Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 30 Mai 2014

Pröpstin Sabine Kropf-Brandau stellte sich den Fragen von medio!-Reporter Torsten Scheuermann am 22.05.2014 in Kassel.

Scheuermann: Welche ist für Sie die wichtigste These der Barmer Theologischen Erklärung?

Pröpstin Kropf-Brandau: Von den sechs Thesen ist für mich die erste die wichtigste These: «Jesus Christus, wie er uns in der heiligen Schrift bezeugt ist, ist das eine Wort Gottes, das wir hören und dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.» Für mich ist diese These so etwas wie ein Portal, ein Türöffner zu den anderen Thesen. Denn in einer ungeheuren Dichte wird da gesagt, auf welchem Grund die Kirche steht.

Scheuermann: Warum liegt Ihnen die Barmer Theologische Erklärung so am Herzen?

Pröpstin Kropf-Brandau: Mir liegt sie am Herzen, weil sie auf sehr eindrückliche Art die Grundhaltung von Kirche aufzeigt. Die mit dem einen Wort, über das sie nicht verfügt, aber mit dem sie rechnet, von diesem Wort her sie lebt. Jesus Christus als das eine Wort Gottes. Das finde ich klasse.

Scheuermann: Wenn man die Erklärung insgesamt betrachtet: Welche Bedeutung hat sie heute noch?

Pröpstin Kropf-Brandau: Ich denke, die Barmer Theologische Erklärung zeigt bis heute, wie eine bedrohte und angefochtene Kirche kritikfähig und widerstandsfähig bleiben kann, wenn sie sich auf ihre Grundlage besinnt. Seit sie besteht, ist Kirche unter Druck und muss sich auf ihren Auftrag und ihre Aufgabe besinnen. Und ich glaube, sie tut gut daran zu zeigen, dass sie offen ist für Kritik. Das scheint mir heute auch ganz wichtig. Kritische Stimmen müssen gehört werden, und mit ihnen muss im Gespräch eine Position formuliert werden. Das muss Kirche zu jederzeit leisten. Das zeigt diese Erklärung ganz deutlich. Und manchmal ist es wichtig, dass eine Kirche sagt: Nein, das geht nicht – auch heute. Ich denke dabei an bestimmte rechtsradikale Tendenzen oder ausländerfeindliche Äußerungen. Da braucht es klare Worte der Kirche. Und die können wir und die müssen wir geben.

Scheuermann: Was bedeutet die Barmer Theologische Erklärung für Sie als Pfarrerin?

Pröpstin Kropf-Brandau: Ich habe vor 30 Jahre angefangen, in Wuppertal Theologie zu studieren. Damals wurde die Barmer Theologische Erklärung 50 Jahre alt. Sie war eigentlich das erste theologische Dokument, mit dem ich mich richtig intensiv beschäftigt habe. Bis heute ist die Erklärung für mich die Messlatte für eine klare, deutliche theologische Sprache und ein mutiges Verhalten der Kirche in ihrer jeweiligen Zeit.

Scheuermann: Welche Aussagen haben bis heute ihre Gültigkeit behalten?

Pröpstin Kropf-Brandau: Ich sehe die bleibende Bedeutung der Erklärung generell in drei Hinsichten: In der Klarheit des Glaubens, in der Gewissheit des kirchlichen Auftrags, den sie formuliert, und in der Verantwortung, die wir für die Zukunft dieser Welt haben. Das ist zeitlos.
Außerdem formulierte sie damals eine klare Absage an Herrschaftsansprüche, die von außen kamen und an Kirche heran getragen wurden. Und ich glaube, da ist sie auch heute noch immer aktuell.
Klarheit des Glaubens heißt für mich, dass ich in aller Angefochtenheit immer weiß, auf welchem Grund ich stehe. Und das ich weiß, ganz unabhängig von meiner eigenen persönlichen Befindlichkeit, dass Gott in dieser Welt wirkt. Und das zu wissen und sich darauf zu verlassen, im Leben und im Sterben, das empfinde ich als sehr tröstlich und macht auch mutig.

Scheuermann: Wie versuchen Sie die Kernaussagen der Erklärung auch in Ihrer Arbeit umzusetzen?

Pröpstin Kropf-Brandau: Ich habe kürzlich in der Stadtkirche in Bad Hersfeld zur Barmer Theologischen Erklärung gepredigt und im Anschluss gab es ein Kirchen-Café. Da haben ganz viele Menschen zu mir gesagt, dass sie noch nie etwas von der Barmer Erklärung gehört haben. Und deswegen ist für mich ganz klar, diesen bedeutenden Text überhaupt in das Bewusstsein von Gemeinden hinein zu bringen. Das finde ich wichtig, weil uns dieser Text auch heute noch etwas zu sagen hat. Weil er uns daran erinnert, dass wir eine Verantwortung haben für diese und in dieser Welt. Und dass wir als Kirche auch nicht darin aufgehen, uns nur mit unseren Strukturen zu beschäftigen. Da gibt es schon noch ein paar andere Themen, die es lohnt zu bedenken. Ich glaube, daran erinnert uns dieser Text.
Was mich auch an ihm fasziniert: Dieser Text ist ja in einem Zusammenspiel von Theologen und Laien entstanden. Und gerade Laien waren maßgeblich daran beteiligt, dass er wirklich verabschiedet wurde.
Manchmal braucht es auch eine Erinnerung an die Barmer Theologische Erklärung und - damit verbunden - klare Absagen an alles, was menschenfeindlich ist. Also konkret: ausländerfeindliche Äußerungen, rechtsradikales Handeln und das Propagieren eines Landes, in dem bestimmte Menschen, weil sie anders leben als wir uns das vielleicht vorstellen können, keinen Platz haben.

Scheuermann: Vielen Dank für das Gespräch!

(22.05.2014)