Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 18 Nov 2016

Prälatin Marita Natt stellte sich den Fragen von medio-Onlineredakteurin Ramona Kopec am 16.11.2016 in Kassel.

Kopec: Bei der Synode soll über das Kirchengesetz über die Einführung von Kooperationsräumen in der Landeskirche entschieden werden. Was kann man darunter verstehen?

Prälatin Natt: «Neue Organisationsform zur Förderung der Zusammenarbeit von Kirchengemeinden, Pfarrämtern und des kirchlichen Lebens» so wird es im Beschluss der Synode vom November 2015 bezeichnet. Darum geht es! Dass über die eigenen Gemeindegrenzen hinweg Pfarrerschaft, Kirchenvorstände und Gemeinden sich wahrnehmen, kirchliche Angebote miteinander verantworten.

Kopec: Was heißt das in der Praxis für die Pfarrerinnen und Pfarrer?

Prälatin Natt: Das Kirchengesetz gibt einen weiten Rahmen vor, in dem viele Gestaltungsmöglichkeiten offen sind. Als verbindlich sind lediglich gemeinsam gestaltete Gottesdienste und feste Vertretungsregelungen genannt. Wir erhoffen uns durch flächendeckende Kooperationsräume in unserer Landeskirche einerseits eine größere Wahrnehmung der Gemeinden untereinander und andererseits Entlastung der Pfarrerinnen und Pfarrer durch verlässliche Absprachen bezüglich ihrer Dienste und ihrer freien Zeit. Im Zusammenhang mit einer Beerdigung ist es zum Beispiel ausgesprochen wichtig für Angehörige und Bestatter zu wissen, wer erreichbar ist. Das soll zukünftig noch gesicherter abgesprochen werden können. Weitere Kooperationsmöglichkeiten werden zwar benannt, aber die Teams in den Kooperationsräumen bedenken selbstständig, was sie miteinander verantworten können und wollen. Neben Pfarrerschaft und Kirchenvorstandsmitgliedern können weitere Mitarbeitende regelhaft an den Dienstbesprechungen im Kooperationsausschuss teilnehmen. Mit Blick auf multiprofessionelle Teams kann hier schon Zusammenarbeit geschehen. Vieles davon wird ja bereits in den sogenannten «Nachbarschaftsverbünden» erprobt.

Kopec: Wie sehr greifen Sie in den Arbeitsalltag ein und wie sehr verändert sich dadurch der Pfarrberuf?

Prälatin Natt: Der Pfarrer oder die Pfarrerin plant und entscheidet nicht mehr ausschließlich für sich allein und seine oder ihre Gemeinde, sondern zusammen mit anderen und für andere. Es mag als Belastung empfunden werden sich regelhaft im Team treffen zu müssen, Absprachen zu vereinbaren, andere Meinungen und Ansichten über Gemeindearbeit und funktionale Dienste zu tolerieren. Es mag aber auch als eine Bereicherung erfahren werden und als geistliche Stärkung! Das würde ich mir sehr wünschen, denn so habe ich es als Berufsanfängerin im Oberweserbezirk erlebt. Als Schwestern und Brüdern haben wir uns in den Dienstbesprechungen gegenseitig in vielerlei Hinsicht Stütze und Halt gegeben, Ideen ausgetauscht, miteinander Gottesdienste geplant und gefeiert. Den Blick über den eigenen Kirchturm hinaus zu richten, mit anderen zusammen zu kommen und Kirche in einer Region zu gestalten, das erscheint mir auch heute noch als große Chance für die Zukunft. Dass dabei jede und jeder ihren eigenen Seelsorgebereich behält ist ausdrücklich festgehalten. Die parochiale Zuständigkeit für Seelsorge und Amtshandlungen bleibt also weiterhin bestehen.

Kopec: Kann das Gesetz auch für Zündstoff sorgen?

Prälatin Natt: Es wird sicher unterschiedlich wahrgenommen. In manchen Regionen ist Kooperation ganz einfach, bietet sich an und die Nachbarschaft funktioniert. In anderen ist das deutlich schwieriger, stößt an Grenzen. Auch an Kirchenkreisgrenzen. Es wird vorgeschlagen, über Kirchenkreisgrenzen hinweg Kooperationsräume möglich zu machen, aber das sollte die Ausnahme sein. Andere Grenzen sind eher menschlicher Art. Manche Kolleginnen und Kollegen können nicht gut miteinander arbeiten, weil sie sehr unterschiedlich sind in ihrer Theologie, ihrem Selbstverständnis, ihrer Arbeitsauffassung. Das werden sicher Herausforderungen sein sowohl für die Dekaninnen und Dekane als auch für die Kirchenkreisvorstände, die die Kooperationsräume in Absprache mit Pfarrerinnen und Pfarrern einrichten. Am Ende wird es eine Kooperationsvereinbarung geben, die von allen Beteiligten unterschrieben wird. Im Übrigen sind die Rückmeldungen, die ich bisher bekommen habe, im Großen und Ganzen positiv ist.

Kopec: Die Synode beschäftigt sich schon seit längerem mit der Nachwuchsgewinnung und die Landeskirche hat bereits Initiativen gestartet. Wie schaut es da aus, wo stehen wir im Moment?

Prälatin Natt: Ich habe mir vor kurzem die neusten Zahlen geben lassen: Wir haben nach Aussagen von Frau Dr. Sommer allein in diesem Jahr 29 neue Anmeldungen auf unserer kurhessischen Studierendenliste. Das freut uns sehr! Im vergangenen Jahr waren es fünf. Johannes Meier, mit halber Stelle für die theologische Nachwuchs-gewinnung zuständig, hat in verschiedenen Universitäten interessante Materialien über unser Landeskirche und unser Angebot an die Studierenden ausgelegt. Das sorgt für Aufmerksamkeit, auch über die Landeskirche hinweg. Aber es sind tatsächlich vorwiegend kurhessische Studierende, die sich jetzt ganz bewusst entscheiden: «Ich möchte mich auch in dieser Landeskirche auf die Liste setzen lassen und ich möchte da auch meinen pfarramtlichen Dienst beginnen». 22 haben einen Antrag auf ein Stipendium gestellt, insgesamt sind es jetzt ca. 80 junge Menschen, die Theologie studieren. Das gibt für die Zukunft schon eine gewisse Sicherheit. Aber es dürfen unbedingt noch mehr sein. 100 bis 120 wären mein Traum! Ich muss allerdings sagen, ich blicke jetzt viel zuversichtlicher in die Zukunft als noch vor zwei Jahren. Unser Nachwuchs hat wahrgenommen, dass wir sie wertschätzen und ihnen eine gute Ausbildung und Zukunft sichern wollen. Das gilt im Übrigen nicht nur für unsere Theologinnen und Theologen, sondern auch für andere kirchliche Berufe. Auch für sie müssen wir Werbung machen.

Kopec: Sie haben schon in der Pressekonferenz verraten, dass Sie einen neuen Akzent im Eröffnungsgottesdienst der Synode setzen wollen. Welcher wird das sein?

Prälatin Natt: Neues! Neue Lieder. Ich bringe fünf Lieder aus dem gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau verantworteten Begleitheft zum Kirchengesangbuch mit. Dieses Begleitheft wird im Rahmen des Landeskirchenmusiktages im September 2017 vorgestellt werden. Es ist noch nicht gedruckt, noch nicht gebunden, noch nicht fertig, aber nach Rücksprache mit Landeskirchenmusikdirektor Maibaum wurde ein Liedblatt für uns erstellt. Zu Beginn der Herbstsynode, die ja regelhaft am Montag nach dem Ewigkeitssonntag beginnt, möchte ich mit den Synodalen diese neuen Lieder singen, die von Frieden und Gerechtigkeit, von Gottvertrauen und der Bedeutung einer Gemeinschaft in seinem Geist erzählen. Als Predigttext habe ich die Jahreslosung 2017 gewählt, wo es um einen neuen Geist und ein neues Herz geht. Der Gottesdienst, in dem der Präses, Kantorin Böhme, Kirchenmusikdirektor, Popkantor und ein Quartett von Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern mitwirken, soll ein beschwingter und ermutigender Auftakt für unsere Arbeit sein.

Kopec: Frau Prälatin, vielen Dank für das Gespräch.

(16.11.2016)