Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 28 Nov 2013

Bischof Prof. Dr. Martin Hein stellte sich den Fragen von medio!-Redaktionsleiter Pfarrer Christian Fischer am 26.11.2013 in Hofgeismar.

Fischer: Herr Bischof, Sie haben vor der Synode Ihren Bericht vorgestellt, Ihr Thema in diesem Jahr: «Geistlich Leiten». Warum dieses Thema?

Bischof Hein: Zum einen ist das Thema geistlicher Leitung in der evangelischen Kirche insgesamt dran, es gibt eine Fülle an Publikationen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Zum anderen haben wir in Kurhessen-Waldeck gerade die Kirchenvorstandswahlen hinter uns, die neuen Kirchenvorstände konstituieren sich und da schien es mir sinnvoll zu sein, einige Impulse für die Weiterarbeit in den Kirchenvorständen zu geben, damit diese sich mit der Frage beschäftigen, was ist die Aufgabe des Kirchenvorstandes, wie leiten wir gemeinsam unsere evangelische Kirche?

Fischer: Was ist Ihre Hauptbotschaft?

Bischof Hein: Die Hauptbotschaft ist, geistlich Leiten ist etwas Besonderes für die Kirche, weil die Kirche sich von ihrer Voraussetzung, aber auch von ihrer Zielsetzung her, deutlich von allen anderen Verbänden, Organisationen und Unternehmen unterscheidet. Uns geht es darum sicherzustellen, dass die Verkündigung des Evangeliums gewährleistet bleibt. Dem sind alle Überlegungen, bis hinein in das Finanzielle, untergeordnet. Geistlich Leiten heißt also zu fragen, was Gott von unserer Kirche will.

Fischer: Was unterscheidet einen geistlich Leitenden in der Kirche von einem Manager in der Wirtschaft?

Bischof Hein: Geistlich Leitende in der Kirche, das sind nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrer oder der Bischof, sondern dazu sind alle Gemeindeglieder aufgerufen. Das zeichnet unser evangelisches Kirchenmodell insgesamt aus. Was uns allerdings ebenfalls von anderen Vorstandsvorsitzenden unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir gemeinschaftlich nach dem gemeinsamen Weg unserer Kirche fragen, ringen, suchen und dass wir dabei um den Beistand des Heiligen Geistes bitten. Das ist eine eminent geistliche Haltung. Geistlich Leiten kann eigentlich nur derjenige, der sich gegenüber dem Wirken Gottes innerlich öffnet. Der sichtbare Ausdruck dafür ist, dass Synodaltagungen und Kirchenvorstandssitzungen jeweils mit Gebet begonnen und auch mit Gebet beendet werden. Das heißt also, wir richten uns in unserer Tätigkeit zunächst auf die Gegenwart Gottes aus, um dann nach seinem Willen zu fragen, was aktuell für unsere Kirche und für die Welt wichtig ist.

Fischer: Leitung bedeutet oft auch Personalverantwortung. Wie geht ein «geistlich Leitender» mit dem Personal um?

Bischof Hein: Wir unterscheiden ja insgesamt zwischen Leiten und Führen. Führen bezieht sich dann in der Tat auf Personalführung. Der evangelische Grundsatz seit der Reformation lautet ja: «Wenn möglich nicht mit Druck sondern durch Überzeugung Menschen leiten und führen». Dieser Grundsatz kann sich in der unmittelbaren Zusammenarbeit zwischen den einzelnen in der Kirche Tätigen bewähren, also leiten nicht mit Druck, sondern mit Überzeugung. 

Fischer: Überzeugen kostet oft Zeit. Manche werfen der evangelischen Kirche zähe Entscheidungsprozesse vor. Wie sehen Sie das?

Bischof Hein: Ich denke, dass wir eine ausgeprägte Partizipationskultur haben und viele sich beteilig. Das muss man nicht als negative Auswirkung betrachten. Man kann nicht von einem «Gremienprotestantismus» sprechen, sondern wir beteiligen viele, ziehen viele in die Mitverantwortung hinein und das hat positive Konsequenzen. Wir sind eben kein Top-Down Unternehmen, wir leben auch nicht nach einem hierarchischen Modell, wie es sich in anderen Kirchen wiederfindet. Bei uns wird gemeinschaftlich beraten, wie es mit der Kirche weiter gehen soll. Damit das geistlich geschieht, öffnen wir uns für die Gegenwart Gottes mitten in unserer Welt.

Fischer: Eine Schlussfrage, Herr Bischof:  Was sollte sich an der Leitungskultur der Kirche ändern?
 
Bischof Hein: Ich habe den Eindruck, dass bei uns nicht nur nach schnellen Entscheidungen gefragt wird, sondern dass wir uns Zeit lassen können. Das ist das Gute, auch an einer recht großen Organisation wie der Kirche, dass wir nicht, sozusagen, aktuell ganz weitreichende Entscheidungen treffen müssen, die wir dann auch nicht mehr zurück nehmen können. Wir sind eine Organisation, die sich im gegenseitigen Austausch entwickelt, und damit auch stets eine lernende Organisation.  Auf der anderen Seite sage ich noch einmal, geistlich leiten können wir eigentlich nur, wenn wir auch geistlich leben. Das heißt also, das Gebet ist die Grundhaltung auch all derjenigen, die besondere Verantwortung in der Kirche haben. Darüber wird ja nicht so oft gesprochen, aber das würde ich mir von allen wünschen.

Fischer: Herr Bischof vielen Dank für das Gespräch!

(28.11.2013)