Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 22 Feb 2016

Präses Kirchenrat Rudolf Schulze stellte sich den Fragen von medio-Reporterin Ramona Kopec am 18.2.2016 in Kassel.

Kopec: Präses Schulze, die 12. Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck hat viele wegweisende Beschlüsse auf den Weg gebracht. Was waren für Sie die wichtigsten Beschlüsse dieser Synode?

Präses Schulze: Es gab zwei ganz wesentliche Beschlusspakete. Das eine war, dass wir zu  Beginn der Legislaturperiode die Kooperationsverhandlungen mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zu Ende gebracht und einem Kooperationsvertrag zugestimmt haben, der zwei Arbeitsbereiche unserer Landeskirchen zusammengeführt hat. Nämlich den Bereich Mission und Ökumene, der nun in Frankfurt organisiert ist, und auf der anderen Seite die Religionspädagogische Fort- und Weiterbildung mit dem pädagogisch-theologischen Zentrum in Marburg.
Das ist ein ganz großer Meilenstein gewesen. Wir haben sechs Jahre verhandelt und schließlich eine große Gemeinsamkeit erzielt. Es gibt einen wenig beachteten Nebeneffekt bei der ganzen Geschichte: seitdem wir die Kooperationsverhandlungen geführt haben, nehmen wir beiden Landeskirchen uns nicht nur als Nachbarn im selben Bundesland war, sondern wirklich als Geschwister, die in der Reformation eine gemeinsame Herkunft haben. Und sich als Geschwister zu verstehen, ist etwas anderes als nur Nachbarn nebeneinander zu sein. Da liegt ein Potential drin und dieses wird sich in den nächsten Jahren noch weiter bewähren und die Beziehung zwischen den Landeskirchen enger werden lassen. Das ist der eine große Meilenstein der letzten Legislaturperiode.

Kopec: Und der zweite Meilenstein?
 
Präses Schulze: Der zweite große Meilenstein, das sind die Beschlüsse zum Reformpaket «Volkskirche qualitativ weiterentwickeln», vom vergangenen November. Da haben wir beschlossen 46 Millionen Euro bis zum Jahr 2026 einzusparen. Das ist eine riesige Konzentrationsanstrengung. Aber dieses Bündeln von Kräften versetzt uns in die Lage, auch künftig handlungsfähig zu bleiben und auch aktuellen Herausforderungen wieder begegnen zu können. Das ist mit großer Einmütigkeit beschlossen worden und darauf können die Nachfolgesynoden nun aufbauen.
 
Kopec: Nach den letzten 6 Jahren, auf welchen Kurs sehen Sie die EKKW in der Zukunft?
 
Präses Schulze: Wir sind solide finanziert. Wir haben weiterhin enge finanzielle Spielräume, aber das hilft uns auch, weil wir uns dann nämlich über künftige Investitionen sehr genau Aufschluss geben müssen. Aber klar ist auch, dass wir auch künftig ganz nah bei den Menschen sein werden. Wir werden ein flächendeckendes Pfarrstellennetz weiter aufrechterhalten. Das ist das Markenzeichen dieser weitgehend ländlich geprägten Landeskirche und von unschätzbarem Wert. Wir werden uns aber auch künftigen neuen Herausforderungen stellen müssen.  Zum Beispiel sehen wir in der Flüchtlingsfrage, die nun eine bedrängende Aktualität gewonnen hat, eine große Aufgabe. Wir werden auch künftig an einer nachhaltigen Integration von Flüchtlingen mitwirken. Die Flüchtlingsfrage war ja immer schon unser Thema, dafür haben wir schon seit Jahren das öffentliche Bewusstsein wach gehalten, dass es Menschen gibt, die in Not sind und zu uns fliehen. Ich persönlich gehe soweit zu sagen: Es geht auch darum gegenüber Flüchtlingen, die aus anderen Kulturen kommen, überzeugend für den christlichen Glauben zu werben. Es geht künftig auch darum, Flüchtlingen Taufunterricht anzubieten. Zugleich geht es darum, an dem solidarischen Zusammenhalt innerhalb unserer Gesellschaft weiter mitzuwirken. Das war immer schon unsere Aufgabe, diese stellt sich in dieser historischen Herausforderung, in der unsere Gesellschaft existentiell verunsichert ist, nochmal neu.
 
Kopec:  Noch zwei persönliche Fragen: Welchen Moment während Ihrer Amtszeit haben Sie besonders schwierig erlebt?
 
Präses Schulze: Natürlich gibt es Beschlüsse, die fallen einem leichter als andere. Kompliziert fand ich lediglich die damaligen Beschlüsse zur Kooperation mit Hessen und Nassau, weil in beiden Landeskirchen im Hintergrund große Unsicherheit darüber herrschte, wie viel Selbstständigkeit wir hier aufgeben. Außerdem wirkten sich rechtliche und organisatorische Differenzen erschwerend aus und letztlich stießen hier auch zwei unterschiedliche Kulturen von Kirche aufeinander. Das war ein schwieriger Prozess und da bin ich sehr dankbar, dass der so erfolgreich verlaufen ist und dass wir damals eine so klare Mehrheit dafür bekommen haben. Auch der zweite Schwerpunkt, den ich genannt habe, unseren Reformprozess «Volkskirche qualitativ weiter entwickeln», war natürlich nicht leicht. Da war ich aber von Anfang an sehr optimistisch, weil die Initiative aus der Synode selbst gekommen ist. Der starke Wille, wir wollen uns als Kirche so organisieren, dass wir künftig auch mit einer geringeren Finanzausstattung für die Menschen unsere Dienste tun können, hat zu einer großen Akzeptanz geführt, obwohl viele Synodale aus Bereichen kommen, die künftig Beschränkungen hinnehmen müssen.
 
Kopec: Und welches war für Sie persönlich die Sternstunde dieser Synode?
 
Präses Schulze: Wir haben uns bei aller Beschäftigung mit kirchlichen Reformschritten auch mit großem Ernst den bedrängenden Gegenwartsfragen gestellt und über die neuen weltpolitischen Herausforderungen diskutiert,  wie sich zum Beispiel durch den Ukrainekrieg oder das Terrorregime des sogenannten IS die Friedensfrage in neuer Dringlichkeit stellt. Zuletzt beschäftigte uns sehr das Schicksal der vielen Flüchtlinge. In zwei Synodaltagungen haben wir den Blick auf die vielen verfolgten Christen der Welt gerichtet, als uns betroffene Christen aus Ägypten und aus Pakistan besucht und uns vom Schicksal ihrer Verwandten berichtet haben. Die grausame Lage der Christen im Orient kommt bei uns in der Presse in ihrem Ausmaß nicht wirklich zur Geltung. Im Orient sind seit vielen Jahren tausende von Christen auf der Flucht, tausende von Christen werden unterdrückt und gefoltert, viele auch wegen ihres christlichen Glaubens ermordet. Eine fürchterliche Situation. Auch da hat die Synode ihre Solidarität bekundet. Nicht nur das, wir haben uns mit anderen gesellschaftlichen Initiativen zusammen, auch mit der katholischen Kirche, ganz konkret für die zum Tode verurteilte Christin Asia Bibi in Pakistan eingesetzt und das hat zu einem gewissen vorläufigen Erfolg geführt. Das Todesurteil wurde nicht vollstreckt. Also dieses eindeutige sich an die Seite der notleidenden Geschwister zu stellen, das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung in der Synode, so dass ich doch mit gewissem Stolz auf dieses Parlament schaue, weil es weiß, was zur rechten Zeit zu tun ist.
 
Kopec: Herr Präses, vielen Dank für das Gespräch!

(18.02.2016)