Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 02 Mai 2013

Präses Kirchenrat Rudolf Schulze stellte sich den Fragen von medio!-Reporter Torsten Scheuermann am 26.4.2013 in Hofgeismar.

Scheuermann: Herr Präses Schulze, welche der beratenen Punkte hatte denn für Sie die größte Brisanz bei der Frühjahrssynode?

Schulze: Zweifellos der Zukunftsausschuss. Da geht es um Sparvorschläge, mit denen wir rund ein Viertel unseres künftigen Haushaltes bis 2026 einsparen wollen. Und das bedeutet natürlich auf lange Sicht gesehen gravierende Einschnitte in unseren kirchlichen Haushaltsplan.

Scheuermann: Wohin geht die Entwicklung bei der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck?

Schulze: Wir nehmen wahr, dass die Bevölkerung abnimmt, auch die evangelische Bevölkerung. Und das bedeutet für uns, dass wir alle unsere Dienste der künftigen Anzahl von Gemeindegliedern anpassen werden. Wir sind seit einigen Jahren schon dabei, die Pfarrstellen an die künftige Entwicklung anzupassen. Und hier wird tatsächlich der größte Einschnitt in den nächsten Jahren sein. Möglicherweise werden wir bis 2026 bis zu 200 Pfarrstellen einsparen müssen. Das ist natürlich ein großer Brocken, aber das versetzt uns in die Lage, mit der verbleibenden, immer noch großen Anzahl von Pfarrstellen den Menschen nahe zu bleiben. Es geht um Zukunftssicherung der Pfarrstellen.

Scheuermann: Prälatin Marita Natt hat in ihrem Personalbericht zu mehr Kooperation und gemeinsamen Zusammenarbeiten aufgerufen. Was könnte das bedeuten?

Schulze: Wir sehen Chancen in der Kooperation zwischen verschiedenen Pfarrerinnen und Pfarrern, weil sie jeweils unterschiedliche Begabungen haben und nicht alle Aufgabenfelder abdecken müssen. Wenn wir künftig größere Kirchspiele haben und die Pfarrerinnen und Pfarrer eine größere Fläche zu versorgen haben, ist das ja eine ziemliche Zumutung, alle Dienste sicherstellen zu können. Deshalb wird es künftig Spezialisierungen geben. Da setzen wir darauf, dass die Bereitschaft unter den Pfarrerinnen und Pfarrern wächst, Kooperation miteinander einzugehen und Abkommen zu finden, wer welche Dienste übernimmt.

Scheuermann: Sie sprachen von vier «Korridoren», bei denen in Zukunft gespart werden soll. Bitte beschreiben Sie doch mal die Bereiche.

Schulze: Der erste Korridor heißt «Gebäude und Liegenschaften». Die Kirche hat ja einen sehr großen Gebäudebestand, der uns in der Unterhaltung erhebliche Kosten verursacht. Wir wollen alle Kirchen in unserer Landeskirche erhalten. Sollten sie irgendwann nicht mehr für Gottesdienste genutzt werden, dann muss über eine Umnutzung nachgedacht werden. Wir wollen aber keine Kirchen veräußern. Zweitens haben wir eine hohe Anzahl von Pfarrhäusern. Da wir aber die Pfarrstellenanzahl abbauen, werden wir auch die entsprechenden Pfarrhäuser verkaufenmüssen. Der dritte Punkt sind die Gemeindehäuser. Hier sind wir uns noch nicht ganz im Klaren, wie es gelingen kann, künftig nur noch eine begrenzte Anzahl Gemeindehäuser exemplarisch zu fördern. Auch hierbei reden wir über das Perspektivjahr 2026. Es geht nicht darum, dass wir morgen alle Gemeindehäuser schließen, sondern darum, dass unsere Gemeinden und Kirchenkreise ihren Gebäudebestand anpassen und bestimmen, welche Gebäude oder welche Gemeindehäuser vielleicht künftig entbehrlich seien könnten.
Ein zweiter «Korridor» ist der der Pfarrstellen. Wir werden eine große Anzahl von Pfarrstellen abbauen. Das wird finanziell den größten Anteil erbringen. Damit wollen wir die verbleibende Anzahl von Pfarrstellen finanziell sichern.
Ein dritter Bereich sind die sogenannten Sonderhaushalte. Darunter sind völlig unterschiedliche Dienste zu verstehen. Dabei geht es beispielsweise um die Kirchenmusik, um die Spezialseelsorge, um Bildungsarbeit usw. Dabei geht es auch um die drei kirchlichen Schulen. Hier gehen wir mit der Maßgabe rein, dass auch all diese Bereiche rund 25 Prozent bis 2026 einsparen müssen.

Scheuermann: Und wo soll noch gespart werden?

Schulze: Der vierte Bereich ist die Verwaltung. Es ist natürlich klar, dass wir auch im Bereich der Verwaltung und der vielen hauptberuflichen Mitarbeiter Einsparungen vornehmen müssen. Wir können ja nicht nur Pfarrstellen einsparen, sondern wir werden künftig zum Beispiel auch bei Jugendarbeiterstellen und Stellen für Verwaltungsangestellte kürzen müssen. Wir müssen uns auch fragen, können wir alle Kirchenmusikerstellen aufrechterhalten? Und wir müssen uns natürlich fragen, wie die Verwaltungseinheiten,  sei es in den Kirchenkreisämtern, sei es im Landeskirchenamt, künftig noch wirtschaftlicher arbeiten als heute. Das kann auch bedeuten,  dass sie nicht mehr dieselben Aufgaben erledigen können wie heute, sondern weniger Aufgaben zugewiesen bekommen.

Scheuermann: Worauf wird beim Sparen in den einzelnen Bereichen geachtet? Gibt es da bestimmte Kriterien?

Schulze: Die müssen wir, weil die Bereiche so unterschiedlich sind, für jeden Bereich unterschiedlich entwickeln. Da sind wir auch noch dabei, soweit sind wir noch nicht.

Scheuermann: Sie wollen rund 30 Millionen Euro in diesen vier genannten Bereichen bis 2026 einsparen. Warum soll in diesen vier Bereichen gekürzt werden?

Schulze: Bei unseren Beratungen war der rote Faden: Wie können wir die kirchliche Arbeit für die Zukunft sichern. Wie können wir jetzt, wo wir noch verhältnismäßig gute finanzielle Ausstattungen vorfinden, uns schon vorbereiten für die mageren Jahre, in denen wir finanziell schlechter aufgestellt seien werden. Da haben wir den kirchlichen Haushalt nach Aufgabengebietensortiert und sind deshalb auf diese vier Korridore gekommen.

Scheuermann: Welches Fazit ziehen Sie zur Frühjahrssynode?

Schulze: Die Synode verläuft sehr sachlich und es zeigt sich, dass die Synodalen geprägt sind von einer grundsätzlichen Zuversicht in unserer kirchlichen Arbeit, zugleich aber auch von einem Realitätssinn, dass die kirchliche Arbeit sich verändern muss und wir die kirchlichen Dienste der Bevölkerungsentwicklung anzupassen haben. Insgesamt sind die Beratungen konstruktiv. Ich gehe davon aus, dass der größte Teil der Vorschläge, die der Zukunftsausschuss zur Reduzierung kirchlicher Dienste gemacht hat, auch angenommen wird.

Scheuermann: Vielen Dank für das Interview.

(26.04.2013)