Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 18 Aug 2017

Kassel (medio/Kreß). Turnschuhe, offene Jacke, ungebügeltes Hemd und eine Gitarre über die Schulter gehängt. Im wilden Gewusel der Oberstufenschüler des Friedrichsgymnasiums Kassel geht Julian Sengelmann, der Theologe, Sänger, Schauspieler und seit neuestem auch Autor ist, den Mittelgang entlang zum Pult der Aula. Im lockeren Plausch mit dem Direktor und einen Scherz für die Schüler auf den Lippen, die noch die Technik vorbereiten - so haben die Oberstufenschüler und -schülerinnen wohl selten einen ihrer geladenen Gäste zum «fg Forum» auftreten sehen. Als facettenreichen, authentischen und coolen Typ beschreiben die Schülerinnen und Schüler den Reformationsbotschafter Julian Sengelmann im Anschluss an die Veranstaltung, der anlässlich der Eröffnung der Wanderausstellung «Luther und Europa» am 17. August 2017 zu Besuch war.
 

Musik hat auch in der Reformation eine wichtige Rolle gespielt

Seine Performance startet Sengelmann mit Musik. «Damit ihr erstmal warm werdet. Musik hat auch in der Reformation eine wichtige Rolle gespielt», so der smarte Musiker zu den Schülern. Ein ungewöhnlicher Vortrag an einem Ort, an dem, wie der Sänger sagt, normalerweise «gestandene Professores stehen». Ein guter Start, denn mit seiner Musik hat er die Schüler auf seiner Seite.

Die obligatorische Selbstvorstellung folgt dennoch: Fest überzeugt - dank seiner Vorbilder «Kevin allein zuhaus» und seiner großen Schwester - Schauspieler und Musiker zu werden, war dieser Weg nach dem Abitur in Hamburg erst einmal zu Ende. Sengelmann schrieb sich nicht in die Schauspielschulen ein. Seine Band löste sich kurz danach auf. Der Entschluss zum Theologiestudium sei dann gefallen, weil dieses die von ihm geschätzten humanistischen Bildungsideale beinhaltet habe - und es ihm später immer noch ermöglichte, Schauspieler und Rockstar zu werden. Kurz danach bot sich ihm die Möglichkeit, bei einer ZDF-Produktion mitzuspielen und von da an habe er als «rastloser Typ» alles gleichzeitig gemacht: Studium, Schauspiel, Musik. Mittlerweile habe er sich seine Nische gebaut und tritt in ARD und MDR als «studierter Pop-TV-Theologe» auf. Den Entschluss als Reformationsbotschafter der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) für die Ideen der Reformation zu werben, fasste er, weil es ihm wichtig ist, einen Bezug zwischen dem Leben der Menschen und der Reformation wiederherzustellen.

Als Protestant sollte man sich für Freiheit einsetzen

Sengelmann verzichtet auf den erwarteten Vortrag und stellt sich den kritischen Fragen der Schülerinnen und Schüler zur Religion und Reformation. Er erklärt, dass sein Interesse für die Reformation sich auf der Gewissheit gründe, dass  Scheitern nicht das Ende sei: «Nur, weil ich gescheitert bin, heißt, das nicht, dass ich gescheitert bleiben muss.» Ihn reize auch, dass es in der Reformation ganz viel um Freiheit gehe, für die man sich als Protestant einsetzen sollte. Dabei ende die persönliche Freiheit da, wo die des Anderen beginne. Er räumt gegenüber den Schülern jedoch ein, dass Martin Luther mit solchen Erkenntnissen zwar viel Gutes geleistet habe, allerdings auch kein «Held» in Hinblick auf seine antisemitische Haltung in späteren Lebensjahren gewesen sei.

Imponiert hat Sengelmann, dass sich Luther schon damals mit einem Problem befasst hat, das auch heute noch aktuell ist: Luther war der Meinung, dass die Kirche keinen Selbstzweck habe, sondern den Auftrag, sich in ihren Formen stets zu verändern, um nah an den Menschen zu bleiben. Gleichzeitig käme es auch darauf an, was man als Christ oder Christin suche. Sind es eher traditionelle oder moderne Elemente der Kirche, die einem das Gefühl geben, dass jeder Mensch ankommen kann und gesehen wird, wie er ist? 

Reformation auch ohne Kirchenbezug eine wichtige Sache

Nach einem musikalisch-lockeren Ausstieg fällt das Resümee für die Veranstaltung der Schüler und Schülerinnen positiv aus. Die offene, freundschaftliche Art der Kommunikation Sengelmanns habe dazu beigetragen, dass er bestimmt viele erreicht habe, ist sich eine Schülerin sicher. Eine Mitschülerin ergänzt, dass auch ohne kirchliche Bindung die Reformation eine wichtige Sache sei.

Stichwort: «Luther und Europa»

Die Tafelausstellung «Luther und Europa» fragt nach den europäischen Dimensionen der Reformation. Aus dieser Perspektive zeigt sich, dass neben Wittenberg auch andere Reformationszentren wie Zürich und Genf von Bedeutung sind, ohne die die Ausbreitung des neuen Glaubens in Europa nicht denkbar gewesen wäre. «Luther und Europa» ist eine Ausstellung des Hessischen Staatsarchivs Marburg. (18.08.2017)

Linktipp:

Weitere Informationen zur Wanderausstellung erhalten Sie unter:

rpi-ekkw-ekhn.de