Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 22 Feb 2016

Prälatin Marita Natt stellte sich den Fragen von medio-Reporter Torsten Scheuermann am 18.2.2016 in Kassel.

Scheuermann: Frau Prälatin Natt, wie sollte der theologische Nachwuchs in der Zukunft aussehen? Welche Fähigkeiten sollte er haben?

Prälatin Natt: Eine interessante Frage! Theologischer Nachwuchs, das sind junge Menschen, die sich für den Pfarrberuf entschieden haben. Sicher hatten sie gute Gründe dafür. Was ich mir wünsche ist, dass sie ihre Lust an theologischen Fragen und ihre Liebe zu Gott und den Menschen behalten! Es geht um das, was im Leben und im Sterben trägt. Davon zu erzählen, überzeugt und mit vollem Herzen sollen sie sich bewahren. Sie fragen nach Fähigkeiten: Nun, Kommunikationsfähigkeit ist wichtig. Pfarrerinnen und Pfarrer sollten in der Lage sein mit unterschiedlichsten Menschen ins Gespräch zu kommen. In der Seelsorge müssen sie sich vielen Fragen stellen nach dem «Warum» in tragischen Todesfällen oder nach Trennungen. Da wünsche ich ihnen viel Sensibilität- auch im Wahrnehmen der eigenen Grenzen. Supervision in Anspruch zu nehmen, gehört heute zur Ausbildung, und das ist gut so. Jugendliche und Erwachsene suchen mehr denn je nach Orientierung. Ihnen hilfreiche Antworten geben zu können ist nötig. Viele Menschen möchten sich engagieren und brauchen Impulse, schön, wenn sie Angebote in ihrer Gemeinde finden. Fröhlichkeit, Ernsthaftigkeit, Glaubwürdigkeit sind gute Gaben. Die Fähigkeit ansprechende Gottesdienste zu feiern. Aber auch Leitungsaufgaben zu übernehmen gehört zum Pfarrberuf. Ja, Mut und Lust wären schön! Neugierde wäre wunderbar. Interesse an dem, was gesellschaftlich in Bewegung ist. Und ein offenes Herz für die, die kommen und neue Heimat suchen; denn das wird eine Aufgabe sein, die uns als Kirche noch lange Zeit erhalten bleibt.

Scheuermann: Auf der Synode wird über Stipendien für zukünftige Theologiestudenten entschieden. Wie soll das genau aussehen?

Prälatin Natt: Wir entscheiden über ein Gesamtkonzept, zu dem auch ein Stipendium gehört. Weiterhin wird es Angebote des Studienhauses geben, vernetzt mit RPI, Hans von Soden Institut, Ökumenedezernat  und anderen. Darüber hinaus soll ein Mentoring Programm angeboten werden. Pfarrerinnen und Pfarrer, die ihre Erfahrungen mit den jungen Leuten teilen, sollen als «geistliche Begleiter» helfen, das an der Uni Erlernte zu «erden». Ein Begleitprogramm wird erarbeitet. In enger Absprache mit den Studierenden soll das geschehen. Es soll der persönlichen Orientierung, der beruflichen Entwicklung und natürlich auch der kirchlichen Bindung dienen. Schlicht gesagt: wir möchten den Theologiestudierenden ihre Landeskirche lieb und wichtig  machen. Zu den Stipendien: eine Arbeitsgruppe hat dazu in einem ersten Entwurf Richtlinien formuliert.  Die finanzielle Unterstützung beträgt monatlich 500 Euro, es gibt keine Vorbedingungen außer der Sprachfreiheit. Das Stipendium muss nicht zurückgezahlt werden, allerdings verpflichtet man sich für die Dauer der Jahre, die das Stipendium gezahlt wurde, in unserer Landeskirche  tätig zu sein.  Es ist freiwillig, es gibt keine Beschränkung, es werden keine Nachweise über besondere Fähigkeiten verlangt, es wird allen gewährt, die es beantragen. Uns liegt daran, dass die jungen Leute Freiräume zum Studieren haben, wir möchten sie mit unserem Angebot motivieren. Dabei haben wir sowohl Pfarramts- als auch Lehramtsstudierende  im Blick. Deshalb  ist auch geplant, eine halbe Stelle zur Begleitung Studierender in Kassel zu errichten, die in enger Vernetzung mit der dortigen ESG arbeiten soll.

Scheuermann: Was will die EKKW mit den Stipendien erreichen?

Prälatin Natt: Wir möchten die Bindung der Theologiestudierenden an unsere Landeskirche stärken. Wir wollen sie fördern und begeistern. Durch finanzielle und inhaltliche Unterstützung sollen sie gut vorbereitet und motiviert in den Beruf einsteigen können.

Scheuermann: Zu einem anderen Thema: Die Landeskirche baut am Edersee ein neues Haus für die Arbeit von «Kirche unterwegs». Was ist das Ziel?

Prälatin Natt: Die guten Erfahrungen, die seit den siebziger Jahren mit «Kirche unterwegs» am Edersee - der attraktivsten Tourismusregion Hessens - gemacht wurden, müssen aufrechterhalten und weiter ausgebaut werden. Es gibt sehr viele Menschen, die sich mit «Kirche unterwegs»  identifizieren. Sie haben hier so etwas wie eine kirchliche Heimat gefunden. Die sonntäglichen Gottesdienste, die Angebote für Familien und Kinder erfreuen sich größter Beliebtheit.  Mehr als 80 Männer und Frauen arbeiten ganzjährig ehrenamtlich mit, die Gemeinden rund um den Edersee unterstützen die Arbeit ebenso wie die Stadt Waldeck und das Tourismusbüro.  Übrigens sind mindestens 30 Pfarrerinnen und Pfarrer aus der ehrenamtlichen Arbeit hervorgegangen. Peter Dietrich, Pädagoge und Prädikant, ist hier mit den Ehrenamtlichen seit vielen Jahren in hohem Maße «missionarisch» tätig. Mittlerweile sind allerdings die Bauwagen, in denen die Ehrenamtlichen untergebracht werden ebenso marode wie die Toilettenanlagen und das Kirchenzelt. Es hätte schon längst dort investiert werden müssen. Nun geht es ums Ganze. Sehr ansprechende Entwürfe für ein schlichtes Holzensemble, das eine Kirche und einen Wohntrakt umfasst, liegen vor. Das kostet Geld, aber ich bin überzeugt davon, dass viele den Bau begleiten und unterstützen werden, sowohl mit tatkräftiger Hilfe als auch mit Finanzen. Mein großer Wunsch ist es, die Strahlkraft dieses Ortes zu bewahren und noch mehr auszuweiten. Zum Beispiel für Konfirmandengruppen, die hier zelten und auf vielfältige Weise dem Evangelium begegnen können. Die Stadt Waldeck hat der Kirche ein Filet-Grundstück am See angeboten und mehrfach die Vertragsfristen verlängert. Nun wird es Zeit zu entscheiden. Das Konzept ist da, jetzt sollte es losgehen!

Scheuermann: Frau Prälatin, vielen Dank für das Gespräch!