Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 09 Jun 2020

Hanau (epd). Der Schirmherr der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Hanau, John Kannamkulam, hat eine Veränderung auf der politischen Ebene nach dem Terroranschlag in Hanau vom 19. Februar beobachtet. Er erlebe seither eine höhere Sensibilität beim Umgang mit dem Thema Rassismus, sagte der in der südhessischen Stadt geborene Sohn indischer Einwanderer am Montagabend bei einer Online-Podiumsdiskussion unter dem Motto «Wir sind alle gleich?!». «Die gelebte Vielfalt ist da, diesen Glauben will ich nicht aufgeben», betonte Kannamkulam.

Dieser Einschätzung widersprach Saba-Nur Cheema von der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main. Sie habe nur kurzzeitig eine Veränderung wahrgenommen, sagte sie. So gebe es immer noch eine strukturelle Diskriminierung in der Gesellschaft. Bei Diskussionen über den Rechtsextremismus werde dessen Ideologie oft ausgeblendet. Bei dem Hanauer Terroranschlag und bei den Attentaten des NSU seien Menschen getroffen worden, die nicht in ein völkisches Weltbild gepasst hätten. «Wir müssten schon viel weiter sein», sagte sie.

Unter dem Titel «Wir sind alle gleich ?!» diskutierten die Teilnehmenden auf der Videokonferenz-Plattform Zoom. (Foto-Quelle: Ev. Forum Hanau)

Unter dem Titel «Wir sind alle gleich ?!» diskutierten die Teilnehmenden auf der Videokonferenz-Plattform Zoom. (Foto-Quelle: Ev. Forum Hanau)

Die Erziehungswissenschaftlerin Astrid Messerschmidt von der Bergischen Universität Wuppertal erklärte, Attentate wie in Hanau würden durch zwei Verleugnungen in der Gesellschaft erst möglich. So werde zum einen geleugnet, dass es einen Rassismus in Deutschland gebe, zum anderen, dass Deutschland eine Migrationsgesellschaft sei. In Deutschland gebe es starke Beharrungskräfte, die immer das Bild von einem «reinen Deutschland» pflegten. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Ideologie des Nationalsozialismus habe nicht stattgefunden. So würden die Opfer des rechten Terrorismus nicht als zur Gesellschaft zugehörig anerkannt.

Kannamkulam wies auf einen wichtigen Unterschied zwischen Rassismus und Rechtsextremismus hin. «Jeder kann ein Rassist werden, aber nicht jeder Rassist ist ein Rechtsextremist», sagte er. Opfer rechter Gewalt seien auch Menschen ohne Migrationshintergrund wie etwa der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke.

Zu der Podiumsdiskussion hatten das Evangelische Forum und die Volkshochschule Hanau sowie deren Förderverein eingeladen. Fast 50 Besucher nahmen teil. Eine Aufzeichnung der Veranstaltung soll demnächst auf der Internetseite des Evangelischen Forums Hanau zu sehen sein.

Hintergrund

Der zum Tatzeitpunkt 43-jährige Deutsche Tobias R. hatte nach Erkenntnissen der Ermittler am 19. Februar 2020 in Hanau in zwei Shisha-Bars neun Menschen erschossen und anschließend seine Mutter und sich selbst getötet. Die Bundesanwaltschaft sieht «gravierende Indizien für einen rassistischen Hintergrund der Tat». Alle in den beiden Bars getöteten Menschen hatten eine Zuwanderungsgeschichte. (09.06.2020)

Internetradio:

Fast vier Monate ist er jetzt her: Der schreckliche Terroranschlag in Hanau hat viele Menschen verunsichert. Viele Hanauer stellen sich die Frage: Wie können wir hier in Zukunft ohne Angst leben? Dazu gab es jetzt eine Podiumsdiskussion. Antje Biertümpel von der Volkhochschule und Pfarrer Steffen Merle vom evangelischen Forum der Stadt erklären, um was es geht:

Raum der Erinnerung in Hanau

Wie gut, wenn man mit seinem Schmerz und seiner Trauer nicht alleine ist. Angehörige der Opfer des furchtbaren Attentats in Hanau können sich jetzt in einem Raum der Erinnerung treffen. Bei dem rassistischen Mord wurden neun Menschen mit Migrationshintergrund getötet. Eine der Angehörigen ist Vaskis Lativa aus Erlensee. Sie trauert um ihren Cousin. Radio-Reporter Siegfried Krückeberg hat sie getroffen und gefragt, was ihr im Raum der Erinnerung besonders gefällt:

Linktipp:

Eine Aufzeichnung der Diskussion finden Sie auf den Seiten des Evangelischen Forums Hanau im Internet unter:

kirchenkreis-hanau.de