er insbesondere an die konfessionslosen Mitbürger.

Stichwort Gründonnerstag:

Am Abend des Gründonnerstag gedenken Christen des letzte Mahls Jesu mit seinen Jüngern - am Tag vor seiner Kreuzigung, dem Karfreitag. Der Gründonnerstag wird daher in den Kirchen zugleich als Tag der Einsetzung des Abendmahles begangen. In den Kirchengemeinden werden am Abend des Gründonnerstages Gottesdienste und Andachten gefeiert. (21.03.2008)

Im Wortlaut:

Lesen Sie hier den Wortlaut des Interviews der Frankfurter Allge-meinen Zeitung mit Bischof Prof. Dr. Martin Hein zu den geplanten Aktionen der Einkaufs-zentren in Frankfurt und Kassel am Grün-donnerstag: