Feierlicher Gottesdienst zum Wechsel im Amt des Prälaten: Unser Foto zeigt Burkhard zur Nieden bei sein Predigt in der Kasseler Christuskirche. In dem Gottesdienst wurde sein Vorgänger Bernd Böttner und der scheidende Dezernent für Dienst- und Besoldungsrecht, Oberlandeskirchenrat Dr. Rainer Obrock in den Ruhestand verabschiedet. (Fotos: medio.tv/Schauderna)

Feierlicher Gottesdienst zum Wechsel im Amt des Prälaten: Unser Foto zeigt Burkhard zur Nieden bei sein Predigt in der Kasseler Christuskirche. In dem Gottesdienst wurde sein Vorgänger Bernd Böttner und der scheidende Dezernent für Dienst- und Besoldungsrecht, Oberlandeskirchenrat Dr. Rainer Obrock in den Ruhestand verabschiedet. (Fotos: medio.tv/Schauderna)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 04 Feb 2022

Kassel (medio/epd). Am Montag, 31. Januar 2022, wurde Burkhard zur Nieden in einem Festgottesdienst in Kassel in das Amt des Prälaten der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck eingeführt. Zur Nieden war zuletzt Dekan des Kirchenkreises Marburg und . Der 58-Jährige wurde im vergangenen September durch den Rat der Landeskirche in das Amt berufen. Zur Nieden werde ein gut bestelltes Feld, aber auch große Aufgaben vorfinden, stellte Bischöfin Dr. Beate Hofmann in Aussicht. Dazu bringe zur Nieden, der jetzt ihr theologischer Stellvertreter ist, viel mit: «reichhaltige Gemeinde- und Leitungserfahrung, große Leidenschaft für Theologie und Gottesdienst gepaart mit einem guten analytischen Blick und scharfem Intellekt». Wir stellen den neuen Prälaten im Portrait und Audio-Interview vor. 

Burkhard zur Nieden ist neuer Prälat der Landeskirche

Der theologische Stellvertreter von Bischöfin Dr. Beate Hofmann bringt Optimismus, Pragmatismus und Gemeindeerfahrung mit und will zu Neuem ermutigen. Ein Portrait von Helga Kristina Kothe vom Evangelischen Pressedienst (epd).

Für Burkhard zur Nieden schließt sich ein Kreis: Als Prälat kehrt der Theologe mit seiner Frau in die Heimat zurück, in das Haus seiner Eltern im nordhessischen Großalmerode. Als heimatverbunden habe er sich meist nicht betrachtet, sagt der 58-Jährige. Doch nun spüre er, wie viel ihm das bedeute.

Burkhard zur Nieden ist ein Mensch, der hinhört, was gebraucht wird, und pragmatische Lösungen sucht. Wie vor 25 Jahren an der Auferstehungskirche in der Kasseler Nordstadt: «Ein sozialer Brennpunkt mit bedrückenden Lebensverhältnissen», erinnert er sich an seine erste Gemeindepfarrstelle. Anfangs habe er sich über die wenigen Taufanmeldungen gewundert, bis eine Mutter zu ihm sagte: «Wenn ich zur Taufe einlade, kommt die Familie und sieht, wie ich lebe.» Das habe ihn berührt. So entschied er sich, selbst Tauffeste zu organisieren, damit Familien gemeinsam feiern konnten.

Dass diese Pfarrstelle wegen zu weniger Mitglieder nur gut ein Jahr später gestrichen wurde, habe ihn geschmerzt. «Und das Interesse geweckt, wie die Organisation Kirche funktioniert», fügt zur Nieden an. So schließt sich für ihn ein weiterer Kreis: Als Prälat ist er seit 1. Februar der theologische Stellvertreter von Bischöfin Beate Hofmann und zuständig für das Pfarrpersonal und die Gemeindeentwicklung. Um den Nachwuchs an Theologinnen und Theologen sorgt er sich nicht: «Wir haben genügend für die Kirchengemeinden, die wir in den 2030er Jahren haben werden.»

Er wolle den Übergang in einen «neuen Zustand von Kirche» begleiten, so hat zur Nieden seine Aufgabe nach der Berufung beschrieben. Trotz knapper werdender Ressourcen ist er guten Mutes. «Wir werden kleiner und stark sein, weil unsere Botschaft stark ist. Und wir werden hoffentlich bunter sein.» Das sei eine Hürde, die genommen werden müsse. Er wünsche sich beispielsweise einen guten Austausch mit den vielen Christen, die aus anderen Ländern hierherkämen, um gemeinsame Sichtweisen zu entwickeln.

Der Prälat sieht die Kirche in der Pflicht, sich für Offenheit und Vielfalt und mit aller Kraft gegen Rechtsextremismus einzusetzen. Nach dem Anschlag in Hanau vor zwei Jahren fand er deutliche Worte: «Es gibt nur einen Weg, sich in die Nähe von Rassismus und Diskriminierungen zu begeben, ohne sich schmutzig zu machen: Indem man sie bedrängt und bekämpft.»

Prägend für seinen Berufswunsch war ein Pfarrer in seiner Heimatgemeinde im Werra-Meißner-Kreis: «Ein sehr kluger Mann mit starken Haltungen». Auch zur Nieden steht für offene Worte und die Courage, Konflikte zu benennen: «Ich halte Gegensätze aus.» Darüber zu sprechen, sei heilend.

Burkhard zur Nieden studierte Evangelische Theologie in Göttingen, Bonn und Marburg, absolvierte das Vikariat in Großseelheim, später war er Gemeindepfarrer in Kassel, Baunatal und Oberweimar und schließlich ab 2010 Dekan im Kirchenkreis Marburg. Wenn zur Nieden von seinen Erfahrungen in der Gemeindearbeit erzählt, schwingt Freude und Zufriedenheit mit - etwa, wenn er sich an die vielen Jugendlichen rund um die Gethsemane-Kirche in Baunatal erinnert, denen er ohne Zögern darin Platz bot für Computersportevents. «Es gab zu wenig Raum für Jugendkultur», beschreibt er die Situation Ende der 90er Jahre.

Er möchte alle Pfarrerinnen und Pfarrer, für die er in der Landeskirche Verantwortung trägt, ermutigen, Neues zu wagen. Dafür wolle er ihnen den Rücken freihalten und Räume öffnen, für sie in die Bresche springen, wenn sie in Kritik geraten.

Zur Nieden ist gerne mit seinen Hunden im Wald unterwegs, feilt dabei an Predigten, die er frei spricht: «Ich möchte die Menschen sehen und wissen, ob sie noch dabei sind.» Und er macht Musik, spielt Hammond-Orgel und Keyboard in einer Band - und Cembalo, «lausig, aber gerne».
 

Nachgefragt: Neuer Prälat im Radio-Interview

Junge Menschen für den Pfarrberuf gewinnen - das ist eines der Ziele, die sich der neue Prälat Burkhard zur Nieden gesetzt hat. Siegfried Krückeberg, Leiter der Radioredaktion des Medienhauses der EKKW, hat ihn kurz vor dem Amtsantritt gefragt, wie er das machen will und ein ausführliches Interview zu weiteren Themen geführt. Zur Nieden berichtet unter anderem davon, warum er Pfarrer geworden ist und wie er die Zukunft der Kirche sieht. Hören Sie das Interview in unserem ekkw.de-Player:

Hier können Sie das Interview mit Prälat Burkhard zur Nieden anhören.

«Wir werden kleiner sein, stark und bunt»

blick-Interview mit Prälat Burkhard zur Nieden über seine Vision von Kirche und die Herausforderungen der Zeit

Herr zur Nieden, Sie kommen in bewegten Zeiten an die Spitze der Landeskirche, Stichwort Corona. Wie sehen Sie auf Ihre neue Aufgabe?  

Burkhard zur Nieden: Das Amt des Prälaten ist in unserer Landeskirche noch nie so bekannt gewesen wie gegenwärtig. Das hängt damit zusammen, dass mein Vorgänger Bernd Böttner in herausfordernder Zeit federführend gewesen ist. Die unterschiedlichen Auffassungen, die es gesamtgesellschaftlich gibt, spiegeln wir in unserer Kirche wider. Ich halte es für eine ausgesprochen kluge Entscheidung, dass die Gemeinden lokal beantworten, welche Verhaltensweisen – im Rahmen der geltenden Gesetze –  sie wahrnehmen.

Sie meinen, etwa beim Zugang zu Gottesdiensten? 

zur Nieden: Genau. Zum Zweiten glaube ich, dass es eine kirchenleitende Aufgabe sein wird, innerhalb der Kirche und in der Zivilgesellschaft darauf hinzuwirken, dass wir nach der Pandemie wieder gut miteinander sprechen können. Der Ton der Debatte, die Verbitterung und die teilweise fehlende Bereitschaft, aufeinander zu hören und Argumente wahrzunehmen, das hat eine neue Dimension.

Gibt es andere Schwerpunkte, die Sie als Prälat setzen möchten? 

zur Nieden: Die Weichen wurden in der Kirchenleitung und durch die guten Entscheidungen der Landessynode gestellt. Ich verstehe meine Aufgabe darin, dass der Zug jetzt auf der ersten Strecke auch fährt. Ich glaube, dass wir genügend Pfarrer- und Pfarrerinnen-Nachwuchs haben werden. Indem wir den Blick weiten auf Diakoninnen und Diakone, Pädagoginnen und Pädagogen, auf Sozialarbeitende und Menschen, die im künstlerischen Bereich arbeiten, werden wir genügend Haupt- und Ehrenamtliche haben, um die Aufgaben zu erfüllen. 

Die EKKW steckt in einem Reformprozess. Was ist nötig, um die Zukunft der Landeskirche zu sichern?

zur Nieden: Wir werden über manche Dinge noch entschiedener sprechen. Ich nenne als Beispiel Standortfragen. Ich bin ziemlich sicher, dass wir unseren Gebäudebestand deutlich reduzieren werden. 

2030 wird Ihre Amtszeit enden. Wie wird die Kirche dann aussehen? 

zur Nieden: Kleiner, stark, bunt. Ich rechne damit, dass wir linear kleiner werden. Das kann sich nur verändern, wenn wir aus unserem kulturellen ethnischen Getto ausbrechen. Wir sind sehr an die Gruppe der Einheimischen, der «Bio-Deutschen», gebunden. Protestantismus in Deutschland ist aber viel größer. Ich denke an die Zusammenarbeit mit Gemeinden fremder Sprachen und Herkunft. Ich glaube, dass uns die gegenwärtigen Reformdebatten stark machen. Wir werden ein gutes Stück Selbstbewusstsein gewinnen, weil viele Menschen über die Frage nachdenken: Wer sind wir eigentlich? 

Wir werden bunter sein: Vieles, was konventionalisiert war, wird nicht mehr da sein, weil wir uns in Teilen neu erfinden müssen. Da setze ich auf die Kreativität der Kolleginnen und Kollegen im Pfarramt und der Haupt- und Ehrenamtlichen. 

Ich möchte in meiner Arbeit den Mitarbeitenden in der Kirche weite Räume eröffnen. Ich habe ein tiefes Vertrauen, dass viele Menschen neues Land entdecken, wenn man ihnen die Freiheit lässt und ihnen die Wege nicht vorschreibt. 

Auf der mittleren Ebene findet ein Generationswechsel statt. Ist es schwer, Dekanate zu besetzen?
zur Nieden: Ja, das vermute ich. Das liegt wohl daran, dass das Amt an sich nicht mehr durch sein Prestige getragen wird. Die Wahrnehmung der Politik und in der Zivilgesellschaft wird einem nicht mehr geschenkt. Binnenkirchlich haben wir sehr viel Verantwortung auf die mittlere Ebene verlagert. Sie hat an Aufgaben gewonnen,  und es ist nicht immer klar, ob sie auch alle Werkzeuge dafür hat. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen.

Sie waren selbst Dekan. Warum macht das trotz vieler Arbeit Spaß? 

zur Nieden: Marburg ist eine hochspannende, kleine Universitätsstadt. Dort sieht man viele gesellschaftliche Entwicklungen, auch ein Stück weit intellektuelle Avantgarde. Auch kulturell ist es sehr schön gewesen. Dazu kommt der interreligiöse Dialog, wir pflegen eine sehr sprachfähige Zusammenarbeit – mit allen Chancen und allen Grenzen. Und wir haben eine gute und belastbare Ökumene. Das vermisse ich jetzt schon. Und ich erinnere mich an spektakulär schöne Gottesdienste in unseren wunderschönen alten Kirchen.     

Burkhard zur Nieden (58) ist in Großalmerode aufgewachsen. Er hat Theologie in Göttingen, Bonn und Marburg studiert und war Vikar in Großseelheim. Nach Pfarrstationen in Kassel, Baunatal und Oberweimar wurde er 2010 Dekan des Stadtkirchenkreises Marburg, 2012 des fusionierten Kirchenkreises Marburg. Zur Nieden ist verheiratet.

(aus «blick in die kirche für Mitarbeitende 2/2022»;  Fragen: Olaf Dellit/Lothar Simmank)

Aufzeichnung des Einührungsgottesdienstes am 31.1.2022 in der Kasseler Christuskirche, der im Livestream auf ekkw.de und YouTube mitgefeiert werden konnte.
Im Wortlaut:

Lesen Sie hier die Predigt von Prälat Burkhard zur Nieden im Festgottesdienst am 31.1.2022 in der Kasseler Christuskirche im Wortlaut:

PDF-Dokument

Amt des Prälaten:

Weitere Informationen über Prälat Burkhard zur Nieden und die Aufgaben des Prälaten finden Sie im Internetauftritt des Landeskirchenamtes unter:

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