Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 28 Nov 2012

Bischof Prof. Dr. Martin Hein stellte sich den Fragen von medio!-Redaktionsleiter Christian Fischer am 26.11.2012 in Hofgeismar.

Fischer: Herr Bischof, Sie haben Ihrem Bischofsbericht in diesem Jahr unter das Thema «Tägliches Brot» gestellt. Warum dieses Thema?

Hein: Wir beschäftigen uns in der  Kirche schon lange mit den Fragen der Ernährung in dieser Welt. Seit vielen Jahren gibt es die Aktion «Brot für die Welt», die sich um die Bekämpfung des Hungers in der Welt kümmert. Das ist ein Anliegen, das uns unmittelbar angeht. Aber es geht nicht nur um unsere Verantwortung für die Hungernden in der Welt, sondern es geht auch um unsere eigene Verantwortung im Umgang mit dem, was wir haben, was Gott uns jedes Jahr zum Leben schenkt. Ich hab das mit dem Stichwort der «Ehrfurcht vor den Lebensmitteln» auszudrücken versucht.

Fischer: Wo sehen Sie Defizite?

Hein: Ich sehe Defizite darin, dass bei den Nahrungsmitteln inzwischen alles als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Man glaubt alles haben zu können, und deswegen sieht man in den Lebensmitteln nicht mehr das, was sie sind, nämlich die Grundlage unseres Lebens. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass in Europa so viele Lebensmittel weggeworfen werden, dass man damit zweimal die Weltbevölkerung ernähren könnte, so sind das erschreckende Zahlen. Da haben wir als Kirche den Auftrag, das beim Namen zu nennen und dafür zu werben, dass wir achtsam konsumieren.

Fischer: Herr Bischof, was muss sich ändern und wer muss sich ändern?

Hein: In aller erster Linie ist das kein Appell an Andere, sondern an uns selbst. Wir müssen uns als Konsumenten ändern. Wir sollten uns stärker regionalbezogen ernähren, sollten darauf verzichten, ausgerechnet im Winter Dinge zu haben zu wollen, die eigentlich bei uns im Sommer auf den Tischen kommen. Beim Spargel ist das üblich, da weiß man, wann die Saison beginnt und wann sie endet -  mit dem Johannestag -  und dann wird im Winter eben kein Spargel gekauft. Bei anderen Dingen ist es heute selbstverständlich, sie immer essen zu können. Es gibt den Rhythmus des Jahres nicht mehr und ich glaube, wir könnten viel gewinnen, wenn wir uns stärker im Kreislauf des Jahres ernährten und die Möglichkeiten entdeckten, regionale Produkte zu essen. Das Ganze führt dann auch dazu, dass die Produzenten vor Ort gestärkt werden.

Fischer: Neben der Nahrungsmittelproduktion steht für viele Landwirte auch die Produktion von Rohstoffen zur Energiegewinnung auf der Tagesordnung. Was beunruhigt Sie bei dieser Entwicklung?

Hein: Die Frage «Teller oder Tank» wird unserer Gesellschaft gegenwärtig überall diskutiert. Mich beunruhigt, dass die Nutzung nachwachsender Rohstoffe zu einer Verteuerung der Lebensmittelpreise geführt hat, ohne dass man damit wirksam mehr Kraftstoffreserven geschaffen hat. Ich halte die Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen wie Bioethanol eher für problematisch. Das führt nicht dazu, dass wir niedrigere Energiepreise, sondern dass wir insgesamt höhere Nahrungsmittelpreise haben. Und wenn man überlegt, dass die Mehlpreise im vergangenen Jahr bei uns um 25 Prozent gestiegen sind, ist das eben Ausdruck dieser veränderten Sachlage. Damit will ich nicht in Abrede stellen, dass für Landwirte in unserer Region durch die Abnahmegarantie natürlich gewisse finanzielle Voraussetzungen geschaffen worden sind, mit denen sie kalkulieren können. Hier geht es darum, differenziert abzuwägen: Welche Konsequenzen hat die Energiewende in Deutschland und was tragen wir dazu bei? Es gibt ernstzunehmende wissenschaftliche Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass wir nicht im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe weiter investieren sollten, sondern andere Formen der Energiegewinnung in den Vordergrund rücken müssten.

Fischer: Was kann die Evangelische Kirche tun, damit Lebensmittel besser genutzt werden?
 
Hein: Die Kirchen in Deutschland, evangelisch wie katholisch, sind mit ihren vielen Einrichtungen ein großer Abnehmer von Erzeugerangeboten. Hier müssen wir sorgfältiger auswählen, müssen auch unsere Marktstellung ausnutzen und darauf achten, dass der Umdenkprozess bei uns selbst beginnt. Es geht um die Frage: Wie wird bei uns die Beschaffung von Lebensmitteln in diakonischen Einrichtungen oder etwa im Betriebsrestaurant im Haus der Kirche durchgeführt? Ist es völlig ausgeschlossen, fair gehandelten Kaffee anzubieten – oder sollte es nicht einfach selbstverständlich sein? Ich möchte dazu anregen, bewusster zu leben und dabei die Verantwortung im Blick zu behalten, die wir für die Menschen haben, die an Hunger leiden.

Fischer: Herr Bischof, vielen Dank für das Gespräch!

(26.11.2012)