Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 26 Apr 2010

Präses Kirchenrat Rudolf Schulze stellte sich den Fragen von medio-Redaktionsleiter Pfarrer Christian Fischer.

Fischer: Herzlichen Glückwunsch zur Wahl, Herr Dekan Schulze, zum Präses der Landessynode.

Schulze: Ich danke Ihnen herzlich für die guten Wünsche. Die kann ich gebrauchen. Das ist ein anspruchsvolles Unternehmen - die Synodalen in den nächsten Jahren führen und die Verhandlungen leiten zu dürfen.

Fischer: Was bedeutet diese Wahl für Sie ganz persönlich?

Schulze: Ich empfinde es zunächst einmal als eine Ehre und habe mich sehr gefreut über die Zustimmung, die ich bei der Wahl erhalten habe. Es bedeutet aber für mich auch, dass ich die vielen Erfahrungen, die ich gesammelt habe in meinem Dienst als Pfarrer, als Dekan und als jemand, der in vielen Gremien dieser Landeskirche mitarbeiten konnte, nutzbar machen kann für eine gesamtkirchliche Aufgabe. Ich bin das erste Mal 1981 in die Landessynode gewählt worden, damals für den Kirchenkreis Rotenburg. Und ich habe damals schon sehr gern in der Synode mit gearbeitet Später bin ich zurückgekehrt in die Synode als Dekan des Kirchenkreises Melsungen. Da hat sich viel an Erfahrungen angesammelt, die mir helfen für meine Arbeit als Präses.

Fischer: Die Synode hat eine sehr große kirchenpolitische Bedeutung. Was zeichnet aus Ihrer Sicht dieses Parlament aus?

Schulze: Zunächst einmal erlebe ich es als außerordentlich fruchtbar und interessant, in einer Versammlung mitzuwirken von mehr als 90 hochkompetenten Mitarbeitern der Kirche, von denen die meisten Ehrenamtliche sind. Darunter sind viele, die aus völlig unterschiedlichen Berufsfeldern ihre Lebenserfahrungen beitragen und aus unterschiedlichen Regionen unserer Landeskirche kommen. Diese Differenziertheit ist ein großer Reichtum unserer Kirche. Ich mag den Ausdruck Kirchenparlament eigentlich nicht, weil ein Parlament eine rein demokratische Einrichtung ist. Davon unterscheidet sich eine Synode.

Fischer: Können Sie das erläutern?

Schulze: Die Synode einer Kirche hat im Unterschied zum staatlichen Parlament eine Grundlage, über die sie nicht selber verfügen kann. Nämlich die Bibel. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland kann der Bundestag verändern oder gar außerkraftsetzen, aber die Grundlage, die wir haben mit dem Evangelium von Jesus Christus – das ist nicht verfügbar, das können wir nicht verändern. Und daraus ergibt sich auch ein anderes Selbstverständnis der Mitglieder dieser Synode. Sie wissen sich auch in ihrer kirchenpolitischen Funktion von ihrem Herrn Jesus Christus gesandt. Das bedeutet, dass wir immer wieder versuchen werden, einen Konsens zu finden, oder um es viel schöner mit dem griechischen Wort zu sagen: einen «synhodos» zu finden, einen gemeinsamen Weg. Auch wenn wir aus unterschiedlichen Interessenlagen kommen, werden wir versuchen, den einen gemeinsamen Weg nach bestem Wissen und Gewissen zu finden, so wie es der Herr uns aufgetragen hat, der uns ans Herz legt «alle eins zu sein».

Fischer: Was haben Sie sich vorgenommen im neuen Amt, wo wollen Sie eigene Akzente setzen?

Schulze: Ich habe mir vorgenommen, dass wir in dieser Legislaturperiode in einer starken, hoffentlich diskussionsfreudigen Synode den Aufgaben, die uns aufgegeben werden, nicht ausweichen, sondern sie annehmen  und, wenn es sein muss, auch streitig debattieren. Dabei lenke ich mein besonderes Augenmerk auf eine Sorge, die mich schon seit einiger Zeit bewegt: Die Kirchen befinden sich ja in einem Anpassungsprozess, der gekennzeichnet ist durch eine schwindende Mitgliederzahl oder auch durch die Fragen, wie viele Gemeinden und Pfarrstellen es künftig geben wird. Die Sorge, die mich bewegt, ist, dass wir in den notwendigen Verständigungsprozessen ein Erscheinungsbild abgeben könnten, das lautet: Die Kirche beschäftigt sich nur mit sich selbst.
Sicher müssen wir bestimmte Strukturfragen für die Zukunft klären. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung und auch der Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen, angesichts neuer Techniken und einer insgesamt sich rasant verändernden Gesellschaft werden wir diese Anpassungsprozesse ja nicht vermeiden können. Aber es darf dabei nicht die Botschaft überhand gewinnen, dass die Kirche vornehmlich am eigenen Bestand interessiert sei. Im Gegenteil: Die Kirche ist für die Menschen da. In der Kirche geht es darum, den Menschen das Urvertrauen zu vermitteln, dass sie in Zeit und in Ewigkeit mit dem auferstandenen Herrn verbunden bleiben. Und auch alles, was wir in  kirchenpolitischer Hinsicht bewegen wollen, darf dieses Ziel nicht aus dem Auge verlieren: Dass es um die Menschen geht und darum, dass Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe unter uns lebendig bleiben.

Eine zweite Perspektive möchte ich noch nennen. In den Kooperationsgesprächen mit der hessisch-nassauischen Schwesterkirche ist durch eine unterschiedliche Beschlusslage ein Moratorium eingetreten. Dieses sollten wir aktiv gestalten und die weiteren Schritte der Annäherung zwischen den beiden auch künftig selbständigen Landeskirchen stärker als bisher in die synodalen Beratungen einbeziehen. Ich beabsichtige deshalb mit dem Kirchensynodalvorstand der EKHN Kontakt aufzunehmen, sobald dieser im Mai neu gewählt sein wird.

Fischer: eine schwierige Aufgabe, die Ihnen da bevorsteht ...

Schulze: Mich begleitet dabei ein großes Zutrauen in die Synodalen. Aus meinen bisherigen Erfahrungen in der Synode weiß ich, dass die Synodalen auf Dauer eine ganz eigene Weisheit entwickeln, wirklich tragfähige und konstruktive Entscheidungen für unsere Synode zu fällen. Und ich habe den Eindruck, dass eine große Motivation da ist, zum Wohl unserer Kirche zu dienen. Dieses Vertrauen ist für mich ein guter Rückenwind für die Leitung der Synode.

Fischer: Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Aufgabe und Gottes Segen!

Schulze: Ich danke Ihnen.

(21. April 2010)