Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 28 Nov 2012

Oberlandeskirchenrat Rüdiger Joedt, Dezernent für Arbeitsrecht, stellte sich den Fragen von medio!-Redaktionsleiter Christian Fischer am 26.11.2012 in Hofgeismar.

Fischer: Herr Joedt, in Erfurt hat es Urteile zum Streikrecht von kirchlichen und diakonischen Mitarbeitern gegeben. Was bedeuten die Erfurter Urteile für unsere Landeskirche?

Joedt: Herr Fischer, das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem ersten Senat zum ersten Mal grundsätzlich Stellung genommen zu den Möglichkeiten des Dritten Weges im Verhältnis zu einer gewerkschaftlichen Betätigung, konkret der Nutzung  des Grundrechts der Koalitionsfreiheit nach unserem Grundgesetz. Das Verständnis der Entscheidungen wird dadurch erschwert, dass die Klagen zwar alle abgewiesen worden sind, aber der Senat in der zunächst mündlich vorgetragenen Begründung deutlich machte, worauf es künftig ankommen wird in solchen Fragen.

Fischer: Und worauf wird es ankommen?

Joedt: Die Kirchen haben in Ausübung ihres kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes die Möglichkeit, die schon vorhandenen Verfahren zu einer Arbeitsrechtssetzung weiter zu führen, dabei müssen sie Gewerkschaften die Möglichkeit geben, sich zu betätigen. Die gefundenen Entscheidungen in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen müssen verbindlich sein für die Arbeitgeber und Mindestbedingungen für die Arbeitnehmer enthalten. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, besteht, so die mündliche Begründung, kein Streikrecht für Arbeitnehmer in einer Kirche oder einem Diakonischen Werk.

Fischer: Also wenn die Bedingungen erfüllt sind, ist das Streikrecht nicht gegeben. Gestreikt werden kann, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind?
 
Joedt: Ja. Die Schwierigkeit besteht darin, dass innerhalb dieses Dritten Weges der Kirchen, mit diesen paritätisch besetzten Kommissionen, die Gewerkschaften sich betätigen können müssen. Wenn eine Gewerkschaft sagen würde «ich möchte mich nicht in einem solchen Dritten Weg betätigen, sondern ich will einen Tarifvertrag verlangen», dann können sie nach der Begründung dafür kein Streikrecht einsetzen. Das heißt, wenn die Kirchen ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben und ein bestimmtes Verfahren vorschreiben, müssen sich die Gewerkschaften in diesem System bewegen. Hintergrund für diese Ausführungen sind die Anstrengungen des Bundesarbeitsgerichtes, diese beiden widerstreitenden Grundrechte - kirchliche Selbstbestimmung gegen Koalitionsfreiheit - miteinander in einen «schonenden Ausgleich» zu bringen, so die Präsidentin.

Fischer: Das sind Pflichten für die Kirchen und für die Gewerkschaften…

Joedt: Ja, denn wenn die Kirchen diese Möglichkeiten eröffnen, besteht kein Streikrecht. Die Gewerkschaften können sich in dem Dritten Weg im übrigen koalitionsmäßig betätigen. Der Verzicht auf das Streikrecht ist bei diesem schonend zu findenden Ausgleich dann letztlich hinzunehmen, aber er muss eben konsequent ausgebildet sein.

Fischer: Was ändert sich denn für die Dienstgeber in der Evangelischen Kirche, das heißt die Kirchengemeinden, die Kirchenkreise, die Einrichtungen auf der einen Seite und auch für die Arbeitnehmer auf der anderen Seite?

Joedt: Wir haben jetzt in dieser Synode einen konkreten Gesetzvorschlag für die fusionierende Diakonie. Die Regeln, die dort - oder wie im bisherigen Kirchengesetz - vorgesehen werden, halten den Bedingungen, wie wir sie jetzt zunächst mündlich im Bundesarbeitsgericht von dem ersten Senat gehört haben, stand. Das heißt, Gewerkschaften sind aufgefordert sich in diesem Weg zu beteiligen. Für Kirchenkreise, Kirchengemeinden und andere Anstellungsträger in Kirche und Diakonie bleiben deswegen Regelungen, die die Arbeitsrechtliche Kommission beschließt, auch künftig verbindlich.

Fischer: Ein Knackpunkt scheint das Verhältnis zu den Gewerkschaften zu sein. Wie wird sich aus Ihrer Sicht aufgrund des Urteils das Verhältnis entwickeln. Welche Entwicklung wünschen Sie sich?

Joedt: Ich wünsche mir, dass die Gewerkschaften sich bei uns jetzt betätigen in den Kommissionen. Wir hatten früher in Kurhessen-Waldeck schon einmal Ver.di-Vertreter mit am Tisch, bis sich Verdi entschlossen hat, aus dem Dritten Weg heraus zu gehen. Ich wünsche mir, dass sie wieder kommen.

Fischer: Gibt es da bereits Signale?

Joedt: Bisher habe ich von Gewerkschaften konkret für unsere Landeskirche noch nichts gehört. Die ersten Äußerungen aus dem gewerkschaftlichen Bereich gehen immer noch in Blick auf Tarifverträge. Das hieße, sie würden sich nicht beteiligen. Dann bliebe es bei der weiteren Möglichkeit für eine Kommissionsbildung, dass Mitarbeitervertretungen ihre Vertreter in die Kommissionen wählen. Das sind oft gewerkschaftlich organisierte und engagierte Mitarbeiter, aber wenn es denn dabei bliebe, dann würden die Gewerkschaften als solche nicht kommen. Wir laden sie ein.

Fischer: Vielen Dank für das Gespräch!

(26.11.2012)