Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 08 Mär 2017

Kirchhain (medio). Welche Rolle spielt die Religion in unserer Gesellschaft, welche Rolle sollte ihr zukommen? Und: Haben die Religionen in Deutschland eine integrierende Kraft oder besteht die Gefahr, dass Religion zur Ausgrenzung missbraucht wird? Diese und weitere Fragen standen bei einer Diskussionsveranstaltung am Montag (6.3.) in Kirchhain im Mittelpunkt. Unter dem Motto «Religion – Anlass zur Gewalt oder Beitrag zum Frieden?» diskutierten in der Aula der Alfred-Wegener-Schule Jacob Donath (Judentum), Thorsten-Marco Kirschner (Christentum) und Selçuk Dogruer (Islam), teilte Dekan Hermann Köhler vom Evangelischen Kirchenkreis Kirchhain mit, der die Runde in Kooperation mit der Gesamtschule veranstaltete. Die Moderation hatte Pfarrerin Elisabeth Krause-Vilmar.
 

Rund 250 Menschen hätten die Veranstaltung besucht und die Atmosphäre sei sachlich und freundlich gewesen, berichtete Pfarrer Karl-Günter Balzer, Medienbeauftragter des Sprengels Waldeck und Marburg. Der in Frankfurt am Main lebende Volkswirt Jacob Donath (*1988) ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und erklärte, dass das Judentum keine Mission kenne, und deshalb auch nicht andere Menschen mit Gewalt überziehen werde. Zu Fragen nach dem Nahostkonflikt und der Politik Israels sagte Donath, dass er als deutscher Jude nicht mehr mit der Politik dieser Region zu tun habe, als die anderen Anwesenden. Er stellte aber für sich  fest, dass der Nahostkonflikt kein religiöser Konflikt sei und warf den jüdischen Siedlern vor, die Religion als Ausrede für ihr Handeln zu benutzen.

Selçuk Dogruer (*1983), Islamischer Theologe und Landesbeauftragter für interreligiösen Dialog der DITIB Hessen (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.) sah einen Missbrauch des Islam durch gewalttätig handelnden Menschen. Besonders dem sogenannten Islamischen Staat (IS) warf der Theologe «religiöses Analphabetentum» vor, so Pfarrer Balzer. Der Islam habe eine universelle Friedensbotschaft, die von den allermeisten der 1,6 Milliarden Muslime auf der Erde verstanden und gelebt werde. Mit Bedauern stellte Dogruer fest, dass in der Öffentlichkeit die Gewalt muslimischer Terroristen viel stärker wahrgenommen werde, als die Friedensbotschaft des Islam.

Thorsten-Marco Kirschner (*1980), Pfarrer der Landeskirche und Beauftragter des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Dialog mit parteipolitischen Jugendverbänden, erklärte, dass es auch im Christentum Texte gebe, die zu Gewalt aufrufen. Dem gegenüber verwies er auf die universelle Botschaft der Nächsten- und Feindesliebe. Es gelte, aus der Geschichte zu lernen und Selbstkritik zu üben, so Kirschner.

Für Kirschner haben alle Religionen ein gewalttätiges Potential. Droguer konkretisierte, dass dies auch für fundamentalistische Atheisten und Wissenschaftler gelte und wies auch auf die Verfolgung von Moslems im buddhistischen Myanmar hin. «Die Gewalt hat viel mit Fundamentalismus zu tun», stellte Moslem Dogruer fest und Jude Donath pflichtete ihm bei, dass Mission und Fundamentalismus als Ursache von Gewalt zusammen gesehen werden müssten. Alle drei Diskutanten seien sich darin einig gewesen, dass Juden, Christen und Muslime an denselben Gott glauben: Gott lasse sich nicht für eine Religion vereinnahmen, so Dogruer und Donath fügte lachend hinzu, wenn jede Religion einen eigenen Gott hätte, dann wären es ja plötzlich drei und nicht mehr einer, berichtet Pfarrer Balzer. (08.03.2017)

Linktipp:

Ein Interview mit Dekan Hermann Köhler zur Diskussionsveranstaltung und weitere Informationen zum Kirchenkreis Kirchhain finden Sie unter:

kirchenkreis-kirchhain.de/(...)