Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 27 Nov 2012

Das Interview führte medio!-Redaktionsleiter Dr. Siegfried Krückeberg am 31. Oktober 2012 in Frankfurt am Main.

Krückeberg: Herr Gern, die geplante Fusion der Diakonischen Werke von Hessen Nassau und Kurhessen-Waldeck ist jetzt beschlossene Sache. Warum ist sie so wichtig?

Gern: Der wichtigste Grund für die Fusion ist, dass wir zusammen gehören und die gleichen sozialpolitischen, diakonischen und kirchlichen Interessen haben. Wir wollen ein Werk werden, weil wir der Überzeugung sind, dass wir unsere Synergien und Kräfte nutzen können für Innovationen, um für Menschen in Schwachheit da zu sein. Das können wir auf Bundeslandebene besser gemeinsam als getrennt. Deswegen gehen wir den Weg der Fusion.

Krückeberg: Die Fusion zu einem Diakonischen Werk in Hessen soll Synergieeffekte bringen. An was denken Sie denn konkret?

Gern: Ich denke an Synergien in Blick auf Mitarbeitende, Fachgebiete und die sozialpolitische Vertretung in der Liga der freien Wohlfahrtspflege.

Rühl: Und ich denke daran, dass es im Land Hessen an manchen Stellen sichtbar ist, wenn wir schon jetzt mit einem gemeinsamen Briefkopf schreiben. Das geschieht zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe, wenn eine Stellungnahme zu Entscheidungen der Landesregierung auf den Weg gebracht wird, die von beiden Vorstandsvorsitzenden unterschrieben ist, dann hat das mehr Gewicht und Bedeutung, als wenn das nur eine Stellungnahme für einen Teilbereich der Diakonie Hessen erfolgt wäre. Und fachlich hat es nach meiner Erfahrung auch eine größere Tiefe.

Krückeberg: Die zukünftige Landesgeschäftsstelle des Diakonischen Werks wird in Frankfurt am Main sein. Welche Auswirkungen hat das auf den Standort in Kassel?

Rühl: Es hat zum einen für den Standort Kassel gar keine Auswirkungen, weil die Mitarbeiterschaft am Standort Kassel auch dort verbleiben wird. Zum anderen hat es für beide Standorte erhebliche Auswirkungen, weil sich alle Mitarbeitenden nicht nur im Kopf, sondern vermutlich auch ab und zu im Zug, auf einander zu bewegen müssen. Jetzt müssen unterschiedliche Kulturen und unterschiedliche Befähigungen zusammenwachsen, um damit auch die Kompetenz und Professionalität der Arbeitsbereiche zu erhöhen. Dazu bedarf es dauerhaften Austausches, es bedarf vieler Telefon- und, hoffentlich in Zukunft auch Videokonferenzen, in denen sich die Mitarbeitenden in den Bereichen auf kürzestem Wege abstimmen zu können.

Gern: Das Erfreulichste am Fusionsprozess ist für mich im Augenblick, wie sehr die Mitarbeitenden in Kassel und in Frankfurt sich auf einander zu bewegt haben. Ohne dass wir viel dazu getan hätten, haben sie sich in Arbeits- und Projektgruppen zusammen getan und Arbeitsbereiche gebildet. Selbstverständlich haben wir daran mitgewirkt und haben auch entschieden, welche Arbeitsbereiche es geben soll, aber die Mitarbeitenden sind in erstaunlich schneller, entwickelter Solidarität auf einander zu gegangen.

Krückeberg: Die Frage der zukünftigen Bezahlung konnte ja noch nicht abschließend geklärt werden Herr Gern. Welche Auswirkungen hat die Fusion darauf?

Gern: Na, es wird eine arbeitsrechtliche Kommission für das neue Werk geben, das wird auch von den beiden Synoden entschieden werden müssen. Und dann wird es selbstverständlich einen Tarif geben.

Krückeberg: Trotz der Fusion wird es weiterhin zwei Standorte geben. Wie werden da die Schwerpunkte gesetzt?

Rühl: Wir verantworten unsere Arbeitsbereiche an beiden Standorten gemeinsam. Die Diakonie in Kurhessen-Waldeck ist z.B. in der Behindertenhilfe profilierter, im gemeinsamen Bereich werden wir die Federführung übernehmen und unsere Fachlichkeit in das Gemeinsame eintragen. Und dann ist das die Behindertenhilfe Hessen, wer denn sonst?
In der Frage der Sozialraumorientierung, der Armutsprojekte und der Existenzsicherung ist die südhessische Diakonie bisher schon stärker gefordert, weil die entsprechenden Problemstellungen im Rhein-Main-Gebiet stärker auftreten. Von diesen Erfahrungen können wir doch als Nordhessen nur profitieren, weil wir ähnliche Entwicklungen, die im städtischen Bereich zu beobachten sind, spätestens in fünf bis sechs Jahren auch in den ländlicheren Regionen spüren werden. Die wird es aber auch im Odenwald, im Spessart und im Vogelsberg geben wie im Habichtswald, im Meißner und in und um Bad Karlshafen.
Wichtig ist mir darüber hinaus, dass wir auf diesem Wege das diakonische Zeugnis in unseren Kirchen noch deutlicher profilieren, als wir es bisher schon getan haben. Wir sind eben nicht nur ein Anhängsel der Kirchen, sondern wir sind ein wesentlicher Teil kirchlichen Lebens.

Gern: Martin Luther hat gesagt: «Der Glaube ist der Täter, die Liebe die Tat.» Glaube und Liebe gehören zusammen, man kann nur aus Liebe Glaube haben und nicht aus Abgrenzung oder Hass. Deswegen sagen wir auch, wir müssen zusammen gehören auf der sozialpolitischen Ebene des Bundeslandes, wir können nicht mit zwei oder drei Diakonie-Stimmen reden, sondern, wenn wir verständlich seien wollen und wenn wir in Zeiten der sozialpolitischen Krise von der Altenhilfe bis zur Jugendhilfe agieren wollen, müssen wir das mit einer Stimme, mit einer Kraft, mit einem Werk tun.

Krückeberg: Vielen Dank für das Gespräch.

(31.10.2012)