Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 13 Okt 2008

Marburg (epd). Der Theologe und Sozialethiker Wolfgang Nethöfel sieht eine «Mischung aus Gier und Gelegenheit» als Ursache der derzeitigen Finanzkrise. «Zur Wahrheit gehört, dass die meisten von uns bis vor kurzem profitiert haben: durch niedrige Preise und durch einen im internationalen Vergleich immer noch hohen Lebens- und Sozialstandard», sagte Nethöfel am Samstag in Marburg in einem epd-Gespräch.

Die größte Gefahr in der gegenwärtigen Situation sei, dass die Krise vom Finanz- über das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem auf das politische System übergreife. «Krisen sind die Stunde der Rattenfänger, die für komplizierte Probleme einfache Lösungen anbieten», warnte der evangelische Theologe. Wer jetzt aber auf einen starken Staat setze, solle nicht vergessen, dass sich der  Staat als Bankbetreiber «nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat». Er sei sogar komplett gescheitert, als er im Sozialismus den Markt durch den Plan ersetzen wollte.

In der derzeitigen Situation sei es wichtig zu schauen, was gut funktioniert habe, etwa die strenge Bankenaufsicht in Spanien oder die Orientierung am Unternehmenswert in den deutschen mittelständischen Betrieben. «Vor allem ist jetzt aber die Stunde, in der die Soziale Marktwirtschaft sich auch international bewähren kann», erklärte Nethöfel.

Er argumentiere als christlicher Ethiker gegenüber Wirtschaftsleuten so: «Wenn ihr lange statt schnell Geld verdienen wollt, braucht ihr Ethik. Das wirkt stabilisierend.» Das Erfolgsrezept des abendländischen Kulturkreises laute: «Jede Organisation bezieht ihre wichtigsten Informationen von denjenigen, die gerade draußen und unten sind.» Wer das in den Betrieben beachte, werde «wie von selbst» innovativ und erhöhe seine Überlebenschancen am Markt. (13.10.2008)